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Nur ein Teilerfolg für die Wirtschaft

Die Wirtschaft hat lange für eine praktikable Gestaltung der so genannten „Reach“-Verordnung gekämpft, mit der die europäische Chemikalienpolitik neu geregelt wird.

Die Wirtschaft hat lange für eine praktikable Gestaltung der so genannten „Reach“-Verordnung gekämpft, mit der die europäische Chemikalienpolitik neu geregelt wird.

Das EU-Parlament hat nun am 17. November 2005 die Weichen für einen Kompromiss gestellt. Die ursprünglich für Ende November 2005 angesetzte Abstimmung im Ministerrat ist auf Gesuch Deutschlands verschoben worden. Seit fast zwei Jahren wird das bisher umfangreichste europäische Gesetzesvorhaben – der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Neuordnung der Europäischen Chemikalienpolitik (so genannte „Reach“-Verordnung) – kontrovers diskutiert. Zu bürokratisch und zu teuer ist aus Sicht der Wirtschaft der von der EU-Kommission vorgeschlagene knapp 1 300 Seiten starke Verordnungsentwurf zur Registrierung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien. Betroffen sind nicht nur die Hersteller, sondern auch die Anwender von Chemikalien und damit das gesamte produzierende Gewerbe.

Rund 5 000 Änderungsanträge zur Vereinfachung wurden eingebracht. Auch die deutschen IHKs hatten sich an „ihre“ Europaabgeordneten mit der Forderung nach einer praktikablen Lösung gewandt.

Das EU-Parlament hat nun folgende Eckpunkte beschlossen:
  • Dem eigentlichen Registrierungsverfahren wird eine vereinfachte 18-monatige Vorregistrierungsphase vorgeschaltet, die für kleine und mittlere Unternehmen sowie für nachgelagerte Nutzer von Chemikalien um sechs Monate verlängert werden kann. Sämtliche vorregistrierte Substanzen werden in einem öffentlich zugänglichen Stoffregister geführt.
  • Einführung von Expositions- und Verwendungskategorien, die für den Umfang von Stoff-Sicherheitsberichten ausschlaggebend sein werden.
  • Mengenband eine bis zehn Tonnen pro Jahr (t/a): Die Registrierung in dieser Kategorie wird ausschließlich für Chemikalien gelten, die ernsthaften Anlass zur Sorge geben und die Menge der Daten soll auf das Grundlegendste beschränkt werden.
  • Mengenband zehn bis 100 t/a: Verringerung des bisher vorgesehenen Testumfangs. Weiter können Tests auf Grund von risikoorientierten Abwägungen fallengelassen werden („Waiving“).
  • Zeitraum für die Registrierung: Diese muss für Stoffe in Mengen über 1 000 t/a sowie für karzinogene, mutagene und fortpflanzungsgefährdene Stoffe (CRM-Stoffe) in einer Frist von drei Jahren abgeschlossen sein. Für geringere Stoffmengen verlängert sich der Zeitraum stufenweise bis auf elf Jahre.
  • Flexibilisierung der verpflichtenden Konsortienbildung. Das Prinzip „One Substance – One Registration“ (OSOR) verpflichtet Unternehmen, die den gleichen Stoff registrieren, zum Datenaustausch. Allerdings besteht die Möglichkeit zur Alleinregistrierung, wenn ein entsprechender Grund besteht.
  • Die Zulassung von besonders Besorgnis erregenden Stoffen wird auf fünf Jahre befristet.
  • Ersetzung von Stoffen: Es ist sicherzustellen, dass besonders Besorgnis erregende Stoffe möglichst ersetzt werden.
  • Die Kompetenz der zentralen europäischen Agentur soll bei Registrierung und Evaluierung gestärkt werden, um so einen einheitlichen Vollzug in Europa zu gewährleisten.

    Die Kompromissvorschläge greifen etliche Forderungen der Wirtschaft auf: Insbesondere die Einführung einer Vorregistrierungsphase und die Ausrichtung des Registrierungsumfangs am Stoffrisiko, nicht nur an der produzierten Menge. Zudem werden „Verwendungs- und Expositionskategorien“ eingeführt, die neben einem verbesserten Know-how-Schutz wesentliche Kosten- und Zeitersparnisse ermöglichen. Die Kommission hatte zunächst einzelfallbezogene Untersuchungen vorgesehen, in denen sämtliche Verwendungszwecke im gesamten Lebenszyklus einer Chemikalie detailliert beschrieben werden müssten. Korrekturen sind aus Sicht der Wirtschaft aber noch bei der zeitlichen Beschränkung der Stoffzulassung sowie beim Substitutionsgebot von gefährlichen Stoffen nötig.

    Nach der Abstimmung im EU-Parlament ist nun ein gemeinsamer Standpunkt im EU-Ministerrat notwendig. Deutschland hat jedoch einen Aufschub der für Ende November 2005 geplanten Abstimmung im EU-Wettbewerbsrat durchgesetzt. Hierdurch soll der neuen Bundesregierung Zeit gegeben werden, um sich mit „Reach“ zu befassen. Ob die Verhandlungen noch wie vorgesehen dieses Jahr zum Abschluss gebracht werden können, ist daher fraglich. Sollten die Standpunkte von EU-Parlament und EU-Ministerrat übereinstimmen, könnte die Verordnung bereits 2006 endgültig angenommen werden.

    IHK-Merkblatt
    Die IHK hat ein Merkblatt mit dem Titel „Was kann ich schon jetzt zur Vorbereitung auf Reach tun?“ herausgegeben, das kostenlos angefordert werden kann.
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    WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2005, Seite 30

     
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