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Horrorszenarien nicht eingetroffen

von Dr. Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK)

von Dr. Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK)

Ungeachtet aller Anstrengungen und Erfolge der Wirtschaft haben die Ideologen in Parteien, Fraktionen und Gewerkschaften nun die Ausbildungsplatzabgabe durchgedrückt. Dabei ist die Ausbildungssituation im Spätherbst 2003 besser als noch im Sommer erwartet. Das Horrorszenario einer Lehrstellenlücke von 170 000 ist in sich zusammen gebrochen. Die IHK-Organisation hat für Ende Oktober eine Lücke von rund 15 000 registriert, nachdem es Ende September noch rund 20 000 waren. Für die Eintragungszahlen wird ein leichtes Plus verzeichnet. Diese Entwicklung belegt die Erfolge der Nachvermittlungsaktionen von Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern und Arbeitsämtern.

Mit diesen Aktionen will die IHK-Organisation den bis zuletzt unvermittelten Bewerbern zu einer Ausbildung verhelfen. Entsprechende Aktivitäten laufen derzeit flächendeckend. Die Resonanz der Jugendlichen auf die Nachvermittlungsbörsen ist indes insgesamt enttäuschend. Obwohl alle Unvermittelten schriftlich eingeladen werden, erscheint ein großer Teil erst gar nicht.

Scheinbewerber in der Statistik
Vor dem Hintergrund der großen Anstrengungen der Wirtschaft halte ich die hohe Zahl der Desinteressierten für einen Skandal. Leider bleiben diese Bewerber, die keine sind, in der deshalb irreführenden Statistik der Arbeitsämter. Das kann nicht verwundern. Denn der Nachweis, als Bewerber für einen Ausbildungsplatz gemeldet zu sein, ist sogar eine lukrative Sache. Wer Bewerber ist, für den wird Kindergeld gezahlt. Dennoch werden uns solche Scheinbewerber wider besseres Wissen als Beweis für das angebliche Versagen der Wirtschaft vorgehalten. Ein solcher unredlicher Umgang mit der Statistik erschwert nicht nur die politische Diskussion. Er verunsichert jedes Jahr auch Hunderttausende Jugendliche, denen wir doch gerade mit der dualen Ausbildung eine tragfähige Perspektive geben wollen.

Viele Bewerber nicht ausbildungsfähig
Die große Mehrzahl der Jugendlichen, die zu den Nachvermittlungsbörsen erscheinen, erhält ein Angebot für einen Ausbildungsplatz. In vielen Fällen sind es 100 Prozent, der Durchschnitt liegt bei 70 Prozent. Wenn die Nachvermittlungsaktivitäten trotz aller Bemühungen nicht in allen Fällen erfolgreich sind, liegt das vor allem an der mangelnden oder fehlenden Ausbildungsfähigkeit dieser Schulabgänger: Viele der ausbildungswilligen Bewerber erfüllen nicht die Anforderungen der Arbeitswelt hinsichtlich ihrer schulischen Leistungen sowie ihrer sozialen Kompetenzen. Nachdem die Hauptschule in vielen Bundesländern „wegreformiert“ wurde, werden jetzt schwache Realschüler zu Wackelkandidaten. Sie kommen bei Betrieben schlecht unter, sind aber für staatlich finanzierte Ersatzprogramme formal überqualifiziert.

Der Schwerpunkt der Nachvermittlungsaktionen lag im Oktober. Aber damit ist das IHK-Engagement längst noch nicht abgeschlossen. In vielen Regionen werden Nachvermittlungsbörsen wiederholt, um Bewerbern erneut eine Chance zu bieten. Bis zum Jahresende ist eine Vermittlung in das schon begonnene Ausbildungsjahr noch realistisch. Bis dahin laufen deshalb die Aktionen weiter. Es zeichnet sich ab, dass es auch zum 31. Dezember noch Bewerber in den Statistiken der Arbeitsämter gibt. Das war bisher immer so und wird auch so bleiben, solange wir die Freiheit der Berufswahl ernst nehmen. Wir hoffen, dass die Zahl am Jahresende in etwa der des Vorjahres entspricht (2002: 12 359). Nach drei Jahren Stagnation mit zuletzt 40 000 Insolvenzen pro Jahr wäre das ein großer Erfolg.

Einstiegsqualifizierung
Ausbildungswillige, aber nur bedingt ausbildungsfähige Jugendliche brauchen unsere weitere Unterstützung. Hätten wir schon mehr zweijährige Berufe, wäre das Problem nicht so groß. Hier sind wir zum Beispiel mit dem Maschinenführer und dem Fahrradmonteur bislang leider nur erste Schritte gegangen. Zusätzlich wird die IHK-Organisation eine neue praxisnahe Einstiegsqualifizierung anbieten. Die Inhalte der Einstiegsqualifizierung sind eng an staatlich anerkannte Ausbildungsberufe geknüpft. Durch ein IHK-Zertifikat über die erfolgreich absolvierte Einstiegsqualifizierung können die erworbenen Qualifikationen besser verwertet werden. Die IHKs haben bereits zehn Konzepte für solche IHK-Einstiegsqualifizierungen erarbeitet.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2003, Seite 14

 
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