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Technikum Fürth

Gutes Material

Beispiel für gelungenen Strukturwandel: Die „Uferstadt“ auf dem einstigen Grundig-Gelände hat sich als Kompetenzzentrum für die Werkstoffwissenschaften etabliert.

Seit Oktober 2007 weisen an der Fürther Stadtgrenze die gelben Ortseingangsschilder auf die einzige „Wissenschaftsstadt“ Bayerns hin – ein Prädikat, das Fürth dem Technikum in der „Uferstadt“ verdankt. Für den Fürther Wirtschaftsreferenten Horst Müller ist die Einrichtung ein Erfolgsmodell – aufgrund der dynamischen Entwicklung mit einem starken Zuwachs von Arbeitsplätzen, aber auch der Kompetenz, die die beteiligten Forscherteams inzwischen genießen. Der Neubau einer dritten, 800 Quadratmeter großen Halle, die im Herbst 2010 fertig gestellt werden soll, gilt als sichtbares Beispiel des Fortschritts.

Elf Mio. Euro – darunter Mittel, die ursprünglich für den dann nicht verwirklichten Gewerbepark Nürnberg-Fürth-Erlangen vorgesehen waren – hat die Stadt Fürth im Laufe der Jahre für die drei universitäts- und universitätsnahen Pfeiler des Technikums beigesteuert. Die notwendigen Fördermittel erhielt Fürth vor einem Jahrzehnt von der Europäischen Union und der Deutschen Forschungsgemeinschaft, vor allem aber aus der HighTech-Offensive des Freistaats. Daraus entstanden das Zentralinstitut für Neue Materialien und Prozesstechnik (ZMP) der Universität Erlangen-Nürnberg mit über 20 Mio. Euro Gesamtfördervolumen, das Entwicklungszentrum Röntgentechnik (25 Mio. Euro) und die mit 29 Mio. Euro geförderte Neue Materialien Fürth GmbH (NMF).

Metalle und Kunststoffe
Im Fürther Technikum waren bisher vor allem Lehrstuhlinhaber der Technischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg in der Regie. Sie und ihre Nachfolger konzentrieren sich seit der Realisierung des Gesamtkonzepts ab 2001 mit einem immer größer werdenden Team auf die Entwicklung in-novativer Fertigungsverfahren zur Herstellung von Bauteilen aus Metallen, Kunststoffen und Verbundwerkstoffen sowie auf die Simulation von Gießprozessen. Der Technologietransfer dient vor allem der Automobilindustrie. Das Ziel: Möglichst viel Leichtbauelemente wie Magnesium oder Aluminium, die trotzdem eine hohe Stabilität aufweisen, in den Fahrzeugen verwenden zu können.

Das im Juni 2006 gegründete Zentralinstitut für Neue Materialien und Prozesstechnik (ZMP), dessen Sprecher Prof. Dr. Robert Singer ist (Lehrstuhl für Werkstoffkunde und Technologie der Metalle), ist die eigentliche erste universitäre Einrichtung in Fürth. Dort werden mit 40 Mitarbeitern Ideen aus der Grundlagenforschung bis in das Prototypenstadium weiterentwickelt. Die Professoren Michael Schmidt, Peter Greil, Mathias Göken und Andreas Hirsch sind in die kollegiale Leitung mit eingebunden. Zum ZMP gehört übrigens das zwei Mio. Euro teure und mit sechs Metern Höhe größte Rasterelektronenmikroskop der Welt, um das sich Forschungseinrichtungen aus ganz Deutschland beworben hatten. Und bei der DiaCCon GmbH, eine Ausgründung des ZMP, kommt eine der weltweit größten Diamantbeschichtungsanlagen (Neuwert: eine Mio. Euro) zum Einsatz.

