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Genossenschaft

Gemeinsam stark

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Die Rechtsform der eG hat in den letzten Jahren einen grundlegenden und positiven Imagewandel geschafft. Von Friedrich Blaser, Illustration: Petra Herberger

Lange wurde die Genossenschaft als Relikt und als Auslaufmodell unter den Rechtsformen betrachtet. Eine Organisationsform für wirtschaftliche Nischen, in landwirtschaftlichen Strukturen verhaftet und verstaatlicht – diese und andere Vorurteile wurden oft mit dieser Unternehmensform verknüpft. Aber seit einiger Zeit erlebt der Genossenschaftsgedanke eine Renaissance – und das gerade in Branchen, die als besonders innovativ und zukunftsträchtig gelten. Dass heute zunehmend mehr Genossenschaften gegründet werden, basiert auf einem Wandel im Selbstverständnis der Gesellschaft: Selbstverantwortung, Selbsthilfe und Selbstverwaltung werden als treibende Kräfte und als Erfolgsfaktoren wieder hoch gehalten. Ehemals verstaubte Begriffe wie Heimat, Identität, Sicherheit und Nachhaltigkeit sind wieder aktuell. Außerdem ist in schweren Zeiten Sicherheit gefragt - und die Möglichkeit, selbst anzupacken. Das gibt auch der Genossenschaft neuen Schub. Denn diese Werte gehören von jeher zu ihrem Geschäftsmodell. Genossenschaften setzen auf organisches Wachstum aus eigener Kraft und in der eigenen Region.

Steigende Zahl an Neugründungen
In Bayern stieg die Zahl der Neugründungen in den letzten Jahren kontinuierlich an. Zehn Genossenschaften wurden durchschnittlich in den Jahren 2003 bis 2007 bei den Registergerichten eingetragen. Im Jahr 2008 waren es 29 Genossenschaften, in den ersten zehn Monaten dieses Jahres entstanden bereits 37 neue eG. Im Regierungsbezirk Mittelfranken wurden in den letzten fünf Jahren 18 Genossenschaften gegründet; insgesamt sind 128 Genossenschaften heute hier beheimatet. Seit einiger Zeit hat vor allem die Gründung von Genossenschaften Konjunktur, die sich der Erzeugung von Energie im regionalen Umfeld widmen. Besonders alternative Energieformen stehen dabei im Vordergrund. Es gibt Genossenschaften in den Bereichen Wasserkraft, Nahwärme, Solarenergie sowie Biogas und Biomasse. Genossenschaften sorgen also dafür, dass Bayern und seine Regionen nach und nach unabhängiger werden von Gas, Öl und großen, international tätigen Energiekonzernen.

Beispiele für Energiegenossenschaften in Mittelfranken:
Die Bürgersolar Rothenburg o.d.Tbr. eG mit Sitz in Rothenburg o.d.T. errichtet und betreibt insbesondere Photovoltaikanlagen und setzt die gewonnene Energie ab. Außerdem berät sie in Fragen der regenerativen Energien. Ähnliche Ziele verfolgt die Bioenergiedorf Ostheim eG in Westheim. Die ebenfalls in Westheim ansässige Nahwärme Hüssingen eG kauft und erzeugt Wärme und versorgt damit ihre Mitglieder. An diesen Projekten können sich Bürger beteiligen und so einen Beitrag zum Umweltschutz leisten. Weitere Genossenschaftsgründungen in diesen Bereichen sind in Vorbereitung. Vor Kurzem wurde in Fürth die VR Bürgersolar Fürth eG gegründet, die große Dachflächen von Gewerbebauten und Privathäusern für die Erzeugung von Solarstrom nutzen will. Die eG mietet die Dächer von den Eigentümern an und bestückt sie mit Solarmodulen.

