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Konflikte im Geschäftsleben

Wie schlichtet man Streit?

Konflikte zwischen Unternehmen müssen nicht zwingend vor Gericht. Oft bieten sich außergerichtliche Verfahren an. Von Oliver Dittmann

Ein italienischer Kraftwerksbetreiber weist die Turbine des deutschen Lieferanten wegen eines Mangels zurück und behält Zahlungen ein. Der Turbinenbauer will aber nur einen Preisnachlass zugestehen. Am Verhandlungstisch finden die beiden Parteien keine Lösung. In solchen Fällen, wie sie vielfach im Wirtschaftsleben vorkommen, bieten sich mehrere Möglichkeiten an – darunter das klassische Gerichtsverfahren und das Schiedsgericht, aber auch alternative Konfliktlösungsmethoden wie die Mediation und die Schlichtung.

Um die Vor- und Nachteile abzuwägen, sollten insbesondere folgende Aspekte betrachtet werden:

  • Kosten
  • Zeitdauer
  • Sprache, in der die Verfahren geführt werden
  • Eigenverantwortlichkeit / Entscheid durch Dritte
  • Verbindlichkeit / Empfehlungscharakter
  • Durchsetzbarkeit
  • Öffentlichkeit / Vertraulichkeit
  • Fokus auf Anspruchsgrundlagen / auf Interessen

Orientierung der Verfahren an der Vergangenheit / an der Zukunft (z.B. wenn Interesse besteht an der Fortführung einer vertrauensvollen Geschäftsbeziehung)

Die verschiedenen Methoden überschneiden sich teilweise, zum Beispiel kann ein Richter eine einvernehmliche Lösung gegenüber einem Urteil favorisieren. Um es einfach zu halten, wird im Folgenden der Idealtyp des jeweiligen Verfahrens betrachtet.

Öffentliches Gericht

Dauer und Kosten eines öffentlichen Verfahrens hängen stark vom Streitwert und von der Anzahl der Instanzen ab. Bei zwei Instanzen können leicht zwei Jahre ins Land ziehen, in Ländern mit weniger effektiven Rechtssystemen auch deutlich mehr. Die Kosten für ein Verfahren vor einem deutschen Landgericht und Oberlandesgericht betragen bei einem Streitwert von einer Mio. Euro rund 100 500 Euro (inklusive Anwälte, ohne Gutachter). Dazu kommen Opportunitätskosten, zum Beispiel der Verlust eines Kunden und der Reputationsverlust durch die öffentliche Verhandlung.

Zu beachten ist, dass das Verfahren in der Landessprache des zuständigen Gerichtes abgehalten wird, nicht etwa in der Vertragssprache. Die Richter als neutrale Dritte entscheiden vorläufig verbindlich (Instanzenweg) auf Basis von vertraglichen und gesetzlichen Anspruchsgrundlagen – also von Vorgaben, die in der Vergangenheit gesetzt wurden. Keine Rolle spielt bei der Entscheidung, ob die Parteien auch nach der Verhandlung zusammenarbeiten wollen und ob dieses Ziel durch das Urteil in der Praxis unmöglich gemacht wird. Ein rechtskräftiger Titel ist national sehr gut durchsetzbar. International, vor allem außerhalb Europas, ist dies oft nicht der Fall.

Schiedsgericht

Einem Schiedsgericht unterwerfen sich die Parteien freiwillig, meist schon bei Vertragsschluss für eventuelle zukünftige Streitigkeiten. Die Schiedsgerichte entscheiden grundsätzlich nur in einer Instanz. Ihre Schiedssprüche können nur in wenigen, eng begrenzten Fällen angegriffen werden. Als Schiedsrichter wählen die Parteien meist einen oder drei Experten aus, die ihren Preis haben. Weil es nur eine Instanz gibt, ist ein Schiedsgericht insgesamt oft günstiger als ein öffentliches Gericht. Meist werden die Verfahrensordnungen anerkannter Institutionen, zum Beispiel der Internationalen Handelskammer (ICC), vereinbart. Dann kommen auch deren Gebührenordnungen zum Tragen, wobei der Streitwert die wesentliche Größe ist. Die Dauer des Verfahrens hängt von verschiedenen Faktoren ab, auch hier spielt die Schiedsgerichtsbarkeit den Vorteil der einzigen Instanz aus, wobei sich internationale Verfahren durch eine umfassende Beweiserhebung in die Länge ziehen können. Die Schiedsrichter entscheiden in einem vertraulichen Verfahren, das sinnvollerweise in der Vertragssprache durchgeführt wird. Die Basis für die Entscheidung sind die Anspruchsgrundlagen, d.h. das Schiedsgericht lenkt den Blick ebenfalls in die Vergangenheit.

