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Interview

Wie verhindert man das Ausbrennen?

Immer mehr Mitarbeiter klagen über psychische Belastungen am Arbeitsplatz. WiM fragte Dr. Bernd Sprenger, Chefarzt der Klinik für Psychosomatische Medizin der EuromedClinic in Fürth, wie die Betriebe vorbeugen können.

Herr Dr. Sprenger, der Begriff Burn-out wird fast schon inflationär verwendet. Wie äußert sich ein Burn-out-Syndrom und was unterscheidet es von anderen psychischen Erkrankungen wie beispielsweise Depressionen?

Burn-out gehört zu den sogenannten Anpassungsstörungen. Es handelt sich dabei um ein Krankheitsbild mit typischen Symptomen, wobei die Überschneidung zur Depression groß ist. Ob es sich um ein und dieselbe psychische Erkrankung handelt, ist Gegenstand akademischer Diskussionen und spielt in der Praxis keine Rolle. Burn-out äußert sich in chronischer emotionaler Erschöpfung, die mit körperlichen Symptomen allgemeiner Art einhergeht. Dies sind beispielsweise Schlafstörungen, Verdauungsstörungen oder Kopfschmerzen. Typisch ist, dass die Betroffenen innerhalb normaler Erholungszeiten wie Urlaub oder Wochenende nicht mehr zur ursprünglichen Leistungsfähigkeit zurückfinden. Es gibt zwei Varianten: Die einen merken generell bei sich keinerlei Symptome, kommen aber eines Morgens einfach die Treppe nicht mehr hinauf. Die anderen haben die genannten körperlichen Anzeichen. Als Folge ihrer Leistungseinbußen strengen sie sich noch mehr an, aber je mehr sie sich einsetzen, desto schlimmer wird ihr Zustand und umso weniger können sie wirklich leisten.

Haben Sie den Eindruck, dass die Zahl der Betroffenen zunimmt oder wird nun lediglich offener über das Thema gesprochen?

Beides: Die Zahl der Patienten nimmt zu und gleichzeitig ist es richtig, dass mehr darüber gesprochen wird, was sich möglicherweise gegenseitig bedingt. Aber die Tatsache, dass ausgerechnet derzeit die Burn-out-Zahlen steigen, verwundert nicht. Denn während der Wirtschafts- und Finanzkrise, die eben erst hinter uns liegt, kam es bei Mitarbeitern zu erhöhtem Kompensationsverhalten und großem Einsatz, um diese anstrengende Phase halbwegs zu überstehen. Und nun, nachdem das Schlimmste hinter ihnen liegt, kommt der Tiefpunkt. Nun merken die Menschen, dass es möglicherweise zu sehr an ihre Substanz ging.

Welche Personen und welche Berufsgruppen sind besonders gefährdet?

Dies hat sich in letzter Zeit geändert. Früher waren nur „Helfer“ und Personen in „Menschen-Berufen“ mit hohem emotionalem Einsatz betroffen. Mittlerweile geht die Diagnose durch alle Berufsfelder. Das liegt an der hohen Verdichtung und Beschleunigung der Arbeit, die sehr stark zugenommen hat. Denken Sie beispielsweise an den hohen E-Mail-Durchlauf, den der Einzelne pro Tag bewältigen soll. Früher gab es nur die Post, man hatte deutlich mehr Zeit.

Wie können Arbeitgeber und Mitarbeiter vorbeugen und auf welche Warnsignale sollten sie achten?

Wichtig ist, frühzeitig die eigenen Grenzen zu respektieren. Dies umfasst zwei Kriterien, erstens die Verhaltensprophylaxe und zweitens die Verhältnisprophylaxe, d.h. die Arbeitsbedingungen. Für letztere gilt, dass Firmen jetzt plötzlich merken, dass Arbeitsabläufe nicht beliebig weiter beschleunigt werden können. Unternehmen sollten darauf achten, dass sich die Umstrukturierung, mit der viele immer noch beschäftigt sind, in Grenzen hält. Dies ist eine Führungsaufgabe, auch die des Firmenchefs persönlich. Für die Verhaltensprophylaxe, auf die der Einzelne selbst achten kann, gibt es eine relativ einfache Regel: Sieben Grundbedürfnisse müssen immer in etwa im Gleichgewicht sein, und zwar auf längere Sicht. Diese sind ausgewogenes Essen, ausreichend Bewegung, genug Schlaf, Bindung (also Partner, Familie und Freunde), Selbstwert, Orientierung und Kontrolle sowie Lustbefriedigung, sprich alles, was man gemeinhin mit Freizeit und „Fun“ umschreibt. Die Realität sieht aber leider anders aus. Oft wird sogar die Fun-Seite in Freizeit und Urlaub völlig übertrieben, indem auch hier sportliche Höchstleistungen angestrebt werden. Tatsächlich merken Burn-out-Betroffene selbst immer zuletzt, dass mit ihnen etwas nicht stimmt. Oft ist es die Ehefrau, die sich wundert, wenn der Gatte, der einst so gerne in die Oper ging, nur aufstöhnt, wenn sie mit neuen Karten winkt. So etwas ist ein sehr wichtiges Warnzeichen! Wenn allerdings Mitarbeiter bemerken, dass der eigene Vorgesetzte betroffen ist, hilft nur eines: offen ansprechen. Meiner Auffassung nach wird sich auch in der Personalpolitik etwas ändern. Denn je mehr personelle Engpässe es gibt, desto mehr wird der Begriff der Nachhaltigkeit wichtig werden. Man wird gezwungen sein, die Ressource Mitarbeiter pfleglich zu behandeln. Und zwar einfach deshalb, weil es keine andere Alternative gibt.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2011, Seite 42

 
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