Telefon: +49 911 1335-1335

Bayerische Mittelstandsgespräche

Veranstaltung: Jetzt investieren!

Bayerische Mittelstandsgespräche 2016 © Kurt Fuchs/ IHK/ BayBG

Ifo-Chef Prof. Dr. Clemens Fuest bei seinem Vortrag im Nürnberger Presseclub.

Prof. Dr. Clemens Fuest, neuer Chef des Ifo-Instituts, beleuchtete Chancen und Risiken der Niedrigzinspolitik der EZB.

Bei seiner Tagung Anfang Juni in Wien machte der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) deutlich, dass es keine Kurskorrektur in der Geldpolitik geben wird: Der Leitzins verharrt auf dem Rekordtief von null Prozent. Der Strafzins, den Banken zahlen müssen, wenn sie Geld bei der EZB parken, bleibt bei minus 0,4 Prozent. Als Wachstumselixier für die Wirtschaft in der Euro-Zone kauft die EZB monatlich Staatsanleihen und andere Wertpapiere im Wert von rund 80 Mrd. Euro. Deshalb steht die europäische Notenbank heftig in der Kritik, vor allem in Deutschland: Geldflut und Nullzins-Politik enteignen die Sparer, so der Vorwurf. Dieses brisante Thema griffen die 12. Bayerischen Mittelstandsgespräche auf, zu dem die Bayerische Beteiligungsgesellschaft BayBG und die IHK Nürnberg für Mittelfranken eingeladen hatten: Prof. Dr. Clemens Fuest, der neue Chef des Münchner Ifo-Instituts, setzte sich mit der Frage „Krisenbekämpfung der Gegenwart! Krisenursache der Zukunft?“ auseinander.

Bei seiner Einführung blickte Gastgeber Peter Pauli, Geschäftsführer der BayBG, zunächst durch die mikroökonomische Brille: Von Krise könne im deutschen Mittelstand derzeit nicht die Rede sein: „Wir leben eigentlich im Finanzierungsnirwana. Noch nie hatten Unternehmen so leicht Zugang zu Krediten.“ Die auf dem Mittelstand spezialisierte Beteiligungsgesellschaft ist aktuell mit über 315 Mio. Euro bei 500 Unternehmen engagiert, davon 52 aus Mittelfranken. Pauli kennt also die Stimmungslage seiner Klientel: Trotz der Politik des billigen Geldes sei nur eine „mäßige Investitionsneigung“ festzustellen. Das geldpolitische Maßnahmenpaket der EZB greife nicht, während die Risiken und Nebenwirkungen zunehmen. Auf dieses Dilemma wies auch IHK-Präsident Dirk von Vopelius hin: „Es gibt nicht immer die 100-prozentig richtige Entscheidung – auch wenn Polarisierer das behaupten.“

In dieses Lager gehört Clemens Fuest gewiss nicht. Er ist kein rhetorischer Haudrauf, der sich am EZB-Bashing beteiligt. Der Volkswirt widersprach denjenigen, die Mario Draghi und die EZB als Allein-Schuldige für das niedrige Zinsniveau ausgemacht haben: Das habe auch realwirtschaftliche Ursachen, sowohl auf globaler als auch auf europäischer Ebene. Ein niedriger Zins sei auch das Symptom einer schwachen Investitionsneigung, die von mehreren Faktoren begünstigt werde: Viele Staaten versuchen, ihre Budgetdefizite abzubauen; Unternehmen in Krisenstaaten sind teilweise hoch verschuldet und halten sich mit Investitionen zurück.

Sorgen um China

Die Boom-Jahre in den Schwellenländern sind vorerst vorbei, so das Ifo-Institut. Es erwartet eine Stabilisierung des weltwirtschaftlichen Wachstums auf niedrigem Niveau und geht nicht von einer globalen Rezession aus. Sorgenvoll betrachtete Fuest jedoch die Entwicklung in China („Risikofaktor für die Weltkonjunktur“): Dort müsse ein Ausweg aus der „Überinvestitionsorgie“ gefunden werden, deren Auslöser milliardenschwere Konjunkturprogramme waren, die von der Pekinger Staatsführung nach der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 aufgelegt wurden, um das Wirtschaftswachstum hoch zu halten.

Bei seinem Vortrag im Marmorsaal des Nürnberger Presseclubs machte Fuest deutlich, welchen übergeordneten Zielen das geldpolitische Arsenal der europäischen Notenbank dient: Die EZB versucht, sich einer Abwärtsspirale aus sinkenden Preisen und wirtschaftlichem Niedergang entgegenzustemmen. Ziel ist es, die Inflation im Euro-Raum wieder auf zwei Prozent anzuheben. Für 2016 erwarten die EZB-Ökonomen eine Inflationsrate von 0,2 Prozent, für 2017 von 1,3 Prozent. „Man kann der EZB keinen Vorwurf machen, dass sie gegensteuert“, erklärte der Ifo-Chef. Dabei befinden sich die Währungshüter in einem Zielkonflikt zwischen Anregung der Konjunktur und Verlangsamung des Schuldenwachstums. Hinzu kommen die Nebenwirkungen der ultraleichten Geldpolitik und der Nullzins-Politik: Dazu zählte Fuest vor allem die Verunsicherung der Sparer, die Risiken für die Geschäftsmodelle der Banken und Sparkassen sowie die Gefahr einer Immobilienblase.

Sehr kritisch beurteilte der Ifo-Chef das Vorhaben der EZB, Unternehmensanleihen direkt am Primärmarkt zu erwerben. Mit diesem „Corporate Sector Purchase Programme“ könnten Unternehmen ihre Risiken auf die europäische Notenbank verlagern. Faule Kredite würden so „vergemeinschaftet“.

Insgesamt plädierte Fuest für eine differenzierte Beurteilung der EZB-Geldpolitik: Entscheidend sei das Verhältnis von Risiken und Chancen. Dabei gab er zu bedenken, dass es in der Regel zwei Jahre dauert, bis geldpolitische Maßnahmen in der Realwirtschaft Wirkung zeigen. Deshalb sprach er sich auch gegen Aktionismus aus: Die EZB solle zunächst abwarten statt nachzulegen. Anders lautete seine Empfehlung für mittelständische Unternehmen: Diese sollten die Geldschwemme und die damit verbundenen Finanzierungsmöglichkeiten nutzen: „Wenn es sich für Sie lohnt, investieren Sie jetzt.“

Autor/in: 

aw.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 07|2016, Seite 60

 
Device Index

Alle Ansprechpartner/innen auf einen Blick