Die Analyse der Neugründungen zeigt, dass die Möglichkeiten der Rechtsform noch lange nicht ausgeschöpft sind. So bieten die Landwirtschaft, das Gesundheitswesen, die High-Tech- und IT-Branche und vor allem der Dienstleistungsbereich viel Potenzial für Genossenschaftsgründungen. Einen Boom an Neugründungen gibt es im Gesundheitssektor, in dem die Kosten gesenkt werden sollen, ohne die medizinische Versorgung zu verschlechtern. Staatliche Vorgaben und Budgetierungen zwingen viele Ärzte dazu, ihre Praxisstrukturen neu auszurichten. Sowohl für niedergelassene Ärzte als auch für Kliniken wird es immer schwieriger, dem Kostendruck standzuhalten, ihre Autonomie zu wahren und trotzdem qualitativ hochwertige Gesundheitsleistungen zu erbringen. Viele Mediziner sehen einen Ausweg in der Bündelung ihrer Kräfte. Sie tun sich zusammen, um fachübergreifend Gesundheitsdienstleis-tungen kostengünstig erbringen zu können und die regionale Versorgung zu sichern. Nicht zuletzt stärkt die Kooperation auch ihre Verhandlungsposition gegenüber den Krankenkassen. Beispiele aus Mittelfranken sind die ÄGM – und Servicenetz der Ärztegenossenschaft Mittelfranken eG in Nürnberg und die Ärztegenossenschaft Hersbrucker Land HebÄg eG in Hersbruck. Inzwischen sind bundesweit über 15 000 Ärzte und Zahnärzte in mehr als 50 Genossenschaften zusammengeschlossen. Allein in Bayern gibt es neun Ärztegenossenschaften mit etwa 5 000 Mitgliedern – Tendenz weiter steigend. Ein wichtiger Aspekt macht die Genossenschaft sowohl für Freiberufler, als auch für Handwerker und Landwirte attraktiv: Sie ist rechtlich selbstständig und auch die einzelnen Mitglieder bleiben rechtlich selbstständig. Für Netzwerke von Dienstleistern und für Kooperationen in der IT-Branche ist auch die demokratische Struktur entscheidend, die die Interessen der Mitglieder dauerhaft in den Mittelpunkt der Geschäftspolitik stellt. Transparenz, Verantwortung und gegenseitiges Vertrauen bilden die tragenden Säulen dafür, die Wirtschaft der Mitglieder erfolgreich durch den gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern. Mitglied und Genossenschaft verbindet somit eine enge Leistungsbeziehung.

Ein Mitglied – eine Stimme
Im demokratischen Prinzip „Ein Mitglied – eine Stimme“ verankert die Genossenschaft den Beteiligungswillen der Mitglieder und schließt eine Einflussnahme reiner Kapitalgeber aus. Weil alle Gremienmitglieder auch Mitglied der Genossenschaft sind, bleibt die Unabhängigkeit von anonymen Investoren und von internationalen Börsenkräften bewahrt. Zu weiteren Vorteilen der eG zählen neben den flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten der Satzung auch die steuerlichen Aspekte. So ist z.B. die genossenschaftliche Rückvergütung keine Gewinnverwendung, sondern eine Betriebsausgabe, die die Steuerlast mindert.

Ganz gleich, ob wirtschaftliche oder soziale Anliegen das Ziel sind: Eine Genossenschaft kann für viele mittelständische Unternehmen, Freiberufler sowie Gemeinden und Kommunen eine optimale Unternehmensform sein. Denn Genossenschaften werden gegründet, um gemeinsam mehr zu erreichen, als ein Einzelner erreichen kann. Ihr entscheidender Erfolgsfaktor liegt in der Mitgliederförderung. Durch dieses Prinzip ist sie allein ihren Eigentümern verpflichtet und verwirklicht die genossenschaftlichen Grundsätze der Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung. Dank Mitbestimmung und Mitgestaltung der Mitglieder bleibt die Genossenschaft lebendig und wirtschaftet nachhaltig. Die Mitglieder stellen das Kapital der Gesellschaft bereit und agieren zugleich als Geschäftspartner und Entscheidungsträger. Die Weichenstellungen für die kurz- und langfristigen Ziele des Unternehmens liegen damit in einer Hand.

Fünf Argumente für die Genossenschaft
Kein Mindestkapital: Bei der Gründung einer eG schreibt das Genossenschaftsgesetz kein festes Mindestkapital vor.

Einfache Gründung: Im Gegensatz zur Gründung einer AG oder GmbH fallen bei der Genossenschaftsgründung keine Kosten für die notarielle Beurkundung an. Auch der Ein- und Austritt von Mitgliedern ist ohne notarielle Mitwirkung oder Unternehmensbewertung möglich.

Demokratische Rechtsform: Jedes Mitglied hat unabhängig von der Höhe seiner Kapitalbeteiligung eine Stimme. Eigenständigkeit und die Interessen der Mitglieder werden somit geschützt.

Mitgliederorientierung: Anders als bei Kapitalgesellschaften werden bei einer eG Vorstand und Aufsichtsrat aus dem Kreis der Mitglieder besetzt. Damit werden die Förderinteressen der Mitglieder dauerhaft in den Mittelpunkt der Geschäftspolitik gestellt.

Flexibilität: Für kleine Genossenschaften bis 20 Mitglieder gelten vereinfachte Bestimmungen zur Jahresabschlussprüfung und zum Aufsichtsrat.

Wann ist die eG die richtige Rechtsform? Welche rechtlichen und steuerlichen Vorteile bietet sie? Welche Gründungsschritte führen zur eingetragenen Genossenschaft? Diese Fragen beantworten die Ansprechpartner des Genossenschaftsverbands Bayern e.V. (GVB), die auch die Gründung von Genossenschaften begleiten.

Externer Kontakt: Friedrich Blaser leitet die Regionaldirektion Franken des Genossenschaftsverbandes Bayern e.V. (fblaser@gv-bayern.de, www.gv-bayern.de).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2009, Seite 28

 
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