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Stromversorgung

Neue Energie

Wie geht es nach dem Ausstieg aus der Atomenergie weiter? Welche Energieformen versprechen eine sichere, bezahlbare und umweltfreundliche Stromversorgung?

Die mittelfränkische Wirtschaft unterstützt grundsätzlich den Umbau der Energieversorgung mit den Zielen der Senkung klimarelevanter Emissionen, des schrittweisen Ausstiegs aus der Kernenergie, einer stärkeren Nutzung erneuerbarer Energien und der Schonung fossiler Ressourcen.“ – Der erste Satz in der Präambel der „Zehn IHK-Positionen zur aktuellen Energiepolitik“ beschreibt die Stimmung vieler Unternehmer angesichts der sogenannten Energiewende. Diese Resolution zur aktuellen Energiepolitik hat die Vollversammlung der IHK Nürnberg für Mittelfranken Ende Mai beschlossen. Die zehn Punkte wurden von den Fachausschüssen „Energie | Umwelt“ und „Industrie | Forschung | Technologie“ erarbeitet und intensiv diskutiert, sowohl mit regionalen Versorgern, Industrie- und Technologieunternehmen als auch mit mittelständischen Energieverbrauchern.

An die Adresse der Politik appelliert die Resolution: „Das zentrale Zieldreieck der Energiewirtschaft – Versorgungssicherheit | Bezahlbarkeit | Umweltverträglichkeit ist dabei jedoch weiterhin gleichgewichtet zu verfolgen. Die Energiewende muss so gestaltet werden, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit der mittelfränkischen Unternehmen nicht belastet wird und die wirtschaftlichen Chancen genutzt werden können.“

Der grundlegende Umbau der Energieversorgung in Deutschland umfasst eine Vielzahl von Maßnahmen. Einige Details sind zwar noch nicht ausgearbeitet bzw. veröffentlicht, die Bundesregierung hat jedoch die Eckpfeiler für die beschleunigte Energiewende bereits am 6. Juni 2011 beschlossen.

Bis spätestens Ende 2022 wird vollständig auf die Stromerzeugung in deutschen Kernkraftwerken verzichtet; bislang lag der Anteil von Kernkraftstrom an der Stromproduktion in Deutschland bei 22 Prozent. Die während des Moratoriums abgeschalteten sieben Kernkraftwerke sowie das Kernkraftwerk Krümmel werden nicht wieder hochgefahren. Geplant ist, dass die weiteren neun Anlagen schrittweise von 2015 bis Ende 2022 vom Netz gehen.

Die grundlegenden Ziele des Energiekonzepts der Bundesregierung vom Herbst 2010 bleiben bestehen. So soll der Anteil der erneuerbaren Energien am Energieverbrauch bis 2050 auf 60 Prozent, ihr Anteil am Stromverbrauch auf 80 Prozent anwachsen. 2020 sollen mindestens 35 Prozent des deutschen Stroms aus Wind, Sonne, Wasser und anderen regenerativen Energiequellen erzeugt werden. Schwerpunkt des zukünftigen Ausbaus soll die Windenergie an Land und auf See sein. So werden die Finanzierungsbedingungen für Offshore-Anlagen verbessert; die Novellierung des Bauplanungsrechts, etwa die einfachere Flächenausweisung für erneuerbare Energien, soll den Ausbau und die schnellere Modernisierung von Windkraftanlagen an Land erleichtern.

Bis 2020 sollen die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent und bis 2050 um mindestens 80 Prozent gegenüber 1990 sinken und der Primärenergieverbrauch bis 2050 gegenüber 2008 halbiert werden. Die energetische Gebäudesanierung wird den Planungen zufolge im Vergleich zur bisherigen Rate verdoppelt, der Stromverbrauch bis 2020 um zehn Prozent gesenkt. Im Zentrum steht dabei der Gebäudebereich, auf den rund 40 Prozent des deutschen Energieverbrauchs und etwa ein Drittel der Kohlendioxid-Emissionen entfallen. Um die energetische Gebäudesanierung anzukurbeln, ist vorgesehen, die Mittel für das KfW-CO2-Gebäudesanierungsprogramm von 936 Mio. Euro auf 1,5 Mrd. Euro jährlich aufzustocken. Zudem sollen neue steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten für die Gebäudesanierung in Höhe von rund 1,5 Mrd. Euro hinzukommen.

Netzausbau

Um Versorgungssicherheit und Netzstabilität zu gewährleisten, müssen die Stromnetze in ganz Deutschland zeitnah ausgebaut und modernisiert werden. Dazu hat die Bundesregierung den Entwurf eines Netzausbaubeschleunigungsgesetzes beschlossen, das unter anderem eine bundeseinheitliche Planung für Höchstspannungsleitungen von überregionaler und europäischer Bedeutung vorsieht und eine frühzeitige Bürgerbeteiligung sicherstellt.