Ein entscheidender Vorteil der Schiedsgerichtsbarkeit liegt in der internationalen Vollstreckbarkeit. Die meisten und wichtigsten Länder der Erde sind einem UN-Übereinkommen beigetreten, das die Vollstreckbarkeit von ausländischen Schiedssprüchen gewährleistet. Daher ist die Schiedsgerichtsbarkeit gerade bei internationalen Geschäften oft Standard.

Mediation

Die Mediation ist ein strukturiertes Verfahren mit dem Ziel einer Einigung, die von allen Parteien als Gewinn angesehen wird. Grundvoraussetzung ist der Einigungswille der Beteiligten, weshalb das Verfahren durchgehend freiwillig ist. Die Parteien werden vom allparteilichen Mediator beim eigenverantwortlichen Lösen ihres Konflikts unterstützt. Das Verfahren, das auch bei innerbetrieblichen Konflikten erfolgreich eingesetzt wird, erweist sich dabei als außerordentlich effizient. So dauern selbst internationale Mediationsfälle mit meist mehr als zwei Parteien nach Erfahrung der ICC im Schnitt nur vier Monate. Zu 80 Prozent wird dabei eine einvernehmliche Lösung gefunden, sodass Geschäftsbeziehungen erhalten werden.

Außerdem kostet das Verfahren in aller Regel weniger als der Rechtsweg. Das gilt schon bei geringen Streitwerten. Je höher der Streitwert, umso größer ist die Ersparnis, denn der Mediator erhält typischerweise ein Honorar auf Stunden- oder Tagesbasis.

Das Verfahren ist vertraulich, die Sprache wird von den Parteien gewählt und wird meist die Vertragssprache sein. Die Parteien entwickeln auf Basis ihrer Interessen kreative Lösungsansätze und schließen eine Vereinbarung nur dann, wenn diese ihre wichtigen Interessen befriedigt. Der Blick ist also in die Zukunft gerichtet. Das Ergebnis kann in einem rechtsverbindlichen Vertrag festgehalten werden. Da dieser auf einer freiwilligen Vereinbarung basiert, ist ein vollstreckbarer Titel nicht nötig.

Schlichtung

Für die Schlichtung gibt es keine allgemein anerkannte Struktur und Ausbildung, im Gegensatz zu den oben beschriebenen Methoden. Der Schlichter versucht, den Konflikt zu durchdringen und den Interessen und Positionen der Parteien in einem Schlichterspruch gerecht zu werden. Dieser Spruch ist eine Empfehlung, den die Parteien annehmen können oder nicht. Oft fungieren als Schlichter anerkannte Persönlichkeiten, die auch ihre Autorität einsetzen, zum Beispiel Heiner Geißler bei „Stuttgart 21“. Bezüglich Kosten, Zeit und Durchsetzbarkeit der Vereinbarung gilt Ähnliches wie bei der Mediation. Ob sich der Schlichter mehr an Anspruchsgrundlagen oder Interessen orientiert, also zukunfts- oder vergangenheitsorientiert arbeitet, wird stark von dessen Hintergrund abhängen.

Welche Methode ist nun für den deutsch-italienischen Ausgangsfall zu empfehlen? Jede Methode hat ihre Vorzüge und die Parteien sollten sich offen beraten lassen. Wenn sie an einer einvernehmlichen Lösung interessiert sind, werden sie mit den konsensbasierten Verfahren Mediation und Schlichtung besser fahren. Wenn aber der eingangs erwähnte italienische Betreiber auf Zeit spielt oder sich auf stur stellt, wird der Turbinenbauer mit einer Klage beim öffentlichen Gericht oder Schiedsgericht Bewegung in die Sache bringen. Zur vorsorglichen Vereinbarung der Konfliktlösungsmethode in Verträgen empfiehlt sich eine abgestufte Klausel, bei der ein öffentliches Gericht bzw. ein Schiedsgericht nur dann angerufen werden kann, wenn vorher eine Mediation oder Schlichtung versucht wurde. Ein Beispiel für eine solche Klausel findet sich unter www.oliver-dittmann.de/musterklausel-konfliktloesung/.

Oliver Dittmann ist selbstständiger Wirtschaftsmediator, Vertrags- und Claim-Manager sowie Seminarleiter für Vertragsrecht, Claim-Management, Verhandlungsführung und Konfliktmanagement mit Schwerpunkt im Maschinen- und Anlagenbau (www.oliver-dittmann.de).

Autor/in: Oliver Dittmann, ist selbstständiger Wirtschaftsmediator, Vertrags- und Claim-Manager sowie Seminarleiter für Vertragsrecht, Claim-Management, Verhandlungsführung und Konfliktmanagement mit Schwerpunkt im Maschinen- und Anlagenbau (www.oliver-dittmann.de).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2014, Seite 18

 
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