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Was macht eigentlich...?

Das Christkind

Das Nürnberger Christkind spricht alljährlich von der Frauenkirche herab den Prolog zur Eröffnung des Christkindlesmarktes. Ungefähr 170 Mal beschenkt es in der Vorweihnachtszeit soziale Einrichtungen mit seinem Glückseligkeit verheißenden Besuch.

Woher das Jesuskind kommt, weiß man. Von einem Christkind mit wallendem Haar, lichtdurchwirktem Gewand und Engelsflügeln ist im Neuen Testament nirgends die Rede. Diese Mischung aus Engel und Jesuskind gehört ins früh-neuzeitliche Brauchtum, um 1500 tauchen auf Neujahrsglückwunschkarten Zeichnungen der Kindergestalt auf. Dr. Martin Luther persönlich, Kirchenreformator, Bekenntnisstifter und ein Marketing-Genie von vermutlich Gottes Gnaden, soll das Auftreten von Christkindlein forciert haben, um den katholischen Heiligen, besonders dem Nikolaus, einen populären Star entgegen zu setzen.

Spricht man heute mit früheren Nürnberger Christkindern, die einst von der Frauenkirche herab ihre Botschaft verkündet haben ("Dies Städtlein in der Stadt, aus Holz und Tuch gemacht, so flüchtig, wie es scheint, in seiner kurzen Pracht, ist doch von Ewigkeit"?), so scheint dieses Amt seine Botschafterinnen mit Engelsflügeln hinaus ins Leben schweben zu lassen. Seit 20 Jahren betreut Edith Kerndler vom Presseamt der Stadt die jungen Mädchen, sie ist bis heute immer wieder fasziniert von deren beschleunigtem Reifeprozess durch diese vielseitige öffentliche und soziale Aufgabe.

Das allererste Christkind, die 1999 verstorbene Schauspielerin Sofie Keeser, hatte das Amt noch von 1948 bis 1960 inne. Das erste Mädchen aus der Bevölkerung, die heute 56-jährige Gabriele Jungk (geborene Bergmann), las als Auszubildende bei der Sparkasse 1969 von der neuen öffentlichen Aufgabe. Während der Amtszeit begegnete sie ihrem späteren Mann, einem Münchner Medizinstudenten in Erlangen, folgte ihm 1974 nach München und lebt heute noch dort. Sie studierte später und unterrichtete in der Erwachsenenbildung.

Sechs Christkindles-Amtsperioden später schrieb die Schwester von Ruth Klinger den Bewerbungsbrief. Ruth, jüngstes von sechs Kindern des Pfarrers von Johannis, ging mit ihrer Mutter zur Wahl: "Meine Mama wartete im Cafe Kröll auf mich, falls eine andere gewählt worden wäre, wollte sie mir zum Trost einen Kuchen spendieren, so wurde halt gefeiert". Später studierte sie wie der Vater Theologie und ist heute Pfarrerin in Bayreuth, wo sie mit ihrem Mann Gerald Scheil, einem Religionslehrer, und den beiden Söhnen lebt.

Ihre direkte Nachfolgerin Heike Steinbauer, Christkind von 1981/82, atmete in ihrer Amtszeit erstmals Theaterluft - ein Duft, der sie lange in den Bann zog: Sie war viele Jahre Souffleuse am Opernhaus, studierte nebenbei Gesang und machte eine Feldenkrais-Ausbildung. Bis heute steht sie dem Christkind beim Prolog zur Seite, sollte es einen Texthänger haben.

Das 13. Christkind Barbara Zillgens (1993/94, jetzt verheiratete Reim) ist promovierte Juristin, war Richterin und Staatsanwältin in Ansbach und lebt heute mit ihrem Mann wieder in Nürnberg. Während wir telefonieren, hört man im Hintergrund ihren kleinen Sohn plappern, der bald in das Alter kommen dürfte, wo man ihm vom Christkind erzählen wird. Ihr folgte Sandra Schöttner, die – "obwohl wir früher im Urlaub immer in den Bergen waren" – an ihrer Promotion am Max-Planck-Institut für Meeresbiologie in Bremen schreibt.

Die dritte angehende Doktorantin heißt Kathrin Urschel (Christkind 1997/98). Nach einem Studium in Passau (Wirtschafts- und Kulturraum-Studien) und einem Studienaufenthalt in Kanada, wo sie ihre große Liebe, einen amerikanischen Germanisten kennenlernte, strebt sie den Doktorhut für eine Arbeit über "Irische Schriftsteller in Kanada" an. Sie erhielt ein Stipendium und lebt gerade in Galway/Irland. Ihr Vater, ebenfalls ein Pfarrer, war einst in der Gemeinde von Ruth Klingers Vater der zweite Pfarrer.

Ein Promotionsthema hat Marisa Sanchez noch nicht, aber immerhin schloss sie soeben mit 24 Jahren ihr Grundschul-Pädagogik-Studium ab. Ihre Mutter ist Portugiesin, der Vater Spanier und sie spricht deshalb beide Sprachen perfekt, jedoch kein Fränkisch, sondern Hochdeutsch. Den Schulkindern will sie bewusst nichts von ihrer Christkindzeit erzählen und ihre Überlegung dazu liefert uns einen würdigen Schluss für diese Geschichte übers Nürnberger Christkind: "Viele von meinen Schülern werden noch fest ans Christkind glauben und ich will ihnen diesen Glauben nicht nehmen, indem ich behaupte, dass ihre Lehrerin einst das Christkind von Nürnberg war. Die Figur des Christkindes soll nämlich immer vorherrschen, auch wenn ihr jede Amtsträgerin etwas von ihrer eignen Persönlichkeit verleiht".

Autor/in: 
Peter Budig
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2008, Seite 39

 
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