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Daten auf Vorrat

Sechs Monate müssen nun Angaben darüber gespeichert werden, wer mit wem wann und wo kommuniziert hat. Auch Unternehmer sehen sich dadurch unter Generalverdacht gestellt. Von Annette Karstedt-Meierrieks

Das Wort "Vorratsdatenspeicherung" hat gute Chancen, zum "Unwort" des Jahres 2008 gewählt zu werden. Ein Begriff, der in den letzten Monaten auch bei Unternehmern Emotionen geweckt hat. Denn zum 1. Januar 2008 ist das "Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG" in Kraft getreten. Es regelt die von Anlässen unabhängige Speicherung sämtlicher Verkehrsdaten. Darunter fallen beispielsweise: Rufnummer, Kennung, beteiligte Anschlüsse bei Weiterschaltungen, Beginn und Ende der Verbindung, Angaben zu den benutzen Diensten, IP-Adresse, elektronisches Postfach, Art des Telefonierens (stationär, mobil oder via Internet) sowie Internet-Nutzung einschließlich E-Mail.

Für sechs Monate festgehalten werden dabei die Daten, wer mit wem wann und wo kommuniziert hat. Allein der Inhalt der Gespräche und der elektronischen Post wird nicht gespeichert. Werden nun im Zuge von strafrechtlichen Ermittlungen wegen schwerer Straftaten diese Daten nach Ansicht der Strafverfolgungsbehörden wichtig, kann die Staatsanwaltschaft eine richterliche Anordnung beantragen, um vom Telekommunikationsdienstleister die Herausgabe der Daten zu verlangen. Er muss technisch Sorge dafür tragen, dass diese Daten vorgehalten und übermittelt werden können. Dabei gilt auch derjenige als Erbringer öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste, der keine eigenen Telekommunikationsanlagen betreibt, sondern solche anderer Anbieter in Anspruch nimmt. Notfalls muss dieser Dienste-Erbringer die Erfüllung der Speicherpflichten der Bundesnetzagentur gegenüber nachweisen. Ausgenommen von der Speicherpflicht sind damit nicht-öffentliche Bereiche wie z.B. unternehmensinterne Netze oder Nebenstellenanlagen.

Tatverdacht nicht nötig
Auf den ersten Blick mag es notwendig sein, solche Daten vorzuhalten. Schließlich bedienen sich auch Kriminelle der neuen Kommunikationsmedien. Kritikwürdig an der Regelung ist aber, dass es nicht vorher eines Tatverdachts bezüglich bestimmter Personen bedarf, um dann per richterlicher Anordnung die Speicherung der Daten zu verfügen. Nun wird erst gespeichert und dann geschaut, ob darunter vielleicht Informationen sind, die die Staatsanwaltschaft benötigt. Viele Bürger fühlen sich dadurch in ihren Grundrechten eingeschränkt und unter Generalverdacht gestellt.

Unternehmen lehnen das Gesetz ab, weil alle Dienste-Erbringer nun die Verpflichtung trifft, entsprechende technische Vorkehrungen zu treffen, um diese Flut von Daten zu speichern. Wer sich als Unternehmer auf kleine Marktsegmente beschränkt hatte und dort einen interessanten Dienst anbietet, ist ebenso in der Speicherfalle wie die großen Universalanbieter. Hierfür sieht das Gesetz bisher keine adäquate Entschädigungsregelung vor, obwohl die Privatunternehmen erhebliche Investitionen tätigen müssen, um dem Staat zuzuarbeiten. Wann eine entsprechende Entschädigungsregelung, die diesen Namen auch verdient, vom Gesetzgeber verabschiedet wird, ist noch nicht absehbar.

Die Hoffnungen vieler ruhen nun auf dem Bundesverfassungsgericht. Ihm liegen Anträge auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung vor. Damit soll es in einem Eilverfahren das Inkrafttreten des Gesetzes aussetzen. Eine Entscheidung des Gerichts über die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes kann dann etwas dauern. Würde das oberste Gericht die Regelungen für verfassungswidrig erklären, käme die Bundesregierung in die Klemme: Denn das Gesetz dient auch der Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie, und hier gibt es Fristen, die zu beachten sind. Wenn sie nicht eingehalten werden können, verstößt die Bundesrepublik gegen EU-Verträge und muss womöglich Strafgelder nach Brüssel zahlen.

Externer Kontakt: Annette Karstedt-Meierrieks (meierrieks.annette@berlin.dihk.de) ist Juristin beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 06|2008, Seite 32

 
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