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„Lagune 2000“ als größtes Projekt in der Geschichte des Tiergartens

Nach über 30 Jahren erfolgreicher Delfinhaltung, Aufzucht und Arbeit, die es in Deutschland sonst nur noch in den Zoos von Münster und Duisburg gibt, steht ein ambitioniertes Vorhaben im Nürnberger Tiergarten an: Das Projekt Lagune 2000. Zur Unterstützung und Förderung dieses größten Einzelvorhabens in der Geschichte des Tiergartens, das mehr als nur eine Baumaßnahme ist, wurde der Förderverein „Lagune 2000“ gegründet.
Der Verein will das Projekt, das nach Worten von Vereinsvorsitzendem Bernd Sehnert europaweit einzigartig Erlebnis, Bildung, Forschung und Therapie verknüpft, auch nach der für 2006 geplanten Fertigstellung fördernd begleiten. So wolle man auch dem Vereinsziel des Artenschutzes und der artgerechten Haltung wasserlebender Säugetiere gerecht werden. Durch das Vorhaben, dessen Finanzierung idealerweise durch Public-private-Partnership erfolgen soll, wird die erfolgreiche Delfinhaltung in Nürnberg und damit die herausgehobene Stellung des Nürnberger Tiergartens in der deutschen Zoolandschaft eigenen Angaben zufolge nicht nur fortgeführt, sondern entscheidend erweitert.

Delfinarium zwischen
Erlebnis und Forschung
Als 1971 das Delfinarium eröffnet wurde, gehörte diese Anlage zu den modernsten ihrer Art in Europa. Ein wichtiges Ziel, die Aufzucht von Delfinen, ließ sich damals noch nicht verwirklichen. Erst als 1988 eine zweite getrennte Anlage fertiggestellt wurde, gelangen fünf erfolgreiche Aufzuchten. Mittlerweile bevölkern sieben große Tümmler das Delfinarium. Moby, der Vater aller Nürnberger Tiere, ist dabei mit einem Alter von über 40 Jahren eines der ältesten Delfine weltweit, was nach Ansicht von Dr. Lorenzo von Fersen vom Tiergarten für die guten Lebens- und Haltungsbedingungen vor Ort spricht. Sowohl der Bau eines Ruhebeckens 1988 als auch Erweiterungsmaßnahmen 1991 verbesserten die Lebensbedingungen der Tiere weiter. Leider, so von Fersen, habe sich für den Besucher in den letzten 30 Jahren äußerlich fast nichts verändert. Viele Besucher empfänden die gekachelte „Badezimmeratmosphäre“, die in den 70er Jahren aus Hygienegründen geschaffen wurde als kalt, abweisend und wenig artgerecht – auch wenn dem nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten nicht so ist. So könne man etwa im internationalen Vergleich in der Grundlagenforschung gut mithalten - es laufen momentan drei Dissertationsprojekte über Delfine in Nürnberg. Bei der Anlage jedoch gerate man ins Hintertreffen, was gerade deshalb bedenklich sei, da der erste Eindruck der Besucher das Meinungsbild prägt. Bei der Delfin-Forschung liegen die Nürnberger Schwerpunkte auf Intelligenz und Sinnesleistung der Tiere. Auch engagiere man sich in den Bereichen Tier-Reha und Wiederauswilderung sowie in Arten-Rettungsprogrammen in Südamerika.