Die industrielle Umsetzung der Prototypen übernimmt die speziell zu diesem Zweck aus der Universität Erlangen-Nürnberg heraus gegründete Neue Materialien Fürth GmbH, ebenfalls unter der Leitung von Singer. Sie beschäftigt 35 Mitarbeiter und verfügt derzeit über 1 450 Quadratmeter Bürofläche sowie zwei Hallen mit einer Gesamtnutzfläche von 1 700 Quadratmetern. Die dritte Halle kommt hinzu. Und mit rund elf Mio. Euro aus dem Strukturprogramm der Bayerischen Staatsregierung für die Region Nürnberg/Fürth soll in den nächsten Jahren das Nanopartikelzentrum des NMF erweitert werden. Geplant ist ein Forschungsbau für Funktionale Partikelsysteme, in dem vor allem Grundlagenforschung betrieben wird.Für Prof. Dr. Marion Merklein – Inhaberin des Lehrstuhls für Fertigungstechnologie an der Universität Erlangen-Nürnberg und deutschlandweit die erste Frau, die einem ingenieurwissenschaftlichen Sonderforschungsbereich („Transregio 73“) leitet – entsteht ein neuer Arbeitsschwerpunkt zur Herstellung und Entwicklung von Leichtbaublechen. Robert Singer erklärt die Strategie: „Im ZMP betreiben wir Grundlagenforschung, arbeiten also gewissermaßen im Reagenzglas und mit kleinen Pröbchen. Allmählich wird es immer konkreter – bis dann direkt am Produkt geforscht wird und die NMF schließlich Kleinserien herstellen kann.“

Entwicklungszentrum Röntgentechnik
Zum festen Bestandteil des Technikums ist aber auch die einstige, in Fürth seit dem Jahr 2000 ansässige Projektgruppe Ultrafeinfokus-Röntgentechnologie des Erlanger Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen unter Dr. Randolf Hanke geworden. Begonnen mit fünf Mitarbeitern und einem Gründungskapital von zehn Mio. Euro, soll dieses Entwicklungszentrum Röntgentechnik bald zum eigenständigen Institutsteil wachsen. Mit einer Förderung von vier Mio. Euro in einen neuen, hoch auflösenden Computertomografen will der Freistaat dafür die Voraussetzungen schaffen. Schon jetzt zählt die Gruppe 80 Mitarbeiter, bis 2013 sollen es 150 sein. Bis dahin wird auch ein Neubau in Fürth-Atzenhof bezugsfertig sein, dessen Planungsbeginn für 2010 vorgesehen ist. Im Entwicklungszentrum werden die neu geschaffenen Materialien auf Fehler geprüft. Selbst Schwachstellen, die 50 Mal kleiner sind als ein Haar, werden vom Röntgenblick erfasst.

Und: Ein Teil des Exzellenzclusters „Engineering of Advanced materials“ unter dem Leibniz-Preisträger Prof. Dr. Wolfgang Peukert (Lehrstuhl für Feststoff- und Grenzflächenverfahrenstechnik), größtes Drittmittelprojekt in der Geschichte der Erlanger Universität, ist ebenfalls in Fürth beheimatet. Die Konzentration auf Neue Materialien kommt in Fürth übrigens nicht von ungefähr: Die IHK Nürnberg für Mittelfranken hat mit dem High-Tech-Zukunftsprogramm zur Stärkung der Technologieinfrastruktur u.a. die Einrichtungen im Technikum (z.B. Neue Materialien Fürth GmbH, Nanopartikelzentrum und Entwicklungszentrum Röntgentechnik) forciert. Mit Unternehmen wie Ecka Granulate, Leonhard Kurz, Flabeg, Ruag und Uvex sind zahlreiche Firmen in den betreffenden Industriesegmenten involviert. Gert Rohrseitz, von Januar 1994 bis August 2009 Vorsitzender des IHK-Gremiums Fürth, hatte durch das Technikum „Synergieeffekte, Innovationspotenziale und Arbeitsplätze in einer neuen Technologie und damit einen weiteren Kompetenzgewinn über den Standort hinaus“ erwartet. Das ist inzwischen voll bestätigt worden.

Das Projekt „Uferstadt“ selbst, in das das Technikum integriert ist, entstand im Jahr 2000 auf dem ehemaligen Grundig-Gelände auf 7,9 Hektar Gesamtfläche. Neben den genannten universitären Einrichtungen sind dort das Rundfunk-Museum in der ehemaligen Grundig-Villa sowie Räume für technologieorientierte Unternehmen (Computec Media, Sellbytel, Lauer-Fischer, Atos origin) mit aktuell rund 2 500 Arbeitsplätzen auf ca. 50 000 Quadratmetern Bürofläche untergebracht.

Autor/in: 
Udo B. Greiner
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2010, Seite 22

 
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