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IHK-Positionspapier

Ohne Energiesicherheit geht nichts

Batterie Energie Speicher © D3Damon - GettyImages

Die mittelfränkische Wirtschaft fordert Notfallmaßnahmen, um Energieversorgung und Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen.

Die Energiepreise steigen auf Rekordniveau, laut einer Befragung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) sehen 53 Prozent der Unternehmen dadurch ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr gegeben. Verschärft wird die Situation durch den drohenden Mangel an Gas. Eine wettbewerbsfähige Industrie sei aber die Voraussetzung dafür, dass Deutschland das bestehende Wohlstandsniveau erhalten und die Ziele des europäischen Green Deals erreichen könne, so die Vollversammlung der IHK Nürnberg für Mittelfranken in ihrem Beschluss vom 28. Juni 2022. Das Positionspapier war von den IHK-Fachausschüssen „Energie | Umwelt“ und „Industrie | Forschung | Technologie“ erarbeitet worden. Insbesondere das Abwandern der Grundstoffindustrie und anderer energieintensiver Industrien würde nicht nur das Klimaproblem verschärfen, sondern auch die Lieferketten zusätzlich schwächen und damit den Wirtschaftsstandort Deutschland dauerhaft schädigen. Die mittelfränkische Wirtschaft fordert daher Notfallmaßnahmen, um die Energieversorgung sowie die Wettbewerbsfähigkeit am Standort sicherzustellen. Im Fokus stehen folgende drei Kernforderungen:

Erdgas als Brückentechnologie sichern: Erdgas wird noch über einen sehr langen Zeitraum benötigt werden, um die Versorgungssicherheit vor allem bei Wärme und Prozessenergie zu gewährleisten, so die IHK-Vollversammlung in dem Beschluss. Die Erdgasimporte aus Russland müssten schrittweise und so schnell wie möglich heruntergefahren werden, aber ein sofortiges Erdgas-Embargo gegen Russland könnte die heimische Grundstoffindustrie und die hierauf aufbauenden Wertschöpfungsketten dauerhaft zerstören. Es drohe ein nicht wieder gut zu machender Schaden für den Industriestandort. Empfohlen werden u. a. folgende Maßnahmen: Die im Energiesicherungsgesetz (EnSiG) vorgesehenen Preisanpassungen der Gasversorger sind auf den Notfall zu beschränken und dürfen, wenn überhaupt, nur stufenweise auf die gasverbrauchenden Unternehmen umgewälzt werden. Die gasverbrauchenden Unternehmen müssen bei außerordentlichen Preisanpassungen in geeigneter Weise unterstützt werden. Auch geschützte Kunden müssen einen Einsparbeitrag in einer Gasnotlage leisten. Solange der Markt noch funktioniert, sollte dieser konsequent genutzt werden, beispielsweise in Form von Abschalt-Auktionen.

Diversifizierung der Energieversorgung vorantreiben: Es müssen unverzüglich zusätzliche Lieferquellen erschlossen werden, um die Abhängigkeit von nur wenigen Gaslieferanten zu verringern. Bis Ende 2022 müssten mindestens zwei schwimmende Flüssiggas-Terminals (Liquified Natural Gas LNG) realisiert und diese an die Fernleitungsnetze angebunden werden. Alle neuen LNG-Anlagen sollten so gebaut werden, dass eine Umrüstung auf klimaneutrale Energieträger wie Wasserstoff oder Biomethan ohne großen Aufwand möglich ist. Die Nutzung von heimischen Erdgasquellen sollte gesteigert werden, um die Importabhängigkeit zu reduzieren. Den Unternehmen sollte die kurzfristige Umrüstung von Gasfeuerungsanlagen auf Öl unbürokratisch ermöglicht werden („Fuel switch“). Laufzeitverlängerungen von bestehenden Kraftwerken zur Stromerzeugung (einschließlich der Kernkraftwerke) sollten vorbehaltslos geprüft und gegebenenfalls umgesetzt werden.

