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Neuordnung der Ausbildung kommt voran

Die Zeit läuft: Bis zum Jahr 2002/2003 sollen die Metall- und Elektroberufe nach dem Willen von Wirtschaft und Bundeswirtschaftsministerium neu geregelt sein. Ziel ist mehr Praxisnähe und mehr Flexibilität für die Betriebe. Bleibt zu hoffen, dass eine Einigung mit den Gewerkschaften erreicht wird.
Trotz des Strukturwandels in der Wirtschaft und der Fokussierung auf Informationstechnologie (IT) und Medien bleiben die „klassischen“ Metall- und Elektroberufe Eckpfeiler des Dualen Ausbildungssystems. In den industriellen Metall- und Elektroberufen werden derzeit bundesweit ca. 180 000 Lehrlinge ausgebildet, damit stellen sie fast ein Viertel aller industriellen Auszubildenden. Sie verteilen sich auf fast alle Wirtschaftsbereiche, angefangen von der Metall- und Elektroindustrie, der chemischen Industrie, der Energiewirtschaft, bis hin zur Textil- und zur Bauwirtschaft. Ausgebildet wird in Betrieben unterschiedlichster Größe.
Dass diese Berufe auf so viele Wirtschaftsbereiche passen müssen, macht die längst fällige Neuordnung und
Modernisierung nicht einfacher. Dazu kommen noch die unterschiedlichen
Anforderungen von Großindustrie und Mittelstand. Mehr als 70 Prozent der Ausbildungsverträge sind in Klein- und Mittelbetrieben abgeschlossen – die politischen Weichen stellen jedoch in der Regel die Großunternehmen. Kein Wunder, dass über die Neuordnung der Berufe intensiv diskutiert und gelegentlich auch heftig gestritten wird.
1998 haben sich Wirtschaft und Gewerkschaften darauf verständigt, die zuletzt 1987 überarbeiteten Metall- und Elektroberufe zu modernisieren. Im Focus der Beratungen stehen jetzt die Prüfungen. Sie sollen praxisorientierter und betriebsnäher werden. Zukünftig soll die heutige Zwischenprüfung ohne Entscheidungscharakter durch einen auf die Abschlussprüfung angerechneten ersten Prüfungsteil ersetzt werden. Mit einem Anteil von bis zu 40 Prozent sollen die Grundqualifikationen nach ca. eineinhalb bis zwei Jahren abschließend geprüft werden. Dadurch kann die Vorbereitung für die Abschlussprüfungen erheblich reduziert werden.
Nach den Vorstellungen der Wirtschaft sollen am Ende der Ausbildung dann anstatt Grundqualifikationen Prozessqualifikationen im Vordergrund stehen. Für die praktische Prüfung ist ein Variantenmodell geplant: Der Ausbildungsbetrieb soll zwischen einem betrieblichen Auftrag (Variante 1) und einer betriebsübergreifenden praktischen Aufgabe (Variante 2) wählen können.
Bei der ersten Variante handelt es sich um einen betrieblichen Auftrag, der im Betrieb vorbereitet und dokumentiert wird. Die Dokumentation ist dann Grundlage für ein Fachgespräch, das ausschließlich Bewertungsgrundlage für die praktische Prüfung ist. Teile der Wirtschaft und insbesondere Klein- und Mittelbetriebe haben von Anfang an Bedenken gegen eine solche auf den ersten Blick vorteilhafte Prüfung geltend gemacht. Ihrer Ansicht nach ist die praktische Prüfung nicht mehr aussagekräftig.
Deshalb sollen in der zweiten Variante die von den IHKs bereitgestellten praktischen Prüfungsaufgaben an zentralen Prüfungsorten gestellt werden. Prüfer beobachten und bewerten die Arbeiten der Lehrlinge. Dieses Variantenmodell – das im Übrigen von der großen Mehrheit aller Ausbildungsbetriebe favorisiert wird – ermöglicht eine optimal an die betrieblichen Gegebenheiten angepasste Prüfung, zugleich wird für Prüflinge wie Prüfer das Verfahren verbessert. Wenn Unternehmen die praktische Prüfung in den laufenden Produktionsprozess integrieren wollen, sollen sie das künftig tun dürfen. Für Betriebe, die dies nicht wollen oder können, stehen überbetriebliche praktische Aufgaben bereit, die die Produktion nicht stören. Dies schafft – anders als ein Einheitsmodell – Flexibilität vor allem für den Mittelstand, vermeidet unerwünschte Rückwirkungen auf Ausbildungsangebot und Ausbildungskosten und sichert die Akzeptanz der praktischen Prüfungen.
Auf Wunsch von ZVEI und IG Metall hat die Prüfungsaufgaben- und Lehrmittelentwicklungsstelle (PAL) der IHK Stuttgart Musteraufgaben für die Prüfungen entwickelt. Auch das Bundeswirtschaftsministerium als Verordnungsgeber stand hinter dem Projekt. In den Betrieben, in denen die Aufgaben zur Begutachtung gestreut wurden, stoßen sie durchweg auf hohe Akzeptanz.
Für die Erarbeitung der Musteraufgaben standen von der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite jeweils vier von DGB und vom DIHK benannte Firmenvertreter zur Verfügung. Dennoch fiel die Bewertung der Aufgaben durch die IG Metall nicht positiv aus. Ihrer Ansicht nach sind die vorgelegten Musteraufgaben noch meilenweit von den definierten Zielen entfernt. Allerdings hat die Gewerkschaft noch keine eigenen Vorschläge vorgelegt.
Trotz des negativen Befundes hat die IG Metall die Wiederaufnahme der Verhandlungen zur Neuordnung signalisiert. Die seit über einem Jahr unterbrochenen Termine der Sachverständigen müssen jetzt wieder anlaufen, damit über die Ausbildungsinhalte und Berufsstrukturen entschieden werden kann.
Die Beratungen zu den Berufen an sich stehen noch am Anfang. Sie müssen flexibler, differenzierter und praxisnäher werden. Neue Felder, wie zum Beispiel die Gebäudetechnik, müssen adäquate Berufe finden, um Fachkräfte für den Wettbewerb ausbilden zu können. Auch muss eine Verschmelzung von Metall- und Elektroqualifikationen innerhalb der Berufe – in Abhängigkeit vom jeweiligen betrieblichen Bedarf – möglich sein. Das Bundeswirtschaftsministerium sowie die Organisationen der Wirtschaft streben eine Fertigstellung der Berufe bis zum Jahre 2002/2003 an. Jetzt muss schnell eine Einigung erfolgen. Dies ist auch die Ansicht der IHK Nürnberg für Mittelfranken, die sich intensiv an der Diskussion beteiligt. So hatte der Industrieausschuss in einer Resolution Stellung zu den Reformvorschlägen genommen (WiM 11/2001, Seite 14). Franz Schropp
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2002, Seite 28

 
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