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IHK FOSA

Neustart ins Berufsleben

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Die Anerkennung ihres Abschlusses ermöglicht ausländischen Zugezogenen den Einstieg in die Arbeitswelt.

Schon als Teenager war Ufuk Isanc von Kabeln und Schaltungen fasziniert: In der Türkei absolvierte er eine Ausbildung als Elektriker, dann arbeitete er einige Jahre in seinem Traumjob. Dieser geradlinige Berufsweg endete abrupt mit dem Umzug nach Deutschland: Hier schlug sich Isanc als Pizzabäcker, Hilfsarbeiter und Fahrer durch. Deprimierend für den Elektriker aus Leidenschaft: „Wenn Sie Ihr Wissen nicht anwenden können, sind Sie nicht Sie selbst.“

Dieses Gefühl kennt auch Adriane Januta-Hofmann. In Polen hat sie eine Ausbildung als Technik-Schneiderin abgeschlossen und anschließend drei Jahre in dem Beruf gearbeitet. Als sie 2002 nach Deutschland kam, war dieses Know-how wertlos – zumindest aus Sicht der Arbeitgeber, bei denen sie sich vorstellte. Froh war sie schon, wenn sie als Näherin arbeiten durfte: „Ich habe mich gefühlt, als ob ich null im Kopf habe.“ Ähnlich erging es Tobias Voß, der mit seinen Eltern als Baby nach Südafrika ausgewandert war und 2006 nach Franken zurückkehrte, im Gepäck ein Abschlusszeugnis als Kunststofftechniker einer südafrikanischen Berufsfachschule. „Mit diesem Diplom konnte hier aber niemand etwas anfangen“, erinnert sich Voß an den schwierigen Einstieg in die deutsche Berufswelt. Es folgten Helferjobs, die ihn frustrierten: „Es ist nicht schön, wenn man Plastikteile zusammensteckt, obwohl man eigentlich die Maschinen steuern könnte.“

Diese Gemengelage aus Unterforderung, schlechter Bezahlung und unsicheren Beschäftigungsperspektiven haben Ufuk Isanc, Adriane Januta-Hofmann und Tobias Voß hinter sich gelassen: Sie konnten ihre im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikationen in Deutschland auch formal anerkennen lassen. Damit gehören die drei zu den rund 400 Männern und Frauen, die seit April 2012 in Mittelfranken ihre ausländischen Berufsabschlüsse überprüfen ließen. Bislang erhielten 208 Antragsteller einen Bescheid über die volle Gleichwertigkeit mit einem deutschen Berufsabschluss; 80 Personen wurde die teilweise Gleichwertigkeit ihrer Qualifikation bestätigt.

Diese Anerkennungsurkunden überreichte die IHK Nürnberg für Mittelfranken im Rahmen eines Festakts. „Es war ein sehr schönes Gefühl, die Papiere zu unterzeichnen“, erklärte Dirk von Vopelius bei der Veranstaltung. „Ich bin froh, dass die Wirtschaft auf diese Weise einen Beitrag zur Integration leisten kann“, betonte der IHK-Präsident.

Gesetzliche Grundlage

Das juristische Fundament dafür legte das BQFG: Das Kürzel steht für das Berufsqualifizierungsfeststellungsgesetz, das am 1. April 2012 in Kraft getreten ist. Seitdem besteht der Anspruch, im Ausland erworbene Abschlüsse auf die Gleichwertigkeit mit den entsprechenden deutschen Qualifikationen überprüfen zu lassen. Dieses Verfahren kann jede Person beantragen, die über einen ausländischen Berufsabschluss verfügt und beabsichtigt, in Deutschland erwerbstätig zu werden. Staatsangehörigkeit oder Aufenthaltsstatus sind für die Antragsstellung unerheblich.

Zuständig für die Anerkennung der Berufsabschlüsse aus Industrie, Handel und Dienstleistungen ist die IHK FOSA (Foreign Skills Approval). Diese Organisation mit Sitz in Nürnberg wurde im April 2012 gegründet und vergleicht zentral für 77 der 80 deutschen Industrie- und Handelskammern im Ausland erworbene Qualifikationen mit den Kompetenzen, die für den entsprechenden deutschen Abschluss in einem IHK-Beruf erforderlich sind. Stimmen diese überein, erhält der Antragsteller den sogenannten Gleichwertigkeitsbescheid. Das offizielle und rechtssichere Dokument erweist sich häufig als „Türöffner“ auf dem Arbeitsmarkt, so die Erfahrung von Heike Klembt-Kriegel, Geschäftsführerin der IHK FOSA. Dank BQFG ist die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse in Deutschland einheitlicher, effizienter und transparenter geworden. Das macht es Arbeitgebern leichter, die ausländische Berufsqualifikation einzuschätzen. So profitieren alle Beteiligten: Unternehmen haben vor dem Hintergrund des sich in manchen Branchen bereits abzeichnenden Fachkräftemangels größere Chancen, qualifizierte Mitarbeiter zu finden; zugleich verbessert die formale Anerkennung ihrer Kompetenzen die Job-Perspektiven der Bewerber erheblich.

