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La dolce vita

Kaffee-Krämer 2.0

La Dolce Vita © (C)2014 Thomas Tjiang, all rights reserved

Der Kaffee-Spezialist führt über 100 Espresso-Sorten. Um gegen die Online-Konkurrenz zu bestehen, muss er sich ständig neu erfinden.

Der gelernte Elektriker Armin Burghardt vertreibt seit 14 Jahren in seinem Altdorfer Fachgeschäft „La dolce vita & World of coffee“ neben Kaffeevollautomaten, dem passenden Zubehör und Kaffee auch „Weiße Ware“ wie Waschmaschinen und Trockner. Aufgrund von Firmenaufgaben in seiner Nachbarschaft kamen im Laufe der Jahre auch Küchenutensilien und Geschenkartikel hinzu. Heute führt Burghardt das größte Haushaltsfachgeschäft im Nürnberger Land und sieht sich als „der Nahversorger in Altdorf“. Er bilanziert dies mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Denn sein Aufstieg ist zugleich mit den anhaltenden Fachhandelssterben verbunden – sowohl in den Mittelzentren, als auch in der Nürnberger Innenstadt. So kenne er nur noch ein familiengeführtes Haushaltswarenfachgeschäft in der Altstadt.

Auch sein eigenes Kerngeschäft mit Kaffeevollautomaten hat sich gewandelt – aus seiner Sicht ein typisches Beispiel für den Handelskampf zwischen Online-Händlern und Fachgeschäften vor Ort. Der einstige Sortimentsschwerpunkt mit Jura-Vollautomaten sei kontinuierlich geschrumpft. Wesentlicher Grund sei der Preisverfall bei den Maschinen. Zu Sonderpreisen oder als Sonderposten seien sie im Internet oftmals günstiger, dort allerdings ohne Beratung, Vorführung und Service. Nach einem Online-Fehlgriff würden viele Kunden ratsuchend in Burghardts Geschäft kommen. Dort können sie aus einem Sortiment von rund 120 verschiedenen Maschinen in einer Preisspanne von 89 Euro bis 3 900 Euro wählen, den Unterschied beim Kaffee schmecken, sich vom Bedienkomfort überzeugen und sich mit den verschiedenen Ausstattungen wie zwei Mahlwerken für zwei Bohnensorten oder Internet-Anschluss vertraut machen.

Die größte Auswahl an Automaten führt Burghardt aktuell von der Marke Nivona, einer Ausgründung der AEG. Das Nürnberger Unternehmen gewähre über die gesetzlichen Gewährleistungsrechte eine spezielle Hersteller-Garantie für Geräte, die bei einem von Nivona autorisierten Händler erworben wurden. Ein solch klares Fachhändlerkonzept wünscht sich Burghardt von mehr Herstellern. Doch auch hier liege die Tücke im Detail: So wurde die von Bosch Siemens Hausgeräte (BSH) im letzten Jahr gestartete Rabattspreizung für Online- und Offline-Händler zum Jahresende eingestellt, weil das Bundeskartellamt darin einen reduzierten Wettbewerb im Online-Handel sah.

Espresso für jeden Geschmack

Die schwächeren Margen kompensiert der Fachhändler mit dem Verkauf von Zubehör. Mit über 100 Sorten verfügt Burghardt nach eigenen Angaben über die passende Espressobohne für jede Maschine und für jeden Geschmack. Zusätzlich baut er seit ein paar Wochen mit „Mamma Mia Caffé“ eine eigene Marke auf. Die Bohnen werden eigens für ihn in drei unterschiedlichen Versionen von Hand mit Olivenbaumholz geröstet. Zu seinem Servicepaket gehört auch die Reparaturwerkstatt, die rechtlich unabhängig vom Laden geführt wird.

Trotzdem leidet Burghardt unter dem verbreiteten Vorurteil, dass es in seinem Geschäft teurer sei als in den großen Elektromärkten, die mit aufwändiger Werbung „immer billiger“ suggerierten. Er habe seinen Kunden mehrfach nachgewiesen, dass sein regulärer Preis unter dem beworbenen Sonderangebot einer Elektrokette liege. Nur bei den Sonderposten via Internet könne er kaum mithalten. Außerdem sei die Umgestaltung des Altdorfer Marktplatzes mit einhergehender Komplettsperrung für die Altdorfer Händler auch drei Jahre danach noch ein Wettbewerbsnachteil. Viele Kunden hätten sich in dieser Zeit andere Einkaufsquellen gesucht, die sie nun beibehalten würden. Im Vorfeld der Maßnahmen hatten Wirtschaftsberater die lokalen Händler auf eine 15 monatige Durststrecke mit 30 Prozent weniger Umsatz vorbereitet. Doch die Verlagerung der Einkaufsströme habe sich auch nach den Bauarbeiten nicht nivelliert. Den Empfehlungen, Arbeitszeiten zu reduzieren oder Mitarbeiter abzubauen, ist er nicht gefolgt. Stattdessen wagte er, mit einem Geschäft für Kaffeeautomaten und Zubehör ein zweites Standbein am Mögeldorfer Plärrer in Nürnberg aufzubauen. Doch die vielversprechende Lage mit reichlich Laufkundschaft entpuppte sich als knifflig. Die Nachbarn, ein Brillengeschäft und eine Poststelle, machten bereits kurz nach Burghardts Eröffnung im Jahr 2008 zu. Zusätzlich verhagelte ihm die Finanzmarktkrise den Start.

Zusatzgeschäft Online

Um erfolgreich zu bleiben, begann Burghardt vor zwei Jahren mit dem zusätzlichen Verkauf über den Internet-Riesen Amazon. Aus dem Versuch, Leerlaufzeiten im Laden mit Internet-Bestellungen zu füllen, entwickelte sich ein beachtliches Geschäft. Für das Online-Geschäft wurde eigens eine Mitarbeiterin eingestellt, sodass Burghardt nun vier Vollzeit- und drei Teilzeitkräfte plus einen Azubi beschäftigt. Im vergangenen Jahr kletterte der Umsatz auf 1,2 Mio. Euro. Während der stationäre Umsatz relativ stabil verharrte, machen die Einnahmen per Mausklick rund ein Drittel vom Gesamtgeschäft aus. Selbst Kunden aus benachbarten Orten kaufen lieber online bei ihm ein, weil es bequemer sei und sie dabei Benzin und Zeit sparen könnten – Statements bei denen Burghardt schon fast das Totenglöckchen des klassischen Einzelhandels läuten hört. Trotzdem bleibt er kämpferisch, wenngleich er den Verbraucher in der Pflicht sieht: „Der Kunde entscheidet über die Zukunft des Einzelhandels, auch wenn ihm das nicht immer bewusst ist.“

Autor/in: 

tt.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2014, Seite 78

 
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