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Elektrotransporter

Umweltfreundliche Kuriere

Für die Belieferung in den Innenstädten wären Elektroautos eigentlich gut geeignet, doch das Angebot an Serienfahrzeugen ist noch sehr klein. Pilotprojekte zeigen auf, was machbar ist.

In der deutschen Fußball-Bundesliga spielt seit Jahresbeginn ein französischer Elektrotransporter eine tragende Rolle: Samstag für Samstag wirbt der französische Autokonzern Renault in der ARD-Sportschau für sein „leichtes Nutzfahrzeug“ mit dem Namen Kangoo Maxi ZE. Mit 170 Kilometern Reichweite und einer Höchstgeschwindigkeit von 130 Kilometern pro Stunde hat der Kangoo Fahrwerte, die ihn für den Alltag tauglich machen. Dank 44-Kilowatt-Elektromotor ist der Franzose für Kurzlieferdienste in Innenstädten sehr gut geeignet. Deshalb hat die Republik Frankreich 15 600 E-Kangoos bei Renault bestellt, von denen allein 10 000 an die staatliche französische Post gehen.

Im Lkw-Segment bis 7,5 oder gar bis zwölf Tonnen Gesamtgewicht ist bis heute hierzulande kein Elektro-Fahrzeug wirklich „von der Stange“ erhältlich. Umso mehr wird gelobt, was die deutschlandweit tätige Textil-Spedition Meyer & Meyer (M&M) unternommen hat: Für die Belieferung der C&A-Filialen in der Berliner Innenstadt hat M&M zwei vollelektrische Zwölftonner angeschafft. Ausrüster der Fahrzeuge ist der holländische Fahrzeughersteller AGV, der normale MAN-Diesel-Fahrzeuge auf Elektroantrieb umrüstet. Die Doppelmeyer-Spedition mit Hauptsitz in Osnabrück „betankt“ diese Fahrzeuge an einer unternehmenseigenen Tankstelle in Potsdam, aus der ausschließlich regenerativ erzeugter Strom aus eigenen Solarstromkraftwerken fließt.

Herkunft des Stroms ist enscheidend

Dass Elektroautos mit Strom betrieben werden, der durch zusätzlich errichtete Öko-Kraftwerke erzeugt wird, ist nach Meinung von Bundesumweltminister Norbert Röttgen unerlässlich, denn für die Klimabilanz von Elektroautos sei vor allem die Herkunft des Ladestroms entscheidend. Der Minister stützt sich auf aktuelle Studien des Öko-Instituts Darmstadt und des ifeu Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg. Diese haben zum Thema Klima- und Umweltverträglichkeit von Elektroautos übereinstimmend ergeben: „Erst die Nutzung zusätzlicher erneuerbarer Energien ermöglicht eine signifikante Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen.“ Denn eine bloße Verlagerung des Kohlendioxid-Ausstoßes vom Auspuff zum Kraftwerk ist nach Worten des Bundesumweltministers Augenwischerei.

Deshalb fördert die Bundesregierung eine Reihe von Flottenversuchen mit E-Fahrzeugen, darunter den Einsatz der Elektrolaster von M&M in Berlin und Potsdam. Dort sollen laut Ministerium „City-Logistik-Konzepte zur umweltschonenden Versorgung der Hauptstadtregion erprobt werden, ohne auf hohe Lieferflexibilität und Leistungsfähigkeit verzichten zu müssen“. Seit Mai 2011 fahren die Meyer-Laster werktäglich Waren in Wechselbrücken-Koffern zwischen dem Lager in Potsdam-Fahrland und den innerstädtischen C&A-Filialen hin und her. Auf vier Jahre ist der Elektro-Test angelegt. Projektleiter Arnulf Bleck ist bislang sehr zufrieden mit der Alltagstauglichkeit der Fahrzeuge. Dass die Transportkosten gegenüber der Auslieferung mit einem Diesel-Lkw etwas höher sind, gibt Bleck zu. Doch zum Ausgleich habe der Kunde C&A „sofort“ einen etwas höheren Transportpreis akzeptiert.

E-Mobilität als Umweltinnovation

Im Abschlussbericht „E-Mobility“ der TU Berlin vom Herbst 2011, der praktische Erfahrungen mit Elektrofahrzeugen zusammenfasst, ist zu lesen: „Für viele NutzerInnen tritt das Elektroauto vor allem als Umweltinnovation in Erscheinung.“ Das bestätigt auch Christiane Auffermann, Mitautorin einer Studie des Fraunhofer-Instituts IML: „Umweltaspekte werden eine größere Bedeutung bei der Belieferung von Ballungsräumen erlangen.“

Selbst die noch nicht serienmäßigen Fahrzeuge von heute können bereits viele Transportprobleme lösen. Die Reichweiten zumindest sind ausreichend: Durchschnittlich 90 Kilometer fahren Logistikautos für Zentren, die von AGV umgebauten M&M-Laster schaffen je nach Einsatzort und Fahrweise bis zu 200 Kilometer. Die Reichweite der Kangoo-ZE-Transporter ist zwar etwas knapper bemessen, aber mit 170 Kilometern immer noch für die durchschnittlichen Tagesentfernungen mehr als ausreichend.

