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Mischgebiete

Konflikte in der Nachbarschaft

Wenn Wohnbebauung an bestehende Gewerbebetriebe heranrückt, sind Streitigkeiten vorprogrammiert. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof sorgte jetzt für mehr Klarheit. Von Herbert Kohler

Seit Jahren liegt ein Gewerbebetrieb innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils. Ein Bebauungsplan besteht nicht. Bislang haben die betrieblichen Emissionen, insbesondere Lärm, Staub und Gerüche, niemanden gestört. Nun beabsichtigt ein Bauträger, in der Nachbarschaft des Betriebes Wohnungen zu errichten. Die Erfahrung zeigt, dass dann Konflikte meist nicht ausbleiben. Im Zuge der sogenannten "Nachverdichtung", bei der – gesetzlich gewollt - auch unterschiedliche Nutzungen näher aneinander rücken, wird es künftig noch häufiger zu solchen Situationen kommen.

In einer aktuellen Entscheidung vom 4. August 2009 befasste sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) eingehend mit den Voraussetzungen, wann in einem solchem Fall die Baugenehmigung für die geplante Wohnbebauung rechtswidrig ist. Ob die Wohnungsbebauung planungsrechtlich zulässig ist, wird in einem solchen Fall nach § 34 Baugesetzbuch (BauGB) beurteilt. Bestandteil dieser Vorschrift ist das Gebot der Rücksichtnahme.

Gebot der Rücksichtnahme
Welche Anforderungen sich hieraus ableiten, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Es kommt auf die konkrete Situation der benachbarten Grundstücke an. Grundsätzlich ist jedoch nicht nur derjenige, der Immissionen verursacht, also der Gewerbebetrieb, zur Rücksichtnahme verpflichtet, sondern auch derjenige, der ein Wohngebäude in der Nachbarschaft eines Gewerbetriebes errichtet. Muss der Unternehmer bereits auf eine vorhandene Wohnbebauung Rücksicht nehmen, stellt sich die Frage, ob er auch noch das weitere geplante Wohnbauvorhaben in seiner Nachbarschaft hinnehmen muss. Dies hängt davon ab, ob das neue Wohngebäude eine Zusatzbelastung für den Gewerbebetrieb mit sich bringt. Dies kann beispielsweise dann angenommen werden, wenn das neue Wohngebäude noch näher an den Betrieb heranrückt als die bestehende Wohnbebauung. Von einer zusätzlichen Belastung kann man auch ausgehen, wenn das neue Wohngebäude dem Betriebsgelände aus einer Richtung näher kommt, in der der Gewerbebetrieb bislang noch keine Rücksicht auf eine Wohnnutzung nehmen musste, weil sich dort bislang ebenfalls nur gewerbliche Nutzung oder unbebautes Gelände befand.

Zwischenwerte nach TA Lärm
Um zu bestimmen, wo beim Gewerbelärm die Grenze des Zumutbaren erreicht ist, wendet das Gericht die Technische Anleitung (TA) Lärm an. Diese sieht für die verschiedenen Gebietskategorien unterschiedliche Immissionsrichtwerte vor. Grenzen Wohnbaugrundstücke und gewerblich genutzte Grundstücke aneinander, werden Zwischenwerte gebildet. Denn in einem solchem Fall hat der Schutz des Wohnens infolge der "Situationsbelastung" durch vorhandene Gewerbebetriebe grundsätzlich einen geringeren Stellenwert. Als Zwischenwert hält der BayVGH für das Wohnen Immissionsrichtwerte als hinnehmbar, die an sich für ein Mischgebiet gelten: 60 dB(A) am Tag und 45 dB(A) in der Nacht.

Anspruch auf Aufhebung der Baugenehmigung
Kann der Gewerbebetrieb, von dem der Lärm ausgeht, diese für das Mischgebiet geltenden Immissionsrichtwerte ohne zusätzliche lärmmindernde Maßnahmen nicht einhalten, wird das geplante Wohnbauvorhaben gegenüber dem bestehenden Betrieb als "rücksichtslos" und damit als rechtswidrig betrachtet. Im konkreten Fall, den der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zu entscheiden hatte, wandte sich deshalb der Gewerbebetrieb mit Erfolg gegen die Baugenehmigung für das geplante Wohnbauvorhaben. Er konnte also weitere betriebliche Beschränkungen und damit verbundene Kosten und sonstige Nachteile vermeiden.

Externer Kontakt: Rechtsanwalt Herbert Kohler ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht in der Kanzlei Dr. Waldmann Kohler & Kollegen in Nürnberg (kohler@waldmann-kohler.de).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2009, Seite 40

 
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