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Polen

Aufstrebender Nachbar

Unter den neuen EU-Mitgliedern sticht Polen mit vergleichsweise starker und stabiler Wirtschaftskraft hervor. Ein IHK-Seminar informierte über Marktchancen und Investitionsvorteile, zum Beispiel in Sonderwirtschaftszonen.

Die EU-Mitgliedstaaten waren im Rezessionsjahr 2009 auf der Kriechspur, weit und breit wurde kein Wirtschaftswachstum erzielt. In Polen aber stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,7 Prozent, für 2010 wird ein Plus von 2,3 Prozent prognostiziert. Als Quellen dieses Erfolges bezeichnete Tomasz Salomon, Botschaftsrat an der polnischen Botschaft in Berlin, den Nachholbedarf bei der Inlandsnachfrage, den gesunden Bankensektor und vor allem die zahlreichen Infrastrukturprojekte, die mit EU-Fördermitteln vorangetrieben würden. Auch sei das Defizit der öffentlichen Finanzen „weit weg von südeuropäischen Kalamitäten“.

Ihre Exportstärke hat Polens Wirtschaft seit dem EU-Beitritt ebenfalls gesteigert. Deutschland ist als Partner im Außenhandel mit Abstand die Nummer eins, sowohl bei den Ein- wie auch bei den Ausfuhren. Salomon machte jedoch auf einen Strukturwandel der Einfuhren aus Deutschland in den vergangenen drei Jahren aufmerksam. Ein Beispiel: Das Vorurteil, dass Polen Autos stehlen und Deutsche Autos bauen, sei längst widerlegt. Polen habe 2009 erstmals mehr Autos nach Deutschland exportiert als umgekehrt. Das bestätigte Thomas Urbanczyk von der Deutschen Auslandshandelskammer (AHK) in Warschau: Zahlreiche ausländische Fahrzeughersteller sind in Polen mit Produktionsstätten vertreten, etwa Fiat, Ford und VW, im Nutzfahrzeugsektor MAN und Scania. Deshalb eröffnen sich auch für Zulieferer aus Deutschland gute Chancen in Polen. Urbanczyk warnt aber davor, Polen nur als verlängerte Werkbank zu sehen und die Qualifikation der Mitarbeiter gering zu schätzen. Solche Vorurteile stimmten längst nicht mehr. Der AHK-Abteilungsleiter untermauerte dies vor den rund 50 Seminarteilnehmern mit Fakten: 51 Prozent der Polen im Alter von 19 bis 24 Jahren studieren und über 80 Prozent sprechen Englisch. Laut AHK-Umfragen bewerten deutsche Unternehmen die Arbeitsqualität und Kompetenz des Personals als sehr gut.

Zu den vielversprechenden Wachstumsbranchen zählt in Polen der Baubereich. Da Polen noch über kein geschlossenes Autobahnnetz verfügt, werden bis 2013 etwa 1 000 Kilometer neue Autobahnen sowie 2 000 Kilometer neue Schnellstraßen gebaut. Auch deutsche Firmen kommen dabei laut Urbanczyk zum Zug. Auch bei Umweltschutz und Energieeffizienz ist deutsches Know-how gefragt – etwa bei der energetischen Sanierung von Gebäuden, für das die EU auch Mittel aus dem Förderprogramm „Infrastruktur und Umwelt“ zur Verfügung stellt.

Allein im grenznahen Bezirk (Woiwodschaft) Dolno´sla,skie (Niederschlesien) mit Wrocław (Breslau) als Hauptort sind deutsche Firmen bei mehreren Großprojekten federführend. Mit Blick auf die Fußball-Europameisterschaft 2012 baut derzeit die Firmengruppe Max Bögl aus Neumarkt i.d. Opf. das neue Stadion in Breslau. Iwona Makowiecka, Leiterin des dortigen AHK-Regionalbüros, sieht bei diesem Projekt noch gute Chancen, um für Subaufträge zum Zuge zu kommen. Für den Bau des neuen Terminals des Flughafens Breslau hat die polnische Tochtergesellschaft des Hochtief-Konzerns den Zuschlag erhalten, hier könnten sich noch deutsche Unternehmen der Sicherheitstechnik beteiligen.

Sonderwirtschaftszonen

Besonders attraktiv für Investoren sind die 14 Sonderwirtschaftszonen des Landes, von denen drei in Niederschlesien liegen. Unternehmen, die dort ein Gewerbe betreiben, können von der Einkommenssteuer beziehungsweise von der Körperschaftssteuer befreit werden, deren Satz derzeit bei 19 Prozent liegt. Volker Schubert von der Geschäftsleitung der Rehau AG + Co, Rehau (Oberfranken) bestätigte, dass die Investition in einer Sonderwirtschaftszone ein guter Weg ist, um den polnischen Markt zur erschließen. Rehau hat ein im Invest-Park der Waldenburger Sonderwirtschaftszone (WSSE) errichtet. Wer aber die attraktiven Bedingungen in den Sonderwirtschaftszonen nutzen will, muss sich beeilen: Nach den EU-Regelungen laufen die jetzigen Fördermöglichkeiten spätestens 2020 aus.

Autor/in: 
Stephan Mühlbaur
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 07|2010, Seite 14

 
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