Einspeisevergütung

Die jetzige Form der Einspeisevergütung im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) führt zu einer Erzeugung von Strom, die nicht nach der aktuellen Nachfrage ausgerichtet ist. Durch den Einspeisevorrang der erneuerbaren Energien und die konstante Vergütung speist beispielsweise ein Produzent von Windkraft immer dann seinen Strom ins Netz ein, wenn die Anlage in Betrieb ist. Falls zu diesem Zeitpunkt ein Überangebot an Strom vorliegt, müssen andere Kraftwerke heruntergefahren werden, was Stilllegungskosten verursacht, die möglicherweise beim Windkraftbetreiber geringer ausfallen würden.

Mit der Einführung einer optionalen Marktprämie sowie einer Flexibilitätsprämie für eine bedarfsorientierte Stromerzeugung aus Biomasse sollen in der Novelle des EEG Anreize zur Markt- und Systemintegration der erneuerbaren Energien gesetzt werden. Betreiber von Anlagen für erneuerbare Energien haben damit die Möglichkeit, die Vermarktung ihres Stroms selbst vorzunehmen und durch bedarfsgerechte Erzeugung zusätzliche Vermarktungserlöse zu erzielen. Flankierend sollen im Rahmen des neuen Energieforschungsprogramms die Entwicklung und Anwendung neuer Speichertechnologien unterstützt werden, um die schwankende Energieversorgung aus erneuerbaren Energien zu verstetigen.

Energieintensive Branchen

Die Wirtschaft und vor allem die energieintensive Industrie sind in besonderer Weise darauf angewiesen, Strom zuverlässig und zu wettbewerbsfähigen Preisen beziehen zu können. Besonders die Begrenzung der Umlage der Einspeisevergütungen steht im Fokus des Interesses vieler Unternehmen. Bereits in der derzeit geltenden Fassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) ist mit § 41 eine Regelung für das produzierende Gewerbe enthalten, unter welchen Voraussetzungen die EEG-Umlage verringert wird. Künftig sollen mehr Unternehmen unter diese Regelung fallen. Der Entwurf der Bundesregierung senkt die Schwelle für die Anwendung dieses Paragraphen auf eine Stromabnahme an einer Abnahmestelle von derzeit zehn GW/h auf eine GW/h. Zudem wird das Verhältnis der von den Unternehmen zu tragenden Stromkosten zur Bruttowertschöpfung des Unternehmens von 15 auf 14 Prozent verringert. Für Unternehmen mit einem Stromverbrauch von mehr als 100 GW/h und dessen Verhältnis zur Bruttowertschöpfung von mehr als 20 Prozent wird die gesamte ermittelte EEG-Umlage auf 0,05 Cent je KW/h beschränkt.

Der Entwurf der Bundesregierung berücksichtigt zudem eine Forderung der IHK-Organisation: Bislang müssen Unternehmen, die von der reduzierten EEG-Umlage des § 41 profitieren wollen, eine Zertifizierung im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr nachweisen. Die Zertifizierung kann nun auch danach erfolgen. Unternehmen mit einem Stromverbrauch von weniger als zehn GW/h müssen keine derartige Zertifizierung vorlegen. Nicht aufgegriffen wurde der Vorschlag, die Grenze der Stromintensität weiter als nur auf 14 Prozent abzusenken.

Auswirkungen auf die Metropolregion

Für die regionale Wirtschaft eröffnen sich erhebliche wirtschaftliche Chancen auf dem Weg in eine nachhaltige Energiewirtschaft, denn sie hat auf den Feldern Energieeffizienz und erneuerbare Energien einiges zu bieten: Die Metropolregion Nürnberg ist führend in der Entwicklung von neuen Energietechnologien (z.B. intelligente Stromnetze, leistungselektronische Systemlösungen, energieeffiziente Antriebe, druckbare Solarzellen, Windkraft-Komponenten oder Kraftwerke aller Art).

Diesen Chancen stehen aber auch Risiken gegenüber: Dazu gehören steigende Preise und abnehmende Sicherheitspuffer, die für eine stabile Versorgung wichtige sind. Diese Risiken betreffen insbesondere energieintensive Industrieunternehmen. Gerade diese Betriebe liefern häufig notwendige Basistechnologien und High-Tech-Materialien für die geplante Energiewende. Beispiele sind Hochleistungs-Beschichtungen zur Reibungsminimierung in Wälzlagern oder Getrieben, Hochleistungskeramiken sowie Nichteisen-Metalle für Solarzellen, Windkraftanlagen, Leichtbau oder für die Elektromobilität. Damit Mittelfranken langfristig ein wettbewerbsfähiger Industriestandort bleibt, müssen daher auch energieintensive Industrien eine Zukunftsperspektive haben.

Informationen der IHK

Die IHK-Resolution zur aktuellen Energiepolitik kann unter www.ihk-nuernberg.de heruntergeladen werden (Rubrik „Innovation | Umwelt“, Thema „Energie“). Dort stehen auch der „Adresspool Strom und Gas“ – eine Aufstellung von bundesweiten Anbietern auf dem Strom- und Gasmarkt – sowie Informationen und eine Beitrittserklärung zum IHK-Stromrahmenvertrag mit wichtigen regionalen Versorgern zum Download zur Verfügung.

Autor/in: 

Dr. Ronald Künneth ist Referent für Energiewirtschaft und Technologietransfer bei der IHK Nürnberg für Mittelfranken. Andrea Wiedemann ist freie Journalistin.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 07|2011, Seite 18

 
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