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Arbeitsrecht

Magere Leistungsbilanz

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Ungenügende Arbeitsergebnisse: Welche Handhabe haben die Arbeitgeber, wenn Mitarbeiter nicht „liefern“?

Was tun, wenn ein Mitarbeiter deutlich hinter den Erwartungen des Arbeitgebers und hinter dem Leistungsdurchschnitt der Kollegen zurückbleibt? Mit dieser Frage sind die Personalverantwortlichen häufig konfrontiert. Die Schwierigkeiten fangen schon mit dem Problem an, woran sich die sogenannte „Low Performance“ genau festmachen lässt. Denn erst wenn dieser Umstand zweifelsfrei feststeht, stehen arbeitsrechtliche Schritte überhaupt zur Diskussion.

Juristisch klingt es recht einfach: Von „Low Performance“ spricht man, wenn die tatsächlich erbrachte Leistung negativ von der geschuldeten Leistung abweicht (sogenannter Soll-Ist-Vergleich) – sei es, was die „Menge“ oder die Qualität der Leistung angeht. Zunächst muss der Arbeitgeber prüfen, welche Leistung die „geschuldete Leistung“ ist. Aber bereits dies bringt nicht unerhebliche Schwierigkeiten mit sich: Die objektiv geschuldete Leistung ergibt sich im Wesentlichen aus dem Arbeitsvertrag und aus den Weisungen des Arbeitgebers. Die subjektiv geschuldete Leistung wiederum leitet sich aus dem Leistungsvermögen des Arbeitnehmers ab. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist ein Arbeitnehmer dazu verpflichtet, seine persönliche Leistungsfähigkeit angemessen auszuschöpfen. Das BAG formuliert es plakativ: „Der Arbeitnehmer muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann.“

Ermittlung von „Low Performance“

Die Rechtsprechung hat eine Faustformel entwickelt, was die quantitative Leistung angeht: Wenn die durchschnittliche Arbeitsmenge (z. B. Zahl bearbeiteter Kundenanfragen, Menge bearbeiteter Werkstücke) langfristig um ein Drittel unterschritten wird, gehen die Gerichte gemeinhin von einer Pflichtverletzung aus. Für die Feststellung, ob die Qualität der Leistung unzureichend ist, sind Quoten dagegen kaum geeignet, hier müssen sämtliche Umstände des Einzelfalles berücksichtigt werden.

Um die „Low Performance“ ermitteln zu können, muss ein Arbeitgeber zunächst die Durchschnittsleistung normieren. Den Maßstab hierfür bilden die „Normalleister“ – also die durchschnittliche Leistung vergleichbarer Kollegen. Diese Bemessung ist keine leichte Aufgabe: Bei einfachen Tätigkeiten (z. B. am Fließband) lässt sich die Durchschnittsleistung in vielen Fällen noch recht einfach ermitteln, aber je komplexer die Tätigkeit ist, desto schwerer wird dies in der Praxis fallen (z. B. Vertriebstätigkeiten in unterschiedlichen Vertriebsgebieten; konzeptionelle Aufgaben). Als Hilfsmittel sind interne Rankings denkbar oder Zielvereinbarungen, wenn die Ziele mit dem Mitarbeiter einvernehmlich festgelegt worden sind und er diese nun erheblich unterschreitet. Wenn die Leistungen des Mitarbeiters im Laufe der Zeit stark nachgelassen haben, kann man sich auf dessen frühere Durchschnittsleistung beziehen. 

Falls es im Betrieb des Arbeitgebers einen Betriebsrat gibt, sind zusätzliche Hürden zu beachten, die sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz ergeben: So muss der Arbeitgeber die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats berücksichtigen, wenn er beispielsweise Informationstechnologie einsetzen will, um die Arbeitsleistung der Mitarbeiter zu überwachen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz). Zudem darf er nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstoßen (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Grundgesetz). 

Rechtliche Folgen schlechter Leistung

Wenn der Arbeitgeber nachweisen kann, dass der Mitarbeiter die Durchschnittsleistung vergleichbarer Kollegen unterschreitet, stellt sich die Frage der rechtlichen Folgen. Wie beschrieben kann vom Mitarbeiter nur verlangt werden, dass er seine persönliche Leistungsfähigkeit (sogenannte subjektive Leistungsfähigkeit) angemessen ausschöpft. Aber für den Arbeitgeber ist die Unterscheidung in der betrieblichen Praxis schwer: Bemüht sich der Mitarbeiter zwar redlich, kann aber einfach keine akzeptablen Ergebnisse erbringen? Oder strengt er sich nicht ausreichend an und schöpft deshalb sein Potenzial nicht angemessen aus? 

Wenn dem Mitarbeiter nachgewiesen werden kann, dass sich die unterdurchschnittliche Leistung mit mangelndem Willen erklären lässt, ist der Weg für eine verhaltensbedingte Kündigung frei. Begründung: Der Mitarbeiter hat seine arbeitsrechtlichen Pflichten verletzt. Ist es dem Mitarbeiter dagegen trotz angemessener Anstrengung nicht möglich, mindestens zwei Drittel der Durchschnittsleistung vergleichbarer Mitarbeiter zu erreichen, ist eine personenbedingte Kündigung denkbar. Begründung: Arbeitsleistung und Vergütung stehen in keinem angemessenen Verhältnis.

