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Alles unter Kontrolle

Die Funketiketten eröffnen vielfältige Möglichkeiten für das Datenmanagement in Industrie, Handel, Verkehr, Medizin und anderen Feldern.

Verrückte und Spinner gibt es immer, wenn neue Technologien auf den Markt kommen. Das ist bei RFID (Radio Frequency Identification, auf deutsch Funk-Erkennung) nicht anders: Steffen Fröschle hat sich einen RFID-Chip in seine Hand einpflanzen lassen, um damit seine Haustür zu öffnen. Nach eigener Aussage ist er damit der erste Deutsche, der durch Handauflegen bequem in seine Wohnung gelangt. Seinen Schlüssel kann Fröschle nicht mehr verlegen oder vergessen, zurzeit wartet er auf Nachahmer, um seine Erfahrungen austauschen zu können.

Aber die Profis haben sich bei der Entwicklung von RFID etwas anderes gedacht. Nach einer Definition des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sind RFID-Systeme „Verfahren zur automatischen Identifizierung von Objekten über Funk. Der Einsatz von RFID-Systemen eignet sich grundsätzlich überall dort, wo automatisch gekennzeichnet, erkannt, registriert, gelagert, überwacht oder transportiert werden muss“.

Schon vor rund 40 Jahren wurden erste, primitive Vorläufer der RFID-Technik auf den Markt gebracht, es waren elektronische Warensicherungssysteme (EAS), um Diebstähle zu unterbinden. In den Jahren danach konzentrierte sich die Forschung auf Verfahren, um Tiere zu kennzeichnen oder um Fahrzeuge im Verkehr automatisch zu identifizieren. Auch in der Automatisierung gab es frühe Anwendungen. Wenige Jahre später entschlossen sich mehrere amerikanische Bundessstaaten sowie Norwegen, RFID-Systeme im Straßenverkehr für Mautsysteme einzusetzen. Es folgten Systeme für Zugangskontrollen, bargeldloses Zahlen, Skipässe, Tankkarten und elektronische Wegfahrsperren.

RFID-Systeme werden also in vielfältigen Varianten angeboten. Trotz der großen Bandbreite der Lösungen ist jedes RFID-System durch drei Eigenschaften definiert:
  • Elektronische Identifikation: Das System ermöglicht eine eindeutige Kennzeichnung von Objekten durch elektronisch gespeicherte Daten.
  • Kontaktlose Datenübertragung: Die Daten können zur Identifikation des Objekts drahtlos über einen Funkfrequenzkanal ausgelesen werden.
  • Senden auf Abruf (on call): Ein gekennzeichnetes Objekt sendet seine Daten nur dann, wenn ein dafür vorgesehenes Lesegerät diesen Vorgang abruft.

    Ein RFID-System besteht technologisch betrachtet aus zwei Komponenten, einem Transponder und einem Lesegerät:

    Der Transponder – auch als „Tag“ bezeichnet – fungiert als eigentlicher Datenträger. Er wird an einem Objekt angebracht (beispielsweise an einer Ware oder einer Verpackung) bzw. in ein Objekt integriert (z. B. in eine Chipkarte) und kann kontaktlos über Funktechnologie ausgelesen und je nach Technologie auch wieder beschrieben werden. Grundsätzlich setzt sich der Transponder aus einer integrierten Schaltung und einem Radiofrequenzmodul zusammen. Auf dem Transponder sind eine Identifikationsnummer und weitere Daten über den Transponder selbst bzw. das Objekt, mit dem dieser verbunden ist, gespeichert.

    Das Erfassungs- oder Lesegerät besteht je nach eingesetzter Technologie aus einer Lese- bzw. einer Schreib-/Leseeinheit sowie aus einer Antenne. Das Lesegerät liest Daten vom Transponder und weist gegebenenfalls den Transponder an, weitere Daten zu speichern. Weiterhin kontrolliert das Lesegerät die Qualität der Datenübermittlung. Die Lesegeräte sind typischerweise mit einer zusätzlichen Schnittstelle ausgestattet, um die empfangenen Daten an ein anderes System (z.B. PC) weiterzuleiten und dort weiter zu verarbeiten.

    Auch die Art der Energieversorgung des Transponders und die daraus resultierende Unterscheidung in aktive Transponder mit eigener Energiequelle bzw. passive Transponder, die durch das Lesegerät mit Energie versorgt werden, ist von grundlegender Bedeutung. Auf Grund dieser Merkmale können Gruppen von RFID-Systemen gebildet und bezüglich der Leistungsfähigkeit ihrer jeweiligen Komponenten in Low-End-Systeme, Systeme mittlerer Leistungsfähigkeit und High-End-Systeme unterschieden werden.

