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Retterspitz

Wohltuende Rezepturen

Die Geschäftsführer Florian Valte und Markus Valet

Das Traditionsunternehmen in Schwaig-Behringersdorf ist mit Heil-, Pflege- und Wohlfühl-Produkten erfolgreich.

Ein Magengeschwür vergällt Hans Scheck das Leben. Der Nürnberger Apotheker hat schon viele Medikamente ausprobiert, ohne Erfolg. Schließlich entdeckt er das „Retterspitz-Wasser“, das 1901 unter der Bezeichnung „Universal-Heilwickel-Bäder von Margarete Retterspitz“ als Warenzeichen angemeldet wird. Die Namensgeberin hatte die Rezeptur von ihrem früh verstorbenen Mann; mit ihrem zweiten Mann Friedrich Retterspitz produzierte sie das Heilwasser in Würzburg, bis sie kurz nach der Jahrhundertwende in die Schweiz auswanderte. Dort leitete die Geschäftsfrau bis zu ihrem Tod 1905 ein Retterspitz-Kurhaus im Kanton Appenzell.

Die Retterspitz-Therapie ist für Hans Scheck eine Art Erweckungserlebnis: Er ist nicht nur von seinen Magenschmerzen kuriert, sondern startet als Unternehmer durch. Scheck erwirbt 1902 die Rechte an der Retterspitz-Rezeptur und macht fortan die Herstellung und den Vertrieb des Heilwassers zu seiner Mission. 1920 kommt mit „Retterspitz Innerlich“ ein zweites Produkt in das Portfolio. So legt er das Fundament für ein Traditionsunternehmen, das sein Sohn Hermann Scheck 1935 übernimmt und weiter ausbaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg zieht der Familienbetrieb nach Behringersdorf und im Jahr 1966 übernimmt Dr. Gerhard Valet, der Enkel des Firmengründers, die Geschäftsführung.

Die Öl-Portraits der Herren Scheck und Valet hängen heute im Besprechungszimmer des Verwaltungsgebäudes. So sind die ersten drei Generationen der Retterspitz-Dynastie stets präsent, wenn Markus und Florian Valet am Konferenztisch diskutieren. Für die Brüder, die seit 2005 Geschäftsführer und Eigentümer der Retterspitz GmbH sind, stand es immer außer Frage, dass sie die Unternehmensnachfolge antreten wollen. Mit ihrem Vater Gerhard Valet waren die beiden schon als Teenager auf Messen und anderen Geschäftsreisen unterwegs. „Wir sind mit Retterspitz-Produkten aufgewachsen“, erklärt Markus Valet. „Auch deshalb identifizieren wir uns ganz stark mit dem Unternehmen.“

Ihre Einstellung zur 116-jährigen Geschichte von Retterspitz beschreiben die Valets gern mit einem Zitat von Gustav Mahler: „Tradition ist Bewahrung des Feuers und nicht Anbetung der Asche.“ Zu diesem Selbstverständnis passte 2012 ein Relaunch der Marke nach der Devise „neue Optik, bewährte Rezepturen“. Die große Herausforderung sei gewesen, neue Zielgruppen anzusprechen, ohne die alten zu verlieren. „Dieser Spagat ist uns gelungen“, meint Markus Valet im Rückblick.

Die Produktpalette von Retterspitz umfasst die Kategorien „Heilen“, „Pflegen“ und „Wohlfühlen“. Wichtige Säulen sind weiterhin die Klassiker „Retterspitz Äußerlich“, das als Wickel oder Auflage angewendet wird, und „Retterspitz Innerlich“, das den Säurehaushalt des Magens reguliert und Linderung bei Sodbrennen, Völlegefühl, Blähungen etc. verspricht. Dazu haben sich Anti-Aging-, Körperpflege- und Wellnessprodukte gesellt. Zum Sortiment gehören außerdem Wickel-Textilien wie Kopfhaube, Hals-, Leib-, Schulterwickel oder „Nasse Strümpfe“, die von Manufakturen in Deutschland exklusiv für Retterspitz gefertigt werden.

Thymol und andere Grundstoffe

Wichtigster Grundstoff vieler Retterspitz-Produkte ist Thymol, ein Bestandteil des ätherischen Thymianöls. „Ein Ausnahmetalent, was das Anwendungsspektrum betrifft“, schwärmt Florian Valet, der bei Retterspitz die Entwicklung leitet. Thymol wirke stark antimikrobiell gegen verschiedene Bakterien, Viren und Pilze. Es fördere die Durchblutung der Haut und besitze antioxidative Eigenschaften. Weitere natürliche Inhaltsstoffe, die Retterspitz verwendet, sind u. a. Rosmarin, Arnika, Eukalyptus, Campher, Menthol, Anis, Pfefferminze, Jojobaöl, Olivenöl, Erdnussöl und Fenchelöl. In die Tiegel, Tuben und Flaschen der Körperpflege- und Kosmetikprodukte kommen jedoch keine Substanzen, die zu Irritationen führen können. Außen vor bleiben deshalb beispielsweise Rohstoffe aus der Erdölproduktion, sensibilisierende Geruchsstoffe, Ethanol, Nanopartikel, überflüssige Konservierungsstoffe und tierische Bestandteile.

