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Urteile zur Gewerbemiete

Wer zahlt was?

Gerichte haben mit Urteilen zu Mietabrechnung, Grundsteuer, Nebenkosten und Renovierungen für mehr Klarheit gesorgt. Von Armin Dieter Schmidt

Die großen mietrechtlichen Themen der Jahre 2015/2016 waren die sogenannte Mietpreisbremse und das Bestellerprinzip bei Maklerverträgen. Sie betreffen jedoch nur Wohnimmobilien, nicht aber Gewerbeobjekte. Wichtige Neuerungen gibt es aber auch dort, wie eine Reihe aktueller Urteile zeigt.

Beitrittspflicht zu einer Werbegemeinschaft: Geschäftsleute, die Ladenflächen in einem Einkaufszentrum anmieten wollen, werden häufig vom Betreiber verpflichtet, der jeweiligen Werbegemeinschaft des Zentrums beizutreten. Diese führt mit den gezahlten Beiträgen gemeinsame Marketing- und Werbemaßnahmen durch. Aufgrund der bestehenden Vertragsfreiheit sind solche Verpflichtungen grundsätzlich möglich. Gleich zwei aktuelle Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) beschäftigen sich mit der Mitgliedschaft in einer solchen Werbegemeinschaft.

Ist die Werbegemeinschaft als eingetragener Verein organisiert und sind die monatlich zu zahlenden Beiträge konkret genannt, kann eine Beitrittspflicht auch durch einen standardisierten Formularmietvertrag geschlossen werden. Der Mieter kann in diesem Fall den Beitritt also nicht mit der Begründung verweigern, dass die Vertragsklausel unwirksam sei (Urteil des BGH vom 13. April 2016, Aktenzeichen XII ZR 146/14).

Sollte der Beitritt zu einer Werbegemeinschaft, die in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) betrieben wird, im Einzelfall doch unwirksam sein, gelten die Grundsätze der sogenannten „fehlerhaften Gesellschaft“. Das bedeutet, die Gesellschaft wird zunächst trotzdem so behandelt, als ob sie wirksam zustande gekommen wäre. Auch in diesem Fall muss daher ein Unternehmer die Beiträge bis zu einer wirksamen Kündigung zahlen (Urteil des BGH vom 11. Mai 2016, Aktenzeichen XII ZR 147/14).

Wirksamkeit von Aufrechnungsverboten: Hat ein Mieter Anspruch darauf, Geld von seinem Vermieter zu bekommen (z. B. wegen einer Rückzahlung zu viel bezahlter Nebenkosten), kann er diese Forderungen grundsätzlich mit seinen Mietzahlungen aufrechnen. Da die Eigentümer der Immobilien aber gerne die volle Miete auf ihrem Konto sehen wollen, verwenden sie oft Formularmietverträge, die eine solche Aufrechnung mehr oder weniger pauschal verbieten. Der BGH erklärte hierzu, eine Einschränkung von Aufrechnungsmöglichkeiten kann in Gewerbemietverträgen grundsätzlich wirksam sein. Allerdings stellen Formularmietvertragsklauseln sogenannte Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) dar und sind nur wirksam, wenn sie einer AGB-Kontrolle standhalten. Das bedeutet, dass gemäß § 307 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht eine Vertragspartei unangemessen benachteiligt werden darf. Für unwirksam erklärte der BGH deshalb eine Klausel, die dem Mieter lediglich erlaubte, ausstehende Rückzahlungen mit Forderungen aus dem gleichen Mietverhältnis aufzurechnen. Zumindest mit anerkannten oder rechtskräftig festgestellten Forderungen aus einem anderen Rechtsverhältnis muss ein Mieter grundsätzlich aufrechnen dürfen, meinten die Richter (Urteil des BGH vom 6. April 2016, Aktenzeichen XII ZR 29/15).

Vertraglicher Ausschluss von Mietminderungen: Ein Gewerbetreibender bezahlte keine Miete und begründete dies mit verschiedenen Mängeln der Räumlichkeiten, die allerdings umstritten waren. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg (Urteil vom 23. März 2016, Aktenzeichen 4 U 140/15) verurteilte ihn trotzdem zur vollständigen Mietzahlung, weil beide Parteien eine Mietminderung im Vertrag ausgeschlossen hatten. Die Richter erklärten, der Mieter müsste einen etwaigen Rückforderungsanspruch in einem eigenen Gerichtsverfahren durchsetzen. Anders wäre die Entscheidung möglicherweise ausgefallen, wenn die Mängel an der Mietsache unstrittig gewesen wären. Dann würde sich der Vermieter widersprüchlich verhalten, wenn er auf der vollen Miete besteht, obwohl er unstreitig einen Teil davon gleich wieder zurückzahlen müsste.