„Elektromobilität ist ein wichtiger Baustein für den Klima- und Umweltschutz im Verkehr“, ist Bundesumweltminister Norbert Röttgen überzeugt. Doch könnte die weltweit schnelle urbane Stadtentwicklung auch die Aktivitäten für Elektromobilität antreiben. Dazu seien international einheitliche Standards in der Elektromobilität nötig. Unter Leitung der DKE Deutsche Kommission Elektrotechnik-Elektronik-Informationstechnik im DIN haben Verbände kürzlich die zweite Stufe einer „Normungs-Roadmap Elektromobilität“ gemeinsam verabschiedet. Die Regeln sollen „künftig die sichere Anbindung von Elektroautos an ein intelligentes Stromnetz („Smart Grid“) sicherstellen“, erklären die Verbände. Es gehe weltweit um „die Lademöglichkeit für Elektrofahrzeuge, unabhängig vom Hersteller und Standort“, so die DKE.

Erfahrungen bei der Paketzustellung

Das interessiert natürlich auch den United Parcel Service (UPS), der seit Ende 2008 sechs elektrisch angetriebene, in Kleinserie in England hergestellte Modec-Lieferfahrzeuge in Deutschland testet. Sie wurden „in unterschiedlichen Stadtzentren und vergleichend erprobt“, eines davon in der Nürnberger Innenstadt, berichtet Lars Purkarthofer. Er kann mit positiven Erfahrungen aufwarten, was Fahrleistungen und Lebensdauer angeht. „Es gab keine sicherheitsrelevanten Probleme. Unser allererstes Fahrzeug fährt schon 30 000 Kilometer, ohne merklichen Alterungsprozess bei den Batteriespeichern. Denn wir reizen die Batteriekapazität nicht aus“, so der Leiter des Verbindungsbüros von UPS in Berlin.

Doch offenbar hatten die UPS-Verantwortlichen Schwierigkeiten, die Test-Fahrer vom Sinn des Modellprojekts zu überzeugen. Sie mussten bei den Modecs andere Handgriffe ausführen als bei den in aller Welt bekannten P80-Lastern. Weshalb UPS bei der Firma Elektrofahrzeuge Schwaben EFA-S im Herbst 2010 einen klassischen P80 umrüsten ließ, der vorher schon 460 000 Kilometer in Bamberg gelaufen ist. Jetzt hat das Fahrzeug mit 3,5 Tonnen Nutzlast (zuvor vier Tonnen) einen E-Motor mit 93 Kilowatt, fährt (elektrisch begrenzt) maximal 80 Kilometer pro Stunde schnell und 100 Kilometer weit. Der Verbrauch beträgt 50 Kilowattstunden je 100 Kilometer – vergleichbar mit fünf Litern Diesel.

Mit der Erfahrung von inzwischen 15 000 „elektrischen“ Kilometern hat die Paketfirma entschieden: „Diese Form der Umrüststrategie ist für uns die geeignetste und wird weiterverfolgt.“ Nur den Antriebsstrang zu tauschen sei außerdem viel preiswerter, erläutert Lars Purkarthofer. Inzwischen hat UPS bei EFA-S weitere sechs Umbauten geordert, die am Standort Herne eingesetzt werden sollen.

"Future Fleet" von SAP

Ein weiteres Projekt, das wertvolle Erfahrungen für die Elektromobilität der Zukunft liefern dürfte, ist die „Future Fleet“, die von über 300 Mitarbeitern des Software-Konzerns SAP getestet wurde. Die 27 Elektrofahrzeuge, die ihnen als Firmenwagen für Testzwecke zur Verfügung standen, haben schon über 100 000 Kilometer zurückgelegt. Gefahren wurden Stromos des deutschen Anbieters German E-Cars (Reichweite: gut 100 Kilometer; Höchstgeschwindigkeit 130 Kilometer pro Stunde; Verbrauch: zehn bis 20 Kilowattstunden pro 100 Kilometer, entspricht maximal zwei Liter Benzin).

Getankt wurde Strom aus erneuerbaren Quellen an 36 Ladesäulen an den SAP-Standorten Walldorf, Bensheim, St. Leon-Rot und Karlsruhe sowie bei der MVV Energie in Mannheim. Das ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung und das Öko-Institut haben gemeinsam herausgefunden, dass 78 Prozent der Teilnehmer mit den Elektroautos „sehr zufrieden oder zufrieden“ waren. Für fast 90 Prozent war es ein besonderer Kick, mit einem Elektroauto vorzufahren. Und rund ein Fünftel der Befragten könnte sich vorstellen, ein solches Dienstfahrzeug in den nächsten drei Jahren anzuschaffen, wie das ISOE hervorhebt. Dort wurde auch der Umweltnutzen errechnet: Mit elektrischen Dienstwagen wäre es möglich, bis 2030 etwa die Hälfte der Kohlendioxid-Emissionen im Vergleich zu einer konventionell betriebenen Flotte einzusparen.

Pilotprojekte in Nürnberg

In der Metropolregion Nürnberg geht es ebenfalls mit elektromobiler Logistik voran: Bereits seit einem Jahrzehnt ver- und entsorgt „Irene“ Kaufhäuser in der Nürnberger Innenstadt. Nun hat ein Team um Prof. Dr. Ralf Bogdanski von der Ohm-Hochschule vor, bei dem neuen Pilotprojekt „Getränkelogistik“ bis zu fünf elektrisch betriebene Nutzfahrzeuge vier Jahre lang für Transporte in die Nürnberger Innenstadt einzusetzen (WiM berichtete). Dafür wurde ein Förderantrag beim Bundesumweltministerium in Berlin eingereicht. Damit soll wie bei dem M&M-Projekt in Berlin bewiesen werden, „dass Elektromobilität auf der letzten Meile zukunftsfähig ist“, wie IHK-Verkehrsreferent Ulrich Schaller erklärt, der das Projekt unterstützt.

Autor/in: 
Heinz Wraneschitz
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2012, Seite 44

 
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