"Achtung Aufnahme!" Historische Industriefotografie
Frühjahr 1910: Sichtlich angestrengt und ohne ein Lächeln blickt der Mann an der Flaschenfüllmaschine direkt in die Kamera. Fotografieren war früher eine ernste Sache. Kein Wunder, denn die Belichtungszeiten waren lang, bis der Fotograf endlich sein Foto im Kasten hatte. Historische Aufnahmen wie diese machen deutlich, wie rasant sich die Arbeitsgesellschaft gewandelt hat. Arbeitsprozesse beschleunigen sich, Menschen werden durch Maschinen ersetzt und ganze Berufe verschwinden. Ein Blick zurück ist daher wichtig, um zu verstehen, welche wirtschaftlichen Bedingungen und Wertvorstellungen das Bild der Arbeit in der Vergangenheit prägten. Kaum ein anderes Medium ist so geeignet wie die Fotografie, um Industrie zu dokumentieren. Selbst eine Errungenschaft der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts, lieferte sie das entsprechende Bild von der Machbarkeit der Welt und vom technisch-wissenschaftlichen Fortschritt. Der Mensch spielte dabei zunächst noch eine untergeordnete Rolle. In der Frühzeit dienten Arbeiter im Wesentlichen zur Belebung der Szenerie und als Größenmaßstab bei Maschinen oder Produkten. Später kamen Gruppenaufnahmen in Mode, bei denen sich die Mitarbeiter abteilungsweise im Fabrikhof oder im Atelier des Fotografen aufstellten. Erst in den 1920er und 1930er Jahren entstanden lebendige Fotos der menschlichen Arbeit. Neue Kameras mit kürzeren Belichtungszeiten und das frisch erwachte Interesse am "arbeitenden Menschen" bewirkten diesen Wandel.
An der halbautomatischen Flaschenfüllanlage bei der Löwenbräu AG, 1910
Schmelzofen-Abstich in der Eisengießerei der Lokomotivfabrik J.A. Maffei, um 1900
Aluminiumguss von Hand bei den Vereinigten Aluminium-Werken AG (VAW) in Töging am Inn, 1925
Montage einer Ljungström-Turbine bei der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG, um 1930
Dr. Eva Moser, Leiterin des Bayerischen Wirtschaftsarchivs
Fotos: Bayerisches Wirtschaftsarchiv BWA