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Bayern gegen Abwerbung aus Österreich gut gerüstet

Bayerns Wirtschaftsminister Dr. Otto Wiesheu nimmt in einem Gespräch mit dem IHK-Magazin „Wirtschaft für München und Oberbayern“ Stellung zu den Standortbedingungen in Bayern und Österreich.

Die österreichische Ansiedlungsagentur „Austrian Business Agency“ wirbt bei bayerischen Unternehmen massiv für eine Um-, Ab- oder Ansiedlung in die Alpenrepublik. Vor allem Betriebe in den Grenzregionen sind Ziel dieser Kampagne. Beunruhigt Sie das nicht?
Der Werbekampagne der Austrian Business Agency sollte man nicht eine Bedeutung beimessen, die sie nicht verdient. Bayern sucht in seiner Ansiedlungspolitik den Vergleich zu allen internationalen Wirtschaftsräumen. Als einer der erfolgreichsten High-Tech-Standorte der Welt ist Bayern bestens positioniert. Allein seit 1999 haben sich in Bayern rund 300 ausländische High-Tech-Unternehmen angesiedelt. Bayern betreibt ein weltweites Standortmarketing. Eine Ansiedlungspolitik, die sich ausschließlich auf die unmittelbaren Nachbarländer beschränkt, greift viel zu kurz. Denn die Musik des globalen Wettbewerbs spielt zwischen den großen High-Tech-Regionen der Welt, in Amerika, Asien und Europa. In unserer weltweiten Werbung um Investoren setzen wir auf die Stärken des Standortes Bayern, die wir mit fundierten Informationen vermitteln.

Die Werbekampagne Österreichs dagegen bietet das Land – mit Übertreibungen und Halbwahrheiten – als verlängerte Werkbank an. Das geht angesichts der Entwicklungen in anderen osteuropäischen Ländern daneben. Die Austrian Business Agency versucht damit, auf die psychologische Karte zu setzen, harte Fakten spielen kaum eine Rolle.

Tatsache ist, dass bei uns viele Betriebe über hohe Kosten klagen. Ist die Abgabenlast in Deutschland nicht tatsächlich zu hoch?
Zweifelsohne. Allerdings sagt der Standortvergleich Deutschland-Österreich, dass die Abgabenquote in Österreich mit einem Wert von 45,6 Prozent weit über dem deutschen Wert von 41,2 Prozent und dem EU-Durchschnitt von 41,1 Prozent liegt. Nicht ohne Grund klagen österreichische Unternehmen über hohe Steuern in ihrem Land. Der Anteil der Sozialbeiträge der Arbeitgeber an den Arbeitskosten liegt in Österreich mit 23,7 Prozent noch über dem hohen deutschen Satz von 22,6 Prozent. Der Spitzensteuersatz der Einkommensteuer beträgt in Deutschland im Jahr 2003 48,5 Prozent gegenüber 50 Prozent in Österreich. Spätestens ab 2005 wird der Spitzensteuersatz in Deutschland auf 42 Prozent sinken. Der Eingangssteuersatz wird spätestens ab 2005 bei 15 Prozent liegen, in Österreich liegt er bei 21 Prozent. Der Grundfreibetrag beträgt in Österreich 3 640 Euro, in Deutschland ab 2005 dagegen 7 664 Euro. Der bloße Vergleich der durchschnittlichen Steuerbelastung von Kapitalgesellschaften ergibt zwar für Österreich einen etwas niedrigeren Satz, aber im Einzelfall ist nach Berücksichtigung von Abschreibungsmodalitäten und Ähnliches auch hier Bayern der attraktivere Standort.

