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Das Finanzpaket der rot-grünen Regierung

Am 16. Oktober 2002 haben sich SPD und Grüne in ihren Koalitionsverhandlungen geeinigt, weitere „Sparmaßnahmen“ umzusetzen. Danach wird es im Bereich des Steuerrechts zu erheblichen Neuerungen kommen. In welchen Bereichen die Änderungen ansetzen, kann dem Koalitionsvertrag aber nur vereinzelt entnommen werden. Allerdings hat das Bundesfinanzministerium bereits am 18. Oktober eine detaillierte Aufstellung über die geplanten steuerlichen Maßnahmen veröffentlicht. Der Rechts- und Steuerausschuss der IHK Nürnberg für Mittelfranken hat sich anlässlich seiner Sitzung am 23. Oktober 2002 mit den beabsichtigten Änderungen befasst. Allgemeiner Tenor war, dass das dringend benötigte Aufbruchsignal für Konjunktur und Wachstum fehlt. Statt dessen setze die Regierung vor allem auf Maßnahmen zur Erhöhung der Einnahmen, die auf Widerstand bei den Unternehmen stoßen. Dr. Christian Rödl von der Kanzlei Rödl & Partner hat nachfolgend die wesentlichen Punkte zusammengefasst:

Einkommensteuer
Künftig sollen alle Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften für Wertpapiere und nicht selbst genutzte Grundstücke generell besteuert werden. Gegenwärtig gilt dies nur dann, wenn die Veräußerung innerhalb der Spekulationsfristen erfolgt, das heißt innerhalb von zehn Jahren bei Grundstücken bzw. innerhalb eines Jahres bei Wertpapieren. Von der Steuerpflicht sollen künftig auch solche Grundstücke und Wertpapiere erfasst werden, die derzeit einkommensteuerfrei veräußert werden könnten, weil die Spekulationsfrist bereits abgelaufen ist. In derartigen Fällen empfiehlt es sich deshalb, den zwischenzeitlichen Wertzuwachs noch in 2002 steuerfrei zu realisieren. Soweit ein Fremdverkauf nicht in Frage kommt, bietet sich ein Verkauf innerhalb der Familie oder die Übertragung in ein gewerbliches Unternehmen an.

Die Besteuerung der privaten Veräußerungsgeschäfte und der Kapitalerträge soll durch die Einführung von Kontrollmitteilungen sichergestellt werden. Dadurch wird das Bankgeheimnis faktisch aufgehoben.

Auch bei der Abschreibung von Gebäuden möchte die Bundesregierung Änderungen vornehmen: Die degressive Gebäude-AfA soll abgeschafft, die lineare Gebäude-AfA – unabhängig von Baujahr und Art der Gebäudenutzung – auf zwei Prozent abgesenkt und vereinheitlicht werden. Sollte die Anschaffung einer Immobilie beabsichtigt sein, so empfiehlt es sich daher, den Kauf noch in 2002 durchzuführen. Ausschlaggebend dafür ist der Zeitpunkt des notariellen Kaufvertrags.

Weiterhin sollen Steuerausfälle durch Einführung einer so genannten Mindeststeuer verringert werden. Die Möglichkeit der Verlustverrechnung soll deshalb durch zwei Maßnahmen eingeschränkt werden: Einerseits soll der Verlustabzug auf die Hälfte des Gesamtbetrags der Einkünfte (bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer) bzw. auf die Hälfte des Gewinns aus Gewerbebetrieb (nach Berücksichtigung der Hinzurechnungen und Kürzungen bei der Gewerbesteuer) begrenzt werden. Die Verluste der Vorjahre können dadurch nicht mehr die Gewinne des laufenden Jahres im Extremfall auf einen Gesamtbetrag der Einkünfte von 0 Euro reduzieren. Andererseits soll der Verlustvortrag bei der Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer, der ab dem Veranlagungs- bzw. Erhebungszeitraum 2003 in Anspruch genommen wird, auf sieben Jahre begrenzt werden. Verlustvorträge, die aus den Jahren 1995 oder früher stammen, wären damit unter Umständen bereits in 2003 nicht mehr nutzbar. Bevor Verlustvorträge ungenutzt verloren gehen, sollte geprüft werden, ob die Verluste zur Aufstockung der Buchwerte (sog. Step-up) im Rahmen eines internen Asset deals genutzt werden können. Das heißt, dass Wirtschaftsgüter unter Aufdeckung der stillen Reserven an ein verbundenes Unternehmen veräußert werden. Der daraus resultierende Veräußerungsgewinn kann mit den bestehenden Verlustvorträgen verrechnet werden. Auf der Ebene des Erwerberunternehmens führt dies dazu, dass zusätzliches Abschreibungsvolumen geschaffen wird. Nach der Transaktion könnten die veräußerten Wirtschaftsgüter (im Rahmen einer Betriebsaufspaltung) zurückgemietet werden.

