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Collischan

Bis auf das Mikrogramm genau

Collischan_Heinz © Collischan

Geschäftsführer Philipp Heinz mit einer der Abfüllmaschinen, die seine Firma herstellt.

Ob Penicillin oder Farbstoff für Coca-Cola: Abfüllwaagen und Zählmaschinen aus Nürnberg sorgen für die richtigen Mengen.

Tee, Kaffee, Kräuter, Kaugummis oder Nahrungsergänzungsmittel – in unterschiedlichen Verpackungen und Mengen stehen sie in den Supermarktregalen. "Es ist erstaunlich, was alles verpackt werden muss", sagt Philipp Heinz. Er ist Geschäftsführer der Firma Collischan GmbH & Co. KG in Nürnberg-Altenfurt. Quasi im Hintergrund trägt sein Unternehmen dazu bei, dass Waren in abgepackter Form, wie sie Verbraucher kennen und kaufen, im Geschäft landen.

"Wir produzieren Abfüll- und Kontrollwaagen, Zählmaschinen sowie Komplettlösungen für Verpackungslinien", erklärt Philipp Heinz. Seine Firma baut Maschinen, die Feinstarbeit erledigen: Trichter, Fließband, irgendwo in der Mechanik versteckt eine Waage, glänzendes Metall, unzählige Schrauben und Hebel – das sind die Grundbestandteile der Maschinen, die im Erdgeschoss des Collischan‘schen Firmengebäudes stehen. In die Trichter der Abfüll- beziehungsweise Kontrollwaagen und Zählmaschinen werden beispielweise Tee, Pulver oder pharmazeutische Stoffe gefüllt. Die Waage- und Zählmechanismen der Maschinen kontrollieren die Füllmengen – und sorgen so dafür, dass die Inhalte exakt der Mengenabgabe entsprechen, die auf dem Etikett von Fläschchen, Schraubgläsern oder Schachteln steht.

Philipp Heinz streicht mit dem Finger über die Innenwände eines elfenbeinfarbenen Trichters. "Die Oberfläche ist glatt, ohne Vertiefungen", sagt er. "Das ist essenziell für Produkte aus der Pharmaindustrie, da dürfen keine Rückstände bleiben. Stellen Sie sich vor, Reste vom blutdrucksenkenden Medikament bleiben im Trichter und danach läuft eines durch, dass den Blutdruck erhöhen soll." Glücklicherweise ein unrealistisches Szenario: "In der Pharmaindustrie gibt es keine Toleranzen und deshalb auch nicht bei den Maschinen, die wir für diesen Bereich herstellen", sagt Firmenchef Heinz. Der 37-Jährige ist das junge Gesicht einer Firma mit Tradition. Vor etwas weniger als hundert Jahren, nämlich 1928, gründete Fritz Collischan die Firma. "Präzi-Blitz", der Name der ersten elektromagnetischen Abfüllmaschine, die Fritz Collischan erfand, zeugt davon, dass es schon das Firmenurgestein äußerst genau nahm mit den Abfüllmengen. In den darauffolgenden Jahren erweiterte das Unternehmen sein Produktportfolio stetig durch die Erfindung und Entwicklung neuer Abfüll- und Kontrollwaagen im Milli- und Mikrogrammbereich. Zu den Meilensteinen gehört die 1940 geschaffene "Mikro", die erste sterilisierbare Abfüllwaage für kleine Gewichte, hauptsächlich für Penicillin. Im Jahr 1966 folgte die Entwicklung der ersten Kontroll- und Abfüllwaagen für die Nahrungsmittel- und Pharmaindustrie mit elektronischer Steuerung und 2009 – bereits unter Inhaberschaft der Familie Heinz – die Erfindung eines neuartigen Zuführsystems bei Hochgeschwindigkeits-Zählautomaten für Kapseln, Tabletten und Dragees.

Mit der Firma aufgewachsen

Philipps Vater Dieter Heinz hat das Unternehmen von der Tochter des Firmengründers gekauft. "Ein Leben ohne die Firma gab es bei uns nicht", sagt Philipp Heinz. Schon in seiner Kindheit war das Unternehmen immer in Gesprächen präsent. Quasi unausweichlich und weil er gewusst habe, dass das ein spannendes Gebiet sei, begann Philipp Heinz während seines Studiums des Wirtschafts- und Ingenieurwesens in der väterlichen Firma mitzuarbeiten. Dazwischen war er ein halbes Jahr in den USA – und dann ging alles schneller als geplant: 2009 stieg er bei Collischan in den Vertrieb ein, sagt der heutige Chef über seine Anfänge in der Firma. Vergangenes Jahr im Sommer starb Dieter Heinz nach kurzer, schwerer Krankheit. Sein Sohn übernahm das Unternehmen. "Es war ein kleinerer Schritt als gedacht", sagt Philipp Heinz. Da er schon seit Jahren Teil der Geschäftsführung war, hatte er kaum Schwierigkeiten, sich in die neue Rolle hineinzufinden. Mehr Probleme bereitete die Pandemie, die Anfang 2020 Fahrt aufnahm, gerade als ihm die Leitung übertragen wurde. "Es war mitten im Frühjahrs-Lockdown, die meisten Mitarbeiter waren im Homeoffice – und ich allein in der Firma." Heinz saß am Schreibtisch, sein Telefon klingelte ganze fünf Mal am Tag. "Das hat mir Angst gemacht", sagt er. "Sonst klingelt das Telefon ununterbrochen."

