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Großer Wirbel

Nicht nur für Musiker, sondern auch für Designer, Fotografen und Texter müssen Unternehmen Beiträge an die Künstlersozialkasse zahlen.

Künstlersozialabgabe – dieser Begriff wird mit einem Konzertveranstalter assoziiert. Oder man denkt an den Prozess von RTL mit der Künstlersozialkasse, in dem es um Dieter Bohlen als Jury-Mitglied einer Casting-Show ging. Ist die Künstler­sozialabgabe also ein Exot im Paragraphen­dschungel? Alles andere als das. Es sind nicht nur die typischen Verwerter künstlerischer und publizistischer Leistungen, wie z.B. Konzertagenturen oder Verlage, die Künstlersozialabgabe zahlen müssen. Die Pflicht betrifft vielmehr auch alle Unternehmen, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler und Publizisten vergeben, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens zu nutzen und um im Zusammenhang mit dieser Nutzung Ein­nahmen zu erzielen. Um nur einige griffige Beispiele zu erwähnen: Der Künstlersozialabgabe unterliegen grundsätzlich Industriedesigner, Webdesigner, Werbefotografen, unter bestimmten Voraussetzungen z.B. auch Messebauer.

Seit 1. Juli 2007 sind die Überwachungs- und Kontrollfunktionen für die Künstlersozialabgabe für alle Unternehmen, die Arbeitnehmer beschäftigen, von der Künstlersozialkasse (KSK) auf die Deutsche Rentenversicherung übergegangen. Im Rahmen der generellen Sozialversicherungsprüfungen bei Unternehmen prüft nunmehr die Deutsche Rentenversicherung auch, ob die Unternehmen die Künstlersozialabgabe rechtzeitig und vollständig entrichtet und ihre Meldepflichten ordnungsgemäß erfüllt haben. Mit massiven Kontrollen ist zu rechnen.

Geregelt ist die Künstlersozialabgabe im Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) vom 1. Januar 1983. Durch das KSVG werden selbstständige Künstler und Publizisten in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und (seit 1995) in der Pflegeversicherung pflichtversichert; hierdurch soll deren soziale Absicherung verbessert werden. Selbstständige Künstler und Publizisten bezahlen den hälftigen Versicherungsbeitrag. Die zweite Beitragshälfte wird finanziert durch einen Bundeszuschuss sowie durch Abgaben derjenigen Unternehmen, die künstlerische oder publizistische Leistungen verwerten – die Künstlersozialabgabe. Unternehmen aus Industrie und Handel betrifft die Abgabenpflicht v.a., wenn sie als sogenannte „Eigenwerber“ auftreten oder aufgrund der Generalklausel des KSVG.

Als sogenannter „Eigenwerber“ abgabepflichtig ist jedes Unternehmen, das für eigene Zwecke Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit betreibt und dabei nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten erteilt. Abgabepflichtig sind damit prinzipiell alle Unternehmen, die zum Zwecke der Vertriebsförderung, des Marketings oder der Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit in Erscheinung treten. Erfasst werden alle Formen der Werbung oder der Öffentlichkeitsarbeit, z.B. Produktwerbung, Massenmedien, Kataloge, Imagebroschüren, unter Umständen auch reine Geschäftsberichte.

Abgabepflicht nach der Generalklausel

Die Abgabepflicht erfasst alle Unternehmen, die

  • nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten erteilen,
  • um deren Werke oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens zu nutzen,
  • wenn im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden sollen.

Von dieser Generalklausel werden insbesondere die eingangs erwähnten „Designerfälle“ erfasst. Hintergrund ist, dass der Begriff des „Künstlers“ von den Gerichten sehr weit gefasst wird. So wurden beispielsweise folgende Gruppen als Künstler angesehen: Designer für Beschläge von Türen und Fenstern, Designer für Armaturen und Accessoires gehobenen Standards für Bad und Küche sowie Webdesigner. Unternehmen, die eigene Produkte oder den Internet-Auftritt von externen Industrie- oder Webdesignern gestalten lassen (wenn diese Designer nicht als juristische Person, z.B. GmbH, auftreten), sind damit grundsätzlich abgabenpflichtig.

Bemessungsgrundlage der Künstlersozialabgabe sind die Entgelte für künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen, die ein Unternehmen im Laufe eines Jahres an selbstständige Künstler oder Publizisten zahlt, auch wenn diese selbst nicht versicherungspflichtig sein sollten. Entgelt ist hierbei alles, was das Unternehmen aufwenden muss, um das künstlerische Werk oder die Leistung zu erhalten bzw. zu nutzen. Dies umfasst z.B. sämtliche Vergütungen unabhängig von der Bezeichnung (ohne die Mehrwertsteuer), Sachleistungen und die erstatteten Auslagen (z.B. Materialkosten). Die Bemessungsgrundlage kann also sehr umfangreich sein.

Der Abgabesatz beträgt 3,8 Prozent für 2003, 4,3 Prozent (2004), 5,8 Prozent (2005), 5,5 Prozent (2006), 5,1 Prozent (2007) und 4,9 Prozent (2008).

Ansprüche auf die Künstlersozialabgabe verjähren vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Werden Beiträge vorsätzlich vorenthalten, beträgt die Verjährung 30 Jahre. Die Künstlersozialabgabe wird jeweils zum 31. März für das vorangegangene Kalenderjahr fällig. Mit Ablauf des 31. Dezember 2007 verjährt damit die Künstlersozialabgabe für das Kalenderjahr 2002. Faktisch bedeutet dies, dass für fünf Kalenderjahre rückwirkend die Abgabe verlangt werden kann.

Unternehmen aus Industrie und Handel können in also in erheblichem Umfang der Künstlersozialabgabe unterliegen und müssen sich hierauf sowohl für bereits vergangene als auch für künftige Zeiträume einstellen. Für bereits vergangene Zeiträume (mindestens ab 2002) sollte jedes Unternehmen prüfen, ob abgabepflichtige Tatbestände verwirklicht wurden. Ist dies der Fall, muss das Unternehmen möglicherweise erhebliche Beitragsnachforderungen einkalkulieren.

Externer Kontakt: Rechtsanwalt Dr. Dirk Lange, Kanzlei Foerster + Rutow, Nürnberg, dla@fr-lawfirm.de
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2008, Seite 14

 
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