    Die Bauformen von Transpondern reichen vom Glas-Injektat über die elektrische Ohrenmarke bis zu Scheckkartenformaten, verschiedenen Scheibenbauformen sowie schlagfesten und bis zu 200 Grad Celsius hitzebeständigen Datenträgern für die Lackierstraßen der Automobilindustrie. Die flexible Auslegbarkeit der Identifikationspunkte, Baugröße, Form und Feldcharakteristik der Antenne machen RFID-Systeme insgesamt zu einer sehr vielseitigen automatischen Identifikationstechnologie.

    Wenn sich RFID-Systeme für alle Orte eignen, an denen automatisch gekennzeichnet, erkannt, registriert, gelagert, überwacht oder transportiert werden muss, können sie in zahlreichen unterschiedlichen Aufgabenbereichen zur Anwendung kommen, z.B. bei der Identifizierung von Lebewesen aller Art oder beweglichen Dingen wie Fahrzeugen. Implementierungen dieser äußerst universellen Technik finden sich daher in der Produktion, im Handel, in der Logistik, aber auch in der Medizin. Besonders interessiert an der Weiterentwicklung der RFID-Technik sind insbesondere „Protagonisten des Einzelhandels wie Metro, Wal-Mart oder Tesco“, so Michaela Wölk vom Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT).

    Möglicher Ersatz für EAN-Strichcodes
    Denkbar ist der Ersatz der bisherigen EAN-Strichcodes durch RFID-Transponder auf allen Waren, die bisher erst an der Kasse eingescannt werden müssen. Technische Probleme z.B. bei mehreren Waren auf einer Palette oder in einem Einkaufswagen (unzuverlässiges „bulk scanning“) sind weitgehend gelöst, auch Kosten- und Umweltfragen spielen eine immer geringere Rolle. RFID-Transponder stellen keinen Elektronikschrott mehr dar, wenn sie aus anderen Materialien, z.B. auf Polymerbasis, hergestellt werden. Außerdem wird dieser Technik durch eine dauerhafte individuelle Markierung ein großes Potenzial im Kampf gegen Plagiate zugeschrieben.

    Das typische Einsatzgebiet der RFID-Technologie gibt es nicht. Denn sie ist bei weitem mehr als der Nachfolger der Strichcode-Etiketten. Die wesentlich genauere Datenspur von Waren- oder sonstigen Strömen verlangt aber auch eine genaue Überprüfung der eigenen Prozesse, innerhalb derer diese Daten eingebracht werden sollen. So kann bereits das schiere Datenvolumen eine Herausforderung zur Einfügung von RFID in die bisherigen Prozessketten sein - und je nach Anwendung bei der Verwendung personenbezogener Daten auch Gegenstand datenschutzrechtlicher Bedenken sein. Nur eine von vielen Fragen wird sein: Wer ist legitimiert, die immense Datenmenge zu speichern und zu verknüpfen, um z.B. Aussagen zum individuellen Konsumverhalten zu erhalten. Technologisch ist die Ausarbeitung eines weltweit gültigen Standards zudem noch nicht abgeschlossen - auch die freigegebenen Frequenzbereiche für die Nutzung dieser Technologie variieren zwischen den unterschiedlichen Ländern. Und im Zweifel ist auch erst vor Ort im eigenen Betrieb zu klären, ob die Technik z.B. durch viel Metall in dem Lesebereich überhaupt zuverlässig funktioniert.

    Ende des vergangenen Jahres stellte die Erlanger PolyIC GmbH & Co. KG den ersten voll funktionsfähigen polymeren RFID-Tag vor. Dabei war die PolyIC GmbH & Co. KG (www.polyic.com) erst Ende 2003 als Joint Venture zwischen der Siemens AG und der Leonhard Kurz GmbH & Co. KG, Fürth, gegründet worden. Geschäftsführer Wolfgang Mildner zieht positive Bilanz: „Wir sind wesentliche Schritte vorangekommen auf unserem Weg zu druckbaren, preisgünstigen RFID-Tags.“ Ziel des Unternehmens ist nun, für diese Technologie Produktionsverfahren zu entwickeln, die tauglich für die Massenproduktion sind. Das Ziel: Kostengünstige Fertigung mit hoher Qualität in großen Mengen. Dazu werden massentaugliche Druckmethoden zum Einsatz kommen. Erste Produkte mit gedruckter Elektronik werden im Verlauf des Jahres 2006 erwartet. Der Markt für gedruckte Elektronik-Applikationen ist nach Angaben von PolyIC riesig. Letztendlich sollen die preiswerte Funketiketten den Strichcode ersetzen; es sind aber auch viele weitere Anwendungen mit preiswerter gedruckter Elektronik denkbar. Ob Steffen Fröschle mit seiner RFID-Hand dann noch unbeschadet durch jede Supermarktkasse kommt, ist allerdings noch nicht geklärt.

    hpw.
  • Externer Kontakt: Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, www.bsi.bund.de
    RFID-Hand, Steffen Fröschle, www.rfidhand.de
     

    WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2005, Seite 8

     
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