Der junge Geschäftsführer trägt die Verantwortung für 30 Mitarbeiter bei der Collischan GmbH & Co. KG und fünf weitere Beschäftigte bei der Tochterfirma Dosier- und Wägetechnik Engelhardt Dowitec. In einem "normalen" Geschäftsjahr verkauft das Unternehmen im Schnitt 70 Maschinen zu Preisen, die vom niedrigen fünfstelligen Bereich bis zur Millionengrenze hinauf variieren. Die Maschinen der Firma Collischan werden im Erdgeschoss des blau-weißen Flachbaus an der Grenze zwischen den Nürnberger Stadtteilen Altenfurt und Langwasser geplant, konstruiert, getestet und verkauft. 50 Prozent des Umsatzes generiert Collischan in der Pharmaindustrie: "Acht der zehn Top-Ten-Firmen aus der Branche haben ihre Zähl- und Waagemaschinen bei uns gekauft", so der Geschäftsführer. Des Weiteren stamme der Umsatz zu 30 Prozent aus dem Lebensmittelbereich, zu zehn aus der Automobilindustrie und der Rest von weiteren Unternehmen, die Dinge genau gezählt und gewogen haben möchten.

In der Regel sind die Maschinen, die Collischan verkauft, Maßanfertigungen. "Wir können auf viele Besonderheiten eingehen", erklärt Philipp Heinz. Es fängt relativ simpel an mit Kunden, die zum Bespiel vorgeben, welche Menge an Tabletten oder Gewürzen eine Maschine pro Minute abfüllen soll. Weitere speziell angefertigte Kontrollwaagen wiegen Medikamentenschachteln ab, um zu überprüfen, ob der Beipackzettel in der Box enthalten ist. Mit anderen wird kontrolliert, ob Kugellager eingefettet sind oder ausreichend Sprengstoff im Airbag enthalten ist, um ihn im Falle eines Unfalls aufzublasen. Die Hälfte der Maschinen, die in Altenfurt erdacht und gebaut werden, geht nach Deutschland, 30 Prozent in die Europäische Union und die anderen 20 Prozent in den Rest der Welt. "Eine unserer Maschinen steht sogar im brasilianischen Dschungel bei Manaus", erzählt Philipp Heinz. Sie wiegt dort die Zusammensetzung von Farbstoffen in Coca-Cola-Produkten – auch diese Mischung muss exakt sein. Kein Endverbraucher würde Varianten von braun oder gelb bei Cola oder Fanta tolerieren.

Auf das Milligramm exakt

Die Zähl- und Wiegeschritte, die die Colli-schan‘schen Maschinen vornehmen, sind auf das Milligramm exakt, bis zu sieben Stellen hinter dem Komma. "In diesem Arbeitsbereich Menschen einzusetzen, wäre einerseits nicht wirtschaftlich, andererseits – im Pharmabereich – zu fehleranfällig", ist Heinz überzeugt. Seiner Einschätzung nach nimmt die Automatisierung in seiner Branche den Menschen nicht die Arbeit weg, sondern erleichtert sie. Ein Kaffeeröster und Abnehmer einer Abfüllwaage aus Estland hat kürzlich ein Dankschreiben nach Altenfurt geschickt. Er könne jetzt viel schneller und effizienter arbeiten und wieder Kaffee rösten, statt Kaffee abzupacken.

Menschen, genauer gesagt Industriemechaniker oder Elektroniker, die bei dieser Arbeit mithelfen, sucht Philipp Heinz aktuell. Vom Pandemieschock hat sich Collischan erholt, zwei Monate nach dem ersten Lockdown flossen die Aufträge wieder. "Wir wachsen, suchen Mitarbeiter und bilden auch aus", sagt der Geschäftsführer. Sämtliche Auszubildenden der vergangenen zehn Jahre sind in der Firma geblieben und teilen mit neuen Kolleginnen und Kollegen ihr Wissen über das, was mit Kaffeebohnen und Kräutern passiert, ehe sie im Supermarkt laden.

Autor/in: 

(dr.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2021, Seite 66

 
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