Große Unterschiede der Berufsbildung

Die Überprüfung der Gleichwertigkeit der Berufsabschlüsse ist für die 21 Mitarbeiter der IHK FOSA häufig eine Herausforderung. Denn im globalen Maßstab ist die in Deutschland, Österreich und der Schweiz übliche Berufsausbildung im Dualen System – mit den Lernorten Schule und Betrieb – nämlich die Ausnahme. Professionelle Fertigkeiten werden in den meisten Ländern entweder an Berufsfachschulen bzw. Hochschulen oder als „Training on the job“ vermittelt. Diese unterschiedlichen Paradigmen der Berufsbildung machen den Vergleich mit deutschen Berufsabschlüssen mitunter schwierig. Die meisten Mitarbeiter beherrschen mehrere Sprachen und haben tiefe Einblicke in die Bildungssysteme einzelner Länder. Damit ist das Team der IHK FOSA für diese Aufgabe gut aufgestellt.

Außerdem arbeitet die IHK FOSA eng mit den IHKs vor Ort zusammen. Bei der IHK Nürnberg können sich (potenzielle) Antragsteller aus Mittelfranken an Alexander Friedrich wenden. Der Anerkennungsberater für ausländische Bildungs- und Berufsabschlüsse im IHK-Bereich – so der offizielle Titel – hat regen Zulauf; die Nachfrage nach Beratungsterminen ist groß. Bei diesen beantwortet Friedrich Fragen zu den notwendigen Unterlagen oder klärt, für welchen Referenzberuf die Gleichwertigkeit geprüft werden soll. Friedrichs Klienten kommen bislang aus 85 Ländern, vor allem aus Rumänien, Polen, Russland und der Türkei. Besonders stark vertreten ist die Altersgruppe Ende zwanzig bis Anfang vierzig.

Die Möglichkeit des Anerkennungsverfahrens spricht sich bei Antragstellern und wichtigen Institutionen wie Jobcentern immer mehr herum. Alexander Friedrich hofft, dass dieser Multiplikator-Effekt auch in den Unternehmen greift. Bislang kennt nur ein Drittel der mittelfränkischen IHK-Betriebe das Anerkennungsverfahren, so das Ergebnis einer Umfrage. Dieser Wert soll deutlich gesteigert werden, weshalb sie IHK Nürnberg Geschäftsführer und Personalverantwortliche gezielt über die Vorteile des Anerkennungsverfahrens informieren will.

Positive Resonanz aus der Wirtschaft

Überzeugungsarbeit, die bei Edmund Ebert nicht mehr nötig ist. Der Geschäftsführer der auf Großküchentechnik spezialisierten Edmund Ebert GmbH mit Sitz in Nürnberg ist der Chef von Ufuk Isanc. Der kam mit dem Zertifikat zum Vorstellungsgespräch, das die teilweise Gleichwertigkeit seiner beruflichen Qualifikation mit dem deutschen Referenzberuf des Elektronikers für Geräte und Systeme bestätigt hat. „Diese formale Anerkennung war für unseren Betrieb aus Haftungsgründen entscheidend“, erklärt Edmund Ebert. Hinzu kam die starke Motivation von Ufuk Isanc: „Ich habe gespürt, dass er diese Arbeit unbedingt machen will.“ Dieser Eindruck war richtig. Der Geschäftsführer ist begeistert vom Können und der Einsatzbereitschaft seines Mitarbeiters. Eberts Fazit: „Nachdem ich das Anerkennungsverfahren kenne, kann ich dieses Instrument nur empfehlen. Für Arbeitgeber ist es eine tolle Chance, Fachkräfte zu gewinnen.“

Für Ufuk Isanc, Adriane Januta-Hofmann und Tobias Voss war der Bescheid der IHK FOSA Wegbereiter, um aus einer beruflichen Sackgasse auf die Erfolgsspur zu wechseln: Dank der Anerkennung als Mode-Schneiderin hat Adriane Januta-Hofmann einen „supertollen Job“ in einem Brautmoden-Geschäft gefunden: „Ich bin einfach glücklich.“ Und Tobias Voß macht keine Handlanger-Jobs mehr: Mit der Anerkennung als Verfahrensmechaniker für Kunststoff und Kautschuktechnik arbeitet er heute als stellvertretender Schichtführer in einem Produktionsbetrieb.

Autor/in: 

 (aw.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2015, Seite 46

 
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