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Westbalkan

Festes Glied in der Lieferkette

Westbalkan © koya79-GettyImages

Attraktiver Beschaffungsmarkt: Die bayerischen IHKs verstärken ihre Informationsangebote über die Länder des westlichen Balkans.

Die Corona-Pandemie, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und weitere Krisen rütteln an den globalen Lieferketten. Zahlreiche Unternehmen wollen deshalb ihre Einkaufsmärkte verbreitern und suchen Alternativen für die Beschaffung in Europa. Eine Option können die Länder des westlichen Balkans sein. Die bayerischen IHKs wollen deshalb ihre Informationen und Dienstleistungen rund um diese Region verstärken und weitere Veranstaltungen, Sprechtage und Delegationsreisen anbieten. Die IHK Nürnberg für Mittelfranken plant im Herbst 2022 eine Veranstaltung mit dem Titel "Lieferketten vor der Haustür – Westbalkan".

Handel weitgehend zollfrei

Innerhalb von nur 24 Stunden sind die sechs Länder Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien auf dem Landweg erreichbar. "In Kombination mit wettbewerbsfähigen Lohnkosten macht das die Region zu einer attraktiven Alternative zu Fernost", so Außenwirtschaftsexperte Christian Hartmann von der IHK Nürnberg für Mittelfranken. Die meisten Waren zwischen der EU und dem Westbalkan können dank Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zollfrei gehandelt werden. Auch der Handel innerhalb der sechs Staaten ist aufgrund des Central European Free Trade Agreements (CEFTA) größtenteils zollfrei. Dies sind Gründe dafür, dass der bilaterale Handel zwischen Deutschland und den sechs Westbalkanstaaten in den letzten Jahren dynamisch gewachsen ist: Zwischen 2015 und 2021 legte er nominal um fast 75 Prozent auf rund 14 Mrd. Euro zu. Die Corona-Pandemie sorgte 2020 nur für eine kurze Zäsur, mittlerweile ist das Vorkrisenniveau bereits deutlich übertroffen.

Zudem investieren immer mehr ausländische Unternehmen direkt in der Region. Alleine in Serbien haben sich die jährlichen Zuflüsse deutscher Direktinvestitionen seit 2014 verzehnfacht. Deutsche Unternehmen investieren vor allem im Automobilzulieferbereich, so sind beispielsweise Continental, ZF, Brose oder Bosch vor Ort. Außer in der Automobilwirtschaft bieten sich Beschaffungsmöglichkeiten in den Branchen Metallverarbeitung, Holz und Möbel, Bekleidung, Landwirtschaft und IT.

Ausländische Kunden beginnen die Geschäftsbeziehungen meist mit Aufträgen in der Lohnfertigung und konzentrieren arbeitsintensive Produktionsschritte auf dem Westbalkan, um von den günstigen Lohnkosten zu profitieren. Im weiteren Verlauf investieren sie dann in die Qualifizierung des Zulieferers oder die Modernisierung des Maschinenparks. Eine der Schlüsselbranchen der Region ist die metallverarbeitende Industrie. Serbien verfügt über die zahlenmäßig stärkste Metallverarbeitung, die von kleinen und mittleren Betrieben geprägt ist. Die Exporte der Branche erreichten 2021 über 2,5 Mrd. Euro. Besonders stark ist Serbien dabei in der Autozulieferindustrie, bei der Herstellung von Werkzeugen und bei Gussprodukten. International erfolgreich ist in den Ländern des Westbalkan auch die holzverarbeitende und Möbelindustrie, die durch den Waldreichtum begünstigt werden. Viele internationale Unternehmen der Bekleidungs-, Schuh- und Lederindustrie nutzen den Westbalkan ebenfalls als Standort für die Lohnfertigung.

Ein Risiko bleibt die komplexe politische Lage in der Region: Dies gilt vor allem für Bosnien-Herzegowina, wo einer der Landesteile, die Republik Srpska, mit Abspaltung droht (siehe auch Interview mit Christian Schmidt, Hoher Repräsentant für Bosnien-Herzegowina, siehe Seiten 26-27). Der Dauerkonflikt zwischen Serbien und Kosovo ist ebenfalls nicht gelöst. Und in Montenegro und Nordmazedonien sind erst zu Jahresbeginn die Regierungen zurückgetreten oder wurden abgewählt. Dennoch ist das Interesse der politischen Akteure an Investitionen, steigenden Exporten und Beihilfen der EU sehr hoch. Selbst kleine und mittlere Unternehmen werden massiv unterstützt.

Autor/in: 

(BIHK/IHK)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 07|2022, Seite 25

 
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