Soweit die Theorie: In der Praxis wird der Arbeitgeber meist aber nicht zweifelsfrei ermitteln können, ob die „Low Performance“ verhaltensbedingt oder personenbedingt ist. In diesen Fällen kann er sich dadurch behelfen, dass er parallel eine verhaltensbedingte und eine personenbedingte Kündigung verfolgt.

Um eine verhaltensbedingte Kündigung vorzubereiten, muss die „Low Performance“ des Mitarbeiters zunächst abgemahnt werden – mit dem Hinweis, dass er seine persönliche Leistungsfähigkeit nicht angemessen ausschöpft. In der Abmahnung sollte die Durchschnittsleistung vergleichbarer Mitarbeiter dargestellt werden. Besteht die „Low Performance“ nicht in einer mengenmäßigen Minderleistung, sondern in einer schlechten Arbeitsqualität, gelten diese Grundsätze entsprechend: Der Arbeitgeber muss darlegen, weshalb diese Minderleistung rechtliche Folgen hat.

Beispiele

Mit einer mengenmäßigen Minderleistung hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 11. Dezember 2003 in einer Grundsatzentscheidung auseinandergesetzt (Aktenzeichen: 2 AZR 662/02): Die Mitarbeiter eines Lagers hatten die Aufgabe, mit einem Flurförderfahrzeug Warengebinde aus Regalen herauszunehmen und in Behälter zu verladen. Aufgrund einer Betriebsvereinbarung stand den Mitarbeitern eine Prämie zu, wenn die mit dem Zahlenwert 1,0 festgesetzte Normalleistung überschritten wurde. Die Durchschnittsleistung der Mitarbeiter in diesem Lager lag knapp über diesem Wert. Ein Mitarbeiter hatte in zwei aufeinander folgenden Jahren jedoch nur Werte von 0,52 und 0,62 erreicht. Der Arbeitgeber sprach ihm deshalb eine verhaltensbedingte Kündigung aus, weil er die mengenmäßige Durchschnittsleistung jeweils um mehr als ein Drittel unterschritten habe. Das BAG sah hierin eine erhebliche mengenmäßige Minderleistung, so die Arbeitsrichter.

In einer Entscheidung vom 17. Januar 2008 (Aktenzeichen: 2 AZR 536/06) setzte sich das BAG erstmals genauer mit einer qualitativen Minderleistung auseinander: Die von der verhaltensbedingten Kündigung betroffene Mitarbeiterin war in einem Versandkaufhaus als Lager- und Versandmitarbeiterin beschäftigt. In dem Betrieb gab es eine elektronische Fehlerdokumentation für den sogenannten „Sorter-Versand“, in dem die Warensendungen auf der Grundlage der Kundenbestellungen fertiggestellt wurden. Die Fehlerhäufigkeit der betroffenen Mitarbeiterin lag um ein Mehrfaches über der ihrer Kollegen, die mit vergleichbaren Arbeiten beschäftigt waren. Die durchschnittliche Fehlerquote von etwa 200 vergleichbaren Mitarbeitern belief sich auf einen Wert von etwa 1,3 Promille. Die betroffene Mitarbeiterin verursachte in den Vergleichsjahren Fehlerquoten zwischen rund 4 und 5,5 Promille. Damit sei der Arbeitgeber zurecht von einer qualitativen Minderleistung ausgegangen, so das höchste deutsche Arbeitsgericht. 

Diese Urteile zeigen: Die vom Arbeitgeber bemängelte Leistung muss deutlich vom Durchschnitt abweichen, um vor den Arbeitsgerichten Bestand zu haben. Allerdings müssen stets sämtliche Umstände des Einzelfalles beachtet werden. In vielen Fällen wird der Arbeitgeber nicht ermitteln können, ob die „Low Performance“ eines Mitarbeiters auf ein absichtliches Verhalten zurückzuführen ist oder auf ein Leistungsunvermögen, das der Mitarbeiter trotz aller Anstrengungen nicht überwinden kann. In derartigen Fällen empfiehlt es sich, zunächst eine Abmahnung wegen nicht angemessener Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit auszusprechen. Bessert sich die Leistung nicht, kann eine Kündigung auf verhaltensbedingte und hilfsweise auf personenbedingte Gründe gestützt werden. 

Allerdings muss der Arbeitgeber davor versuchen, ob sich durch bestimmte Maßnahmen eine bessere Leistung erreichen lässt: Er muss untersuchen, auf welche Umstände die schlechte Leistung zurückzuführen ist. Und er muss dem Mitarbeiter Hilfe anbieten, wie er seine Leistung verbessern kann. Er sollte ihm seine Leistungsschwäche mit Vergleichszahlen vor Augen führen und ihn dazu motivieren, sich ernsthaft mit den Ursachen zu beschäftigen. Weil kein Mitarbeiter stolz darauf ist, in seiner Gruppe zu den Schlusslichtern zu gehören, führt dies oft zu einem Umdenken. Wenn sich ein Arbeitgeber entschließt, die Problematik anzugehen, werden oft deutliche Leistungssteigerungen erreicht und es steht keine Kündigung mehr im Raum.

Autor/in: 

Prof. Dr. Rolf Otto Seeling ist Fachanwalt für Arbeits-, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Partner der Kanzlei Thorwart in Nürnberg. Zudem lehrt er Wirtschaftsrecht an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management in Nürnberg (seeling@thorwart.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2019, Seite 12

 
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