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Volksfeste

Das Karussell dreht sich schnell

Die Schausteller liefern sich mit anderen Unterhaltungsbranchen einen harten Wettbewerb, um die Aufmerksamkeit der Kunden zu gewinnen.

Wir bieten für die Menschen das kleine Glück“, bilanziert Lorenz Kalb, Chef des Süddeutschen Verbands Reisender Schausteller und Handelsleute e.V. mit Sitz in Nürnberg. Das bestätigen auch die Besucherzahlen, die weitgehend konstant sind und mit denen die Nürnberger Schausteller im Bundestrend liegen. Nach Angaben des Deutschen Schaustellerbundes (DSB) konnten trotz schwächelnder Wirtschaft die Volksfeste bundesweit im Jahr 2009 rund 178 Mio. Menschen anlocken. Demnach gehören Volksfeste zu den beliebtesten Freizeitangeboten in Deutschland. „Der Fußball bringt gerade mal neun bis elf Mio. Fans in die Stadien“, so Kalb.

Die Umsatzentwicklung bezeichnet Kalb als „zufriedenstellend“, wenngleich die Ausgaben pro Besucher mittlerweile deutlich unter die 22 Euro gefallen seien, die eine Studie vor Jahren als Pro-Kopf-Ausgabe errechnet hatte. Die Branche konkurriert mit anderen Freizeitaktivitäten – gerade bei Kindern und Jugendlichen, die ihr Geld gern für Computerspiele oder Kinokarten ausgeben.

Das Nürnberger Volksfest, bundesweit unter den Top Ten, hat sich in den letzten Jahren einen Namen als „sicherstes und sauberstes Volksfest“ gemacht, freut sich Kalb. Die jeweils zwei Nürnberger Volksfestwochen im Frühjahr und Herbst sieht er als „Familienfest für alle gesellschaftlichen Schichten“. Dazu trägt nicht nur der Mittwochnachmittag bei, an dem sich junge Familien über halbierte Preise bei Fahrgeschäften und Buden freuen können. Zu den Extras, die Kalb mit seinem Verband immer weiter entwickelt, gehören auch Frühstück oder Speed-Dating im Riesenrad, ein italienischer Themenabend, eine Arbeitsplatzbörse für Jobsuchende oder das Angebot für Schulen, Physik- oder Mathematikunterricht ganz praxisorientiert hinter den Kulissen des Volksfestes durchzuführen. Für Unternehmen gibt es die Möglichkeit, zur Stärkung in einem Festzelt „mit leckerem Essen und elf Maß Bier zum Preis von zehn“ einzukehren. Als Gutschein für Mitarbeiter empfiehlt Kalb den Volksfesttaler. Diese Währung, von der mittlerweile 80 000 Taler kursieren, wird an allen Ständen akzeptiert, egal ob für Zuckerwatte, Bratwürstchen oder für das Lach- und Freu-Haus, ein Belustigungsbetrieb mit Licht- und Bewegungseffekten, der erstmals beim Nürnberger Frühlingsfest zu erleben war.

Als Verbandschef will Kalb den Spaß- und Erlebnisfaktor weiter steigern. Dazu müsse er oftmals seine „170 eigenständigen Zirkusdirektoren“, wie er die Nürnberger Schausteller nennt, unter einem Hut vereinen. Etwa wenn es um die musikalische Beschallung geht, die sich nun nicht mehr von Stand zu Stand ändert, sondern die Besucher einheitlich begleitet. Die Kollegen aus Aschaffenburg wollten sich die Anlage gleich ausleihen, verrät Kalb stolz. Alle Mitarbeiter haben ein Serviceseminar absolviert, um den Besuchern immer mit einem Lächeln zu begegnen. Besucher direkt ansprechen oder einen Kunden beim Mandelbrennen mitmachen lassen – das sind weitere kleine Bausteine, mit denen sich das Volksfest als „einmalige Freizeitaktivität mit Spiel, Spaß und Unterhaltung“ weiter profilieren will. Denn etwa jeder zehnte Besucher kommt, um sich unterhalten zu lassen, ohne Geld auszugeben. „Wir kämpfen um jeden Kunden.“

Als derzeit größtes Problem für den Berufsstand sieht Kalb die städtischen Gebühren, die für die Bereitschaft der Feuerwehr, den Regenwassereinlauf oder die Schankgestattung fällig werden. „Das kann kein Schausteller mehr umlegen, denn wir brauchen auch familienfreundliche Preise.“ Unter Druck fühlen sich die Betreiber von Fahrgeschäften, wie Looping-Achterbahn oder Euro-Coaster, denn die könnten kaum das Geld für neue Investitionen aufbringen und die banken akzeptieren die Fahrgeschäfte nicht als Sicherheit.

Das Nürnberger Volksfest, das im Jahr 1826 von der Nürnberger Bürgerschaft zum Namenstag von König Ludwig I. ins Leben gerufen wurde, habe aber noch an weiteren Fronten zu kämpfen. Die Losbuden klagten darüber, dass der Hauptgewinn auf 60 Euro gedeckelt ist, um nicht der Spielsucht Vorschub zu leisten. Das bedeutet aber auch, dass die Betreiber keine echten Attraktionen bieten können. Und auch die Demografie macht den Schaustellern Sorgen: Weil es immer weniger Kinder gibt, verlieren Wurfbuden, Lostrommeln und Fahrgeschäfte Kunden. Und dann ist da noch das Wetter: „Die Nürnberger sind sehr empfindlich. Bei Regen fällt das Geschäft buchstäblich ins Wasser.“

Bergkirchweih und Michaelis-Kirchweih
Keine Zweifel will Kalb an der Attraktivität der Erlanger Bergkirchweih und der Fürther Michaelis-Kirchweih aufkommen lassen. Beide Feste, jeweils mit über einer Mio. Besucher, haben „ihren eigenen Charakter und lassen sich nicht vergleichen“. Das Besondere in der Kleeblattstadt sei der Veranstaltungsort mitten in der Stadt, es wird für die Dauer des Festes sogar „eine Bundesstraße gesperrt“. Dort sind die Hälfte der Stände Marktbuden aus, an denen es Zuckerwatte genauso gibt wie Bürsten und wo der billige Jakob Schnürsenkel feil bietet. „Das schafft ein wunderschönes Flair.“

Die Pfingsten beginnende 255. Bergkirchweih in der Hugenottenstadt Erlangen hat aufgrund der vielen Bierkeller das „Bierfest als Schwerpunkt“. Dort versuchen Rathaus und Schausteller die „Attraktivität als Familienfest“ zu stärken. Für Kalb steht fest: „Der Mix macht auch hier den besonderen Reiz.

Autor/in: 
tt.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2010, Seite 54

 
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