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Gender Marketing

Männer kaufen, Frauen shoppen

Beim Einkauf lassen sich geschlechtsspezifische Besonderheiten erkennen. Wie müssen Produkte gestaltet sein, damit sie für das jeweilige Geschlecht attraktiv sind? Von Patrick Kraft

Motorsägen und Fernseher sind „männlich“, Hautcremes oder Babyprodukte „weiblich“. Frauen wollen vom Verkäufer verstanden werden, Männer sich mit ihm messen. Wenn es um das Verkaufen geht, geht es immer auch um Zielgruppen. Das sogenannte „Gender Marketing“ unterscheidet nach geschlechtsbedingtem Kauf- und Konsumverhalten und will Produkte, Werbung und Vertriebskanäle auf männliche oder weibliche Vorlieben und Eigenschaften ausrichten.

Oft wird dabei biologistisch oder evolutionär argumentiert, wobei der Begriff „Gender“ irreführend ist. Denn im Englischen meint er die soziale Komponente von Geschlecht, also die durch Erziehung und gesellschaftliche Erwartungen geprägten Rollenmuster, nicht das biologische Geschlecht. So umstritten die „Gender“-Debatte um angeborene oder anerzogene Rollenfestlegungen ist: In der Masse lassen sich bei Konsumenten durchaus geschlechtsspezifische Vorlieben und Verhaltenstendenzen feststellen. Diese sollten aber als das verstanden werden, was sie sind: statistische Durchschnittswerte.

Produktausrichtung

Das „Gender Marketing“ reagiert auf diese Unterschiede mit der Entwicklung und Vermarktung geschlechtsspezifischer Produkte. Das kann explizit stattfinden wie bei vielen Kosmetikprodukten „for men“ oder „for women“, die in Funktion und Design auf die Bedürfnisse des jeweiligen Geschlechts abgestimmt sind. Haarfärbemittel für Männer sind zum Beispiel in natürlicheren Farbtönen gehalten und einfacher aufzutragen, um die Scheu vor dem Haarefärben zu nehmen.

Soll ein Produkt beide Geschlechter ansprechen, setzt die Industrie auf implizites „Gender Marketing“: Als typisch „männlich“ oder „weiblich“ empfundene Produkte werden um eine Modellreihe ergänzt, die diese Wahrnehmung aufbrechen soll. Hersteller von Werkzeugen oder Gartenmaschinen entwickeln dann zum Beispiel Geräte mit einer besonders einfachen Handhabung, geringem Gewicht und intuitiver Bedienung. Faktoren, die vor allem Frauen – und auch ungeübte Gelegenheitshandwerker – überzeugen, denn diese legen Wert auf eine gute Bedienbarkeit. Männer hingegen erwarten bei technischen Produkten tendenziell möglichst viele Funktionen und ein Maximum an Leistungsstärke.

Unterschiedliches Kaufverhalten

Das Kaufverhalten von Männern verläuft linearer als das von Frauen. Diese revidieren mitunter ihre ursprünglichen Kriterien oder beziehen weitere mit ein, sodass der Bewertungs- und Entscheidungsprozess von Neuem gestartet wird. Betritt ein Mann ein Geschäft, möchte er in der Regel etwas kaufen. Frauen verfolgen dagegen oftmals keine konkrete Kaufabsicht, weswegen sie stärker über die Gestaltung des „Point of Sale“ zu beeinflussen sind. Je freundlicher, heller und ästhetischer der Laden, desto attraktiver ist er für Frauen, deren Sinne stärker für die Haptik, die Optik und den Geruch eines Produktes empfänglich sind. Online-Shops können damit nicht punkten. Sie versuchen deshalb, diesen eklatanten Nachteil gegenüber den „realen“ Geschäften mit Hilfsmitteln wie 360-Grad-Ansichten, Produktvideos oder einer virtuellen Anprobe auszugleichen. Männer und Frauen nutzen mittlerweile das Internet gleichermaßen und haben vergleichbare Kauferfahrungen im Netz.

Allerdings überwiegt der Anteil weiblicher Käufer gerade bei Online-Shops mit Kleidung oder den sogenannten „Fast Moving Consumer Goods“, also täglichen Bedarfsartikeln. Laut dem amerikanischen Web-Analysten Pingdom sind Frauen auch bei den reichweitenstarken sozialen Plattformen Facebook und Twitter in der Überzahl. Bei den unter 18-Jährigen haben die Mädchen die Jungen mittlerweile sogar deutlich abgehängt, was die Mitgliedschaft in sozialen Netzwerken angeht (Forsa-Studie aus dem Jahr 2011 für Bitkom).

Frauen empfehlen Produkte

Das können sich Unternehmen zunutze machen. Denn Frauen empfehlen Produkte, von denen sie überzeugt sind, ausführlich weiter. Gewinnt man sie bei sogenannten Word-of-Mouth-Kampagnen („Mundpropaganda“) beispielsweise als Produkttester, die ihre Erfahrungen online veröffentlichen können, wächst die Verbundenheit zu einer Marke.

Frauen schätzen den Dialog auf Augenhöhe, auch im Internet. Angebote in Online-Shops sollten deswegen immer genug Möglichkeiten für Kontaktaufnahme und Rückmeldungen enthalten. Im „echten“ Leben dagegen melden sich überwiegend Männer bei Beschwerde- oder Kunden-Hotlines. Frauen bestrafen ein Produkt oder eine Marke, die sie nicht überzeugt hat, mit Nichtbeachtung und Treueentzug. Das wiegt umso schwerer, als Frauen tendenziell marken- und produkttreuer sind als Männer und ihre Erfahrungen – gute wie schlechte – mit einer Vielzahl von Personen teilen.

Das „Gender Marketing“ mag auf stereotypen Geschlechtszuschreibungen aufbauen, aber es kann Hersteller, Produktentwickler, Vertriebsmanager und Werbeleute dafür sensibilisieren, den Markt genau zu analysieren und auch bislang unbeachtete Zielgruppen und Konsumentenbedürfnisse zu berücksichtigen. Um die Einteilung vieler Produkte in „männlich“ und „weiblich“ aufzubrechen, lohnt es sich, die Produktpalette zu erweitern, das Produktdesign und die Werbestrategie zu überdenken und den Ort des Einkaufs neu zu gestalten.

Autor/in: Patrick Kraft, ist Geschäftsführer der Nürnberger Agentur projekt.quartett Gruppe (www.projekt-quartett.de).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2012, Seite 46

 
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