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Psychische Gesundheit

Stress lass nach!

Viele Mitarbeiter klagen über zu hohe Belastung am Arbeitsplatz. Zahlreiche Unternehmen wollen vorbeugen und haben deshalb betriebliche Gesundheitsprogramme gestartet.

Es war wie ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk für gestresste Mitarbeiter im Wolfsburger Volkswagen-Konzern: Einen Tag vor Heiligabend informierte der Betriebsrat über eine Betriebsvereinbarung, wonach der Mail-Empfang von über 1 000 Firmen-Smartphones nach Feierabend unterbrochen wird. Damit die Tarifmitarbeiter abends tatsächlich den Feierabend zur Entspannung nutzen, ist zwischen 18.15 Uhr bis 7 Uhr Pause beim E-Mail-Eingang. Ähnliches ist vom Herzogenauracher Sportartikelhersteller adidas bekannt: Nachdem die japanischen Kollegen trotz Ermahnungen nach 20 Uhr ungehemmt weiterarbeiteten, wurde ihnen quasi der Strom abgedreht. Denn die Unternehmen haben ein Interesse daran, dass ihre Mitarbeiter