Die Retterspitz GmbH, die rund 50 Mitarbeiter beschäftigt, stellt alle Erzeugnisse in Behringersdorf her. Der Anspruch an die Qualitätssicherung sei immens hoch, wie Florian Valet unterstreicht. Retterspitz arbeitet nach den sogenannten GMP-Richtlinien (Good Manufacturing Practice), die bei der Herstellung von Arzneimitteln und Wirkstoffen die Qualitätssicherung der Produktionsabläufe und Produktionsumgebung gewährleisten sollen. Dazu zählen besonders strenge Hygienemaßnahmen sowie Dokumentationspflichten für die Produktion sowie für die Reinigung von Räumen und Anlagen. Die Einhaltung dieser Richtlinien werde jedes Jahr von externen Auditoren überprüft, erklärt der Entwicklungsleiter. Um den hohen Qualitätsanspruch einzulösen, spielen die Rohstoffe eine wesentliche Rolle: „Jeder Rohstoff wird von uns sorgfältig geprüft und erst nach Freigabe durch die Qualitätskontrolle steht er für die Produktion zur Verfügung“, betont Markus Valet. „Wir legen größten Wert auf die Transparenz unserer Lieferketten und auf langfristige Beziehungen zu unseren Lieferanten.“

Langfristigkeit ist auch das Ideal, nach dem das Familienunternehmen die Kundenbindung gestalten möchte: Vom fiebersenkenden Wickel für das Kleinkind über den Umschlag für Sportverletzte bis zu entzündeten Gelenken – Retterspitz-Produkte in der Hausapotheke sollen in allen Lebensphasen helfen. Für das Marketing des Familienunternehmens sind Physiotherapeuten, Hebammen und Heilpraktiker wichtige Zielgruppen, denn über diese Multiplikatoren lernen viele Endverbraucher Retterspitz-Produkte kennen. Der unmittelbare Kontakt zu den Anwendern ist den Geschäftsführern wichtig: „Wir sind sehr an einer ungefilterten Meinung über unsere Produkte interessiert“, betont Markus Valet. „So bekommen wir Hinweise, was wir besser machen können und welche Neuentwicklungen gewünscht werden.“ Deshalb geht Retterspitz auf Tuchfühlung mit Leistungs- und Freizeitsportlern, etwa mit einem Stand bei dem Triathlon-Großereignis „Datev Challenge Roth“.

Als unverzichtbar zur Pflege der Kundenbeziehungen erweisen sich Internet und soziale Medien. Die meisten Mitglieder der Facebook-Community adeln Retterspitz mit der Höchstnote von fünf Sternen und stimmen in den Kommentaren Lobeshymnen an: „Kann ich nur weiterempfehlen“, „Geheimwaffe“, „Jetzt habe ich seit zwei Tagen Wickel dran und die Schmerzen verschwinden deutlich“. Beim Vertrieb setzt Retterspitz auch auf einen eigenen Online-Shop. Dort können alle Artikel des Sortiments bestellt werden, die nicht exklusiv über Apotheken vertrieben werden. Eine Ausweitung des Vertriebs von Körperpflege und Kosmetik auf Drogeriemärkte sei nicht geplant, stellt Markus Valet klar. Der geografische Schwerpunkt solle im deutschsprachigen Raum bleiben, die internationale Expansion sei derzeit kein Thema.

Produktinnovation

Ein hoher Anspruch prägt auch das Thema Innovation. Die Entwicklung eines neuen Produkts von der ersten Idee bis zur Serienfertigung ist ein langer Weg mit vielen Schritten. Am Anfang steht immer eine Rezeptur, die im Kleinstmaßstab im Entwicklungslabor hergestellt und dann getestet wird – meistens an Familienmitgliedern und Freunden. Fällt dieses erste Muster erfolgversprechend aus, durchläuft es bis zur Marktreife eine etwa zweijährige Testphase mit klinischen Verträglichkeitstests, Anwendungsbeobachtungen, Sicherheitsbewertungen und Stabilitätstests. „Wir nehmen uns die nötige Zeit bei der Produktentwicklung und entscheiden selbst, wann das Produkt perfekt ist“, erklärt Entwicklungsleiter Florian Valet.

Ein Beispiel für eine Innovation, die Retterspitz auf den Markt gebracht hat, ist der Muskelroller. Er verspricht schnelle Abhilfe bei Sportblessuren. Nach dem Deoroller-Prinzip wird eine Emulsion direkt auf die verletzte Stelle aufgetragen, was die Bildung von Schwellungen und Blutergüssen hemmt. „Dieses Produkt kommt super an“, freut sich Florian Valet. Sportler wüssten daran zu schätzen, dass sie sich mit dem Muskelroller am Spielfeldrand selbst behandeln können – ohne klebrige Salben-Finger. Und Florian Valet ist glücklich, dass er die richtige Rezeptur gemischt hat: „Die große Herausforderung bei der Entwicklung war es, die optimale Viskosität zu finden. Die Emulsion durfte nicht zu flüssig, musste aber fein genug zum Auftragen sein.“

Autor/in: 

    (aw.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2018, Seite 78

 
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