Nebenkosten für leer stehende Geschäftsräume: Immobilieneigentümer verwenden in aller Regel standardisierte Mietverträge, in denen u. a. auch die Nebenkosten geregelt sind. Üblicherweise werden die Kosten für Heizung und Wasser nach dem individuellen Verbrauch des Mieters berechnet, andere Posten (z. B. Hausmeister, Straßenreinigung) werden anteilig auf die Mieter umgelegt. Unwirksam ist laut Kammergericht (KG) Berlin dagegen eine Klausel, bei der bestimmte Nebenkosten nach Flächenanteilen berechnet wurden, wobei die angemietete Fläche ins Verhältnis zur tatsächlich vermieteten Fläche des gesamten Objektes gesetzt wurde. Dadurch mussten die Mieter auch die Nebenkostenanteile von Einheiten mit finanzieren, die nicht vermietet waren. Damit wälzte der Vermieter sein finanzielles Risiko auf die Mieter ab, obwohl diese nicht dafür verantwortlich gemacht werden können, ob die weiteren Gewerbeeinheiten vermietet sind oder leer stehen.

Dass diese Klausel unwirksam ist, führt allerdings nicht dazu, dass die Mieter in diesem Fall überhaupt keine Nebenkosten übernehmen müssen. Stattdessen legte das Gericht den Mietvertrag ergänzend so aus, dass an die Stelle der tatsächlich vermieteten Fläche die komplette Nutzfläche des Gewerbemietobjekts tritt. Die Nebenkostenanteile der nicht vermieteten und leer stehenden Einheiten trägt so der Vermieter (Urteil des KG Berlin vom 6. Juni 2016, Aktenzeichen 8 U 40/15).

Abwälzung der Grundsteuer auf die Mieter: In einem Gewerbemietvertrag war vereinbart, dass die Grundsteuer zwar vom Vermieter gezahlt wird, etwaige Erhöhungen aber auf den Mieter umgelegt werden sollten. Die Behörden hatten die Grundsteuer für eine Immobilie zunächst noch bezogen auf ein unbebautes Grundstück berechnet. Später erhöhten sie den Messbetrag entsprechend einem Geschäftsgrundstück, womit sich die Grundsteuer plötzlich mehr als vervierfachte. Den Differenzbetrag verlangte der Eigentümer aufgrund der mietvertraglichen Vereinbarung von seinem Mieter. Der weigerte sich jedoch, zu zahlen, und bekam am Ende auch Recht, denn der BGH hielt die entsprechende Klausel für unwirksam. Für die Richter war nicht klar zu erkennen, ob von der Vertragsklausel nur typische Steuererhöhungen erfasst werden sollten oder auch eine Verteuerung aufgrund der nunmehr anderen Einstufung (Urteil des BGH vom 17. Februar 2016, Aktenzeichen XII ZR 183/13).

Wirksamkeit einer Klausel zur Endrenovierung: Allgemeine Geschäftsbedingungen verpflichten Mieter meist dazu, beim Auszug Schönheitsreparaturen vorzunehmen. Solche Endrenovierungsklausen können allerdings unwirksam sein, beispielsweise wenn sie Malerarbeiten ohne Rücksicht darauf vorschreiben, wann zuvor das letzte Mal gestrichen wurde. Unwirksam ist eine solche Klausel auch dann, wenn der Mieter das Objekt unrenoviert übernommen und dafür keinen angemessenen Ausgleich erhalten hatte.

Diese Grundsätze hat die Rechtsprechung zwar für Mietverhältnisse von Wohnräumen entwickelt, nach einer Entscheidung des Landgerichts (LG) Lüneburg sind sie aber auch auf Gewerbemietobjekte anzuwenden. Die AGB-Kontrolle nach § 307 Abs. 2 BGB, wonach kein Vertragspartner unangemessen benachteiligt werden darf, gilt nämlich sowohl für Wohnungen als auch für Gewerberäume (Urteil des LG Lüneburg vom 4. August 2015, Aktenzeichen 5 O 353/14).

Autor/in: 

Armin Dieter Schmidt ist Rechtsanwalt und Redakteur bei der anwalt.de Services AG in Nürnberg, die das Anwaltsverzeichnis anwalt.de betreibt (redaktion@anwalt.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2016, Seite 88

 
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