Das Konzept „Lagune 2000“
Wichtigste Komponente des seit 1998 geplanten Projektes ist der Ausbau des Delfinariums. Dabei handelt es sich um den Bau einer natürlich gestalteten Wasserlandschaft, angrenzend an das 1971 errichtete Gebäude. Zwei Schleusen sollen die Lagune mit dem existierenden Ruhebecken verbinden. Diese Freianlage mit etwa 50 Metern Länge und 24 Metern Breite bei einer Wassertiefe von bis zu sechs Metern wird über drei Mio. Liter Salzwasser beinhalten. Eine der Besonderheiten ist vor allem der angestrebte Freianlagen-Charakter. Natürliche Felsformationen und Ufer-Nachbildungen sowie eine an den marinen Gegebenheiten orientierte Unterwasserlandschaft werden die Anlage prägen.
Zentrum und Besuchermagnet wird ein Raum am Ende der Anlage sein, dessen drei mal 16 Meter große Panorama-Glasfenster außergewöhnliche Einblicke in die Delfin-Welt vermitteln. An Info-Terminals kann Wissenswertes abgerufen werden, Kameras dringen in die Bereiche der Lagune vor, die dem Auge verschlossen bleiben. Außerdem werden drei unterschiedliche Flachwasserareale interessante Interaktionen zwischen Tier und Mensch ermöglichen.
Ein weiterer Aspekt, der den Bau aus Sicht der Verantwortlichen notwendig macht, ist der Platzbedarf der Besucher. Tiergartendirektor Dr. Peter Mühling betonte, dass die jetzigen 900 Sitzplätze bei weitem nicht den Andrang der Besucher befriedigen könnten. „Mit rund 400 000 Besuchern pro Jahr und ganz Süddeutschland als Einzugsgebiet müssen wir stets etwa 40 Prozent der Besucher den Eintritt ins Delfinarium aus Platzgründen verwehren, was zu verständlichen Verärgerungen führt.“ Daher werden beim Lagune-2000-Projekt Tribünen für 2 500 Menschen Abhilfe schaffen. Für die Arbeiten sind zwei Jahre Bauzeit vorgesehen. Die Eröffnung soll 2006 sein.

Hoher Finanzbedarf
erfordert Unterstützung
Die Kosten für das Projekt wurden mit rund sieben bis siebeneinhalb Mio. Euro angegeben, wovon die Stadt Nürnberg nach bisher unbestätigten Informationen bereit sei, ungefähr die Hälfte zu tragen. Den Freistaat sehen die Projektverantwortlichen aber gleichfalls in der Pflicht. Um den geplanten Termin für den Spatenstich im Jahre 2004 einzuhalten, bemüht sich der Förderverein, die Hälfte der Kosten über Fördermitgliedschaften, Patenschaften und Firmensponsoring sicherzustellen. Bisher habe der Verein 50 Mitglieder, so Vorsitzender Sehnert, wobei er besonders bei Unternehmern auf ein positives Echo gestoßen sei, da hier offenbar die Bedeutung eines attraktiven Tiergartens als weicher Standortfaktor erkannt werde.

Delfin-Therapie in Nürnberg
Die Konzeption des Lagune-Projekts ruht auf den fünf Säulen Erlebnis,
Bildung, Forschung, Artenschutz und Therapie. Seit 1998 beschäftigt sich ein Forschungsvorhaben mit der Delfin-Therapie, die bis jetzt nur in Israel und Florida praktiziert wird. Delfine scheinen besonders dafür geeignet zu sein, in die Welt behinderter, vor allem kommunikationsgestörter Kinder, von denen es allein in Deutschland schätzungsweise 200 000 gibt, vorzudringen. Daher führt der Tiergarten in Zusammenarbeit mit der Universität Würzburg ein längerfristiges Forschungsprojekt durch, welches das Ziel hat, wissenschaftliche Methoden auf ihre Tauglichkeit hin zu untersuchen.
Schon jetzt ist nach Aussage des
Leiters des Therapieprojekts, Dr. Erwin Breitenbach von der Universität
Würzburg, klar, dass es zu einer erfolgversprechenden Therapie der drei Komponenten Freizeitatmosphäre, Familienbetreuung und Tierbegegnung bedarf. Bisher habe man positive, dauerhafte Versuchsergebnisse an 25 behinderten Kindern feststellen können, was für den Erfolg dieser Therapieform spricht.
Das Projekt wird unter anderem von der Stadt Nürnberg, dem bayerischen Sozialministerium und der Lebenshilfe Würzburg unterstützt. Bei dauerhafter Etablierung als erstes europäisches Delfin-Therapie-Zentrum soll der Standort Nürnberg auch dazu beitragen, die immensen Kosten für Therapien in Israel oder den USA von oft 20 000 Euro für die betroffenen Familien deutlich zu reduzieren. Oliver Dehn
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2002, Seite 18

 
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