Energiepreise wettbewerbsfähig halten: Die hohen Strompreise sind derzeit ein Ergebnis von politischen Entscheidungen, deshalb fordert die IHK-Vollversammlung, dass der Industriestrompreis in Deutschland nicht substanziell höher liegen darf als in Ländern wie Frankreich, USA oder China. Deshalb seien insbesondere diese Maßnahmen notwendig: Energie- und Stromsteuern senken / Beibehaltung der aktuellen, zeitlich begrenzten Entlastungen bei Energiesteuern auf Kraftstoffe / Bestreitung weiterer Strompreisumlagen aus dem Staatshaushalt / Schutz der Unternehmen vor „Carbon Leakage“ (also Abwanderung von Industrie in Länder mit niedrigeren Umweltstandards) / gegebenenfalls vorübergehende Senkung der Energiesteuern für Gas, Öl und Kohle auf die europäischen Mindestsätze.

Erneuerbare Energien rasant ausbauen und Klimaschutz forcieren: Auch in Krisenzeiten müssen die festgelegten Klimaziele weiterverfolgt werden, unterstreicht die IHK-Vollversammlung. Der verstärkte Einsatz von erneuerbaren Energien liefert darüber hinaus auch einen wichtigen Beitrag zur Importunabhängigkeit. Eine wesentliche Hürde sind die bislang nicht verfügbaren Speicher- und die unzureichenden Netzkapazitäten. Die mittelfränkische Wirtschaft setzt sich für folgende kurz- und mittelfristige Maßnahmen ein: genügend Flächen ausweisen / Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen / übergeordnetes öffentliches Interesse für erneuerbare Energien einschließlich der Wasserkraft einführen / 10H-Regelung in Bayern aufheben / Grünstrom-Direktlieferverträge (sogenannte Power Purchase Agreements PPA) fördern / Klimaschutzverträge (Carbon Contracts for Difference CCfD) für Unternehmen aller Betriebsgrößen einführen / Ausbau der Strom-Verteilnetze / Wasserstoffmarkt und Speichertechnologien hochfahren / Ausbau des „Zentrums Wasserstoff Bayern“ mit Sitz in Nürnberg.

Der Import und Export von erneuerbaren Energien sollte ein wesentlicher Bestandteil des EU-Binnenmarkts sein, so die IHK-Vollversammlung. Hierfür müsse die notwendige Infrastruktur (Wasserstoff-Pipelines, Grenzkuppelstationen für Strom) ausgebaut werden. Die Zahl der Lieferquellen sollte durch internationale Kooperationen ausgeweitet werden.

Das Fazit des IHK-Papiers: Hohe Energiepreise und Importabhängigkeiten sind eine reale Bedrohung für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und können im ungünstigsten Fall bis zur Deindustrialisierung Deutschlands führen. Den Industriestandort zu sichern ist nicht nur wirtschaftlich vernünftig, sondern zugleich die Grundlage für Wohlstand, gesellschaftlichen Zusammenhalt und politische Stabilität. In der aktuellen Situation ist die Rationalität der Märkte zu einem großen Teil ausgehebelt. Die geforderten Notfallmaßnahmen enthalten daher auch verschiedene kurzfristige Markteingriffe, um die Energieversorgung sowie die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts sicherzustellen. „Alle Möglichkeiten sind auszuschöpfen, es darf keine Denkverbote geben“, so eine zentrale Forderung. „Wir brauchen keine weiteren ‚Ausstiege‘, sondern Einstiege in neue zukunftsträchtige robuste Lösungen.“ Die Wirtschaft in Mittelfranken stehe auch in Krisenzeiten zu den Klimazielen und den hiermit verbundenen Chancen für die Region.

Download des IHK-Positionspapiers: www.ihk-nuernberg.de/energiekrise

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 07|2022, Seite 38

 
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