Österreich wirbt mit einer wirtschaftsfreundlichen Einstellung und Flexibilität. Können in einem kleinen Land, wo die einzelnen Verwaltungsebenen näher zusammenliegen, Vorhaben nicht tatsächlich schneller umgesetzt werden?
In puncto Genehmigungsverfahren ist Bayern schon heute besser als dies die Österreich-Werbung den hiesigen Unternehmen weiß machen möchte. Beispielhaft dafür ist die Ansiedlung des Unternehmens Balzers Verschleißschutz GmbH in Thyrnau. In einem unbürokratischen Verfahren konnte das gesamte Vorhaben von ersten Gesprächen bis zur Genehmigung für den vorzeitigen Maßnahmenbeginn innerhalb von drei Wochen abgewickelt werden. Und das ist kein Einzelfall. Wir arbeiten weiter mit allem Nachdruck daran, die Rahmenbedingungen für Unternehmen zu verbessern: Der weitere Abbau bürokratischer Hindernisse auf Grundlage der Vorschläge der Henzler-Kommission hat für die Bayerische Staatsregierung höchste Priorität. Dass Österreich in Sachen Bürokratieabbau nicht gerade ein Musterschüler ist, zeigt schon der Arbeitsmarkt, der einen noch höheren Regulierungsgrad aufweist als der deutsche. Es kommt nicht von ungefähr, dass flexible Beschäftigungsformen wie Zeitarbeit und befristete Beschäftigung in Österreich nur einen geringen Anteil an der Gesamtbeschäftigung haben.

Österreich sieht sich als kulturelle, politische und wirtschaftliche Drehscheibe zwischen Ost und West. Macht dies nicht gerade nach der EU-Osterweiterung den Standort Österreich besonders attraktiv?
Bei den Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen liegt Bayern vorne. Bayern und hier insbesondere Ostbayern verfügt über historisch gewachsene, sehr intensive Beziehungen nach Mittel- und Osteuropa. Der bayerische Außenhandel mit den dortigen Ländern liegt sowohl vom Volumen als auch vom Anteil her über dem österreichischen Wert. Ostbayern hat aber noch mehr zu bieten als gute Geschäftsbeziehungen: Eine ausgesprochene Fachkompetenz für internationale Wirtschaftsbeziehungen mit Mittel- und Osteuropa. Die Universitäten Passau und Regensburg mit ihren international ausgerichteten Studiengängen und Forschungseinrichtungen sind hierfür ebenso ein überzeugendes Beispiel wie die Beratungsdienstleistungen, die in der Region angeboten werden.

Gibt es weitere Bereiche, wo Bayern eindeutig besser ist?
Ein erst kürzlich veröffentlichtes Gutachten für die oberösterreichische Industriellenvereinigung kommt zu dem Ergebnis, dass Österreich in den vergangenen fünf Jahren an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt hat. Bayern konnte dagegen seine Spitzenposition unter den weltweit führenden High-Tech-Standorten ausbauen. Im internationalen Vergleich liegt Bayern gegenüber Österreich weit vorn. Dies kommt auch in einer umfassenden Standortuntersuchung des Forschungsinstituts Empirica-Delasasse zum Ausdruck, in der z.B. Oberbayern unter 214 europäischen Regionen auf Platz 3 und Mittelfranken auf Platz 28 rangieren, weit vor den besten österreichischen Regionen Vorarlberg (Rang 49) und Oberösterreich (Rang 77).

Bayern bietet seinen Unternehmen gegenüber Österreich weitaus bessere Wettbewerbsbedingungen, weil der Freistaat mit elf Universitäten, 17 Fachhochschulen, drei Großforschungseinrichtungen, elf Max-Planck-Instituten und sieben Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft einer der bedeutendsten Forschungs- und Technologiestandorte der Welt ist. Hiervon profitieren insbesondere auch mittelständische Betriebe. Und die Ergebnisse können sich sehen lassen: Die Forschungs- und Entwicklungs-Quote liegt in Bayern bei 2,9 Prozent, während sie in Österreich gerade einmal 1,96 Prozent beträgt. In Bayern kommen auf 100 000 Einwohner 459 Patentanmeldungen, in Österreich lediglich 150. Im Gegensatz zu Bayern ist Österreich ein Technologieimporteur.

Die Fragen stellte Dr. Bernhard Adam.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2003, Seite 20

 
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