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Arbeitsmarkt

Eine Doppelstrategie fahren

In Deutschland muss das ungenützte Potenzial an Arbeitskräften besser ausgeschöpft werden. Gleichzeitig brauchen wir eine gesteuerte Zuwanderung von qualifizierten Kräften. Von Frank-Jürgen Weise

Drei gesellschaftliche Megatrends haben die Rahmenbedingungen unserer Arbeitswelt maßgeblich verändert: die Globalisierung, die demografische Entwicklung und der technologische Fortschritt, der mit steigenden Anforderungen an die Beschäftigten einhergeht. Diese Dynamik hält unvermindert an und stellt die Bundesagentur für Arbeit (BA) vor schwierige Aufgaben. Denn neben dem steigenden Risiko von Arbeitslosigkeit für Geringqualifizierte resultiert aus jenen Trends ein wachsender Fachkräftebedarf. Diesen bei abnehmender Erwerbsbevölkerung zu decken, wird unsere ganze Kraft erfordern.

Bei der Analyse des Problems zeigt sich, dass wir die heimischen Beschäftigungspotenziale nicht genug ausschöpfen. Was die Erwerbsbeteiligung von Älteren und Frauen anbelangt, hinkt Deutschland trotz Fortschritten im internationalen Vergleich hinterher. Das heißt, wir verzichten am Arbeitsmarkt auf teils hervorragend ausgebildete Menschen. Für einen Hochtechnologiestandort wie Deutschland mit seiner hohen Exportquote ist dies ein unverzeihlicher Fehler. Und nicht nur das. Denn gleichzeitig leisten wir es uns, eine große Zahl junger Menschen ohne Abschluss und mit düsteren Perspektiven für ihr Erwerbsleben aus den Schulen zu entlassen. Jedes Jahr bleiben nahezu 70 000 Jugendliche ohne wenigstens den Hauptschulabschluss. Solange wir solchen Entwicklungen nicht entschlossener begegnen, steuern wir geradlinig auf die paradoxe Situation von Fachkräftemangel bei gleichzeitig hoher Langzeit- sowie Jugendarbeitslosigkeit zu. Vielleicht staunen Beobachter in einigen Jahren nicht mehr über unser Jobwunder, sondern schütteln den Kopf über diese Versäumnisse.

Wie können wir das vermeiden? Ich bin der festen Überzeugung, dass nur eine Doppelstrategie Sinn macht. Zum einen müssen wir das inländische Erwerbspersonenpotenzial weitgehend ausschöpfen. Dazu gehört, sich intensiv den arbeitslosen Menschen zu widmen, damit diese ihren Weg zurück in Beschäftigung finden. Zum anderen ist auch eine gesteuerte Zuwanderung nach Deutschland notwendig. Ich kann gut verstehen, dass diese Aussicht gerade bei Arbeitslosen Ängste auslöst. Dennoch vergeben wir große Chancen, wenn wir uns qualifizierter Zuwanderung verschließen. Mit ihr entstehen hochwertige Arbeitsplätze oder diese werden erhalten. In deren Umfeld gibt es auch für weniger gut ausgebildete Menschen Beschäftigungschancen – ein Multiplikatoreffekt, der nicht zu unterschätzen ist. Gleiches gilt für die zu wenig ausgeprägte und unübersichtlich organisierte Anerkennung von Qualifikationen der Menschen, die aus dem Ausland zu uns gekommen und geblieben sind. Auch hier verschenken wir Potenziale am Arbeitsmarkt.

Förderprogramme

Bereits heute erhalten Unternehmen in Deutschland von der BA wirkungsvolle Hilfe, wenn es darum geht, die Potenziale ihrer Beschäftigten stärker zu nutzen und zu erhalten. Zu nennen sind hier die Förderung Jugendlicher bei der Aufnahme einer Ausbildung oder von Frauen bei der Rückkehr in den Beruf. Auch für ältere und geringqualifizierte Beschäftigte fördern wir Weiterbildung. Das dafür entwickelte Programm „WeGebAU“ ist eine konsequente Dienstleistung der BA. Aktuell sind in Deutschland ungefähr vier Mio. Menschen ohne Berufsausbildung beschäftigt. Eine viel zu große Zahl. Diese Menschen sind es, die bei kommenden Rationalisierungswellen das größte Risiko tragen, arbeitslos zu werden. Sie erhalten in den Arbeitsagenturen Informationen über individuelle Weiterbildungsangebote.

Mir ist durchaus bewusst, dass nicht alle Betriebe genügend Ressourcen besitzen, um sich mit dem Weiterbildungsbedarf ihrer
Beschäftigten und vorhandenen Fördermöglichkeiten intensiv auseinanderzusetzen. Deshalb entwickeln wir den Servicebereich der BA für Arbeitgeber konsequent fort. Etwa, wenn wir Qualifizierungsnetzwerke ins Leben rufen, die es auch kleinen Unternehmen erlauben, sich professioneller um Personalentwicklung zu kümmern. Ein weiteres Modellprojekt zur vorausschauenden Weiterbildung läuft aktuell gemeinsam mit der Initiative für Beschäftigung (IfB).

Arbeitsmarktmonitor

Unser Ziel ist es darüber hinaus, frühzeitig zu erkennen, in welchen Branchen und Regionen Fachkräfte verstärkt fehlen. Wir haben daher in der BA den Arbeitsmarktmonitor entwickelt, mit dessen Hilfe wir erfolgversprechende Ansätze zur Fachkräftesicherung auf den lokalen Arbeitsmärkten entwerfen wollen – natürlich gemeinsam mit den Kammern, Unternehmen, Kommunen und Sozialpartnern. Ich freue mich daher, wenn Sie aktiv auf Ihre Arbeitsagentur zugehen, um gemeinsam wirkungsvolle Beschäftigungsstrategien zu finden. Denn die Bekämpfung des Fachkräftemangels erfordert Nachhaltigkeit und echte Kooperation gleichermaßen. Jede IHK verfügt hierfür über einen reichhaltigen Erfahrungsschatz, der in diesen lokalen Foren gehoben werden kann – zum Nutzen der Unternehmen und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Betrieben und der Menschen, die Arbeit suchen.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2011, Seite 16

 
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