Auch der Übergang von Verlusten soll weiter eingeschränkt werden: Im Erbfall könnten demnach Verluste des Erblassers künftig nicht auf den bzw. die Erben übergehen. Bei Verschmelzungen bzw. Spaltungen soll ein Verlustübergang auf den Rechtsnachfolger grundsätzlich ebenfalls ausgeschlossen werden.

Nach dem Vorhaben der Bundesregierung wird es künftig Nachteile bei der privaten Nutzung eines Dienstwagens geben. Statt bisher ein Prozent sind dann 1,5 Prozent des Listenpreises der Besteuerung zu unterwerfen. Diese Regelung ist bereits im Koalitionsvertrag ausdrücklich vorgesehen.

Darüber hinaus sind folgende Änderungen vorgesehen:
Das Vorratsvermögen darf künftig nicht mehr mit dem Lifo-Verfahren (Annahme, dass die zuletzt angeschafften Vorratsgegenstände zuerst verbraucht werden) bewertet werden.

Geschenke sollen künftig überhaupt nicht mehr als Betriebsausgaben abzugsfähig sein. Die Steuerfreiheit von Sachprämien soll gestrichen werden.

Der Verkauf einbringungsgeborener Anteile (d.h. Anteile an Kapitalgesellschaften, die aus der Einbringung eines Betriebs oder Teilbetriebs stammen), die im Betriebsvermögen einer Kapitalgesellschaft gehalten werden, soll fortan ohne zeitliches Limit der Besteuerung unterliegen. Nach geltendem Recht können einbringungsgeborene Anteile nach Ablauf von sieben Jahren nach der Einbringung grundsätzlich steuerfrei veräußert werden. Die Neuregelung würde dazu führen, dass auch die stillen Reserven der Anteile, die derzeit (noch) steuerfrei realisiert werden könnten, künftig steuerverhaftet wären. Empfehlung: Die stillen Reserven, die augenblicklich noch steuerfrei realisiert werden können, sollten – z.B. durch konzerninterne Veräußerung oder verdeckte Einlage – noch in diesem Jahr steuerentstrickt werden.

Auch das Körperschaftsteuerguthaben bleibt von der Bundesregierung nicht unangetastet. Nach geltendem Recht führen Gewinnausschüttungen, die aus verwendbarem Eigenkapital aus der Zeit des Anrechnungsverfahrens stammen (dieses galt grundsätzlich letztmals im Wirtschaftsjahr 2000 bzw. 2000/2001 bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr), zu einer Minderung der Körperschaftsteuer um ein Sechstel des Ausschüttungsbetrags. Dies gilt unabhängig von der Höhe der Steuerschuld, das heißt, es kann auch Erstattungen geben. Da diese Übergangsregelung mit zu den enormen Ausfällen beim Körperschaftsteueraufkommen geführt hat, sieht die Neuregelung eine Verringerung der Körperschaftsteuerminderung von einem Sechstel auf ein Siebtel vor. Zudem soll die Erstattung des Körperschaftsteuerguthabens auf die Hälfte der festgesetzten Körperschaftsteuer begrenzt werden. Erstattungsfälle soll es dadurch künftig nicht mehr geben. Aus diesem Grund wird geraten, noch in diesem Jahr Ausschüttungen vornehmen, soweit Körperschaftsteuerguthaben aus der Zeit des Anrechnungsverfahrens besteht.

Gewerbesteuer
Die gewerbesteuerliche Organschaft soll aufgehoben werden. Verluste von Tochtergesellschaften können damit nicht mehr für gewerbesteuerliche Zwecke mit Gewinnen der Muttergesellschaft verrechnet werden. Die Tochtergesellschaft kann dadurch ihre Verluste nur noch mit den eigenen Gewerbeerträgen der Folgejahre verrechnen. Nach Ablauf von sieben Jahren verfallen auch hier die Verlustvorträge.

Ende November soll der Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht und dem Bundesrat zugeleitet werden. Eine Verabschiedung im Bundesrat wird in diesem Jahr wohl nicht mehr zu erwarten sein. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass die meisten Neuerungen rückwirkend zum Jahreswechsel (2002/2003) greifen werden.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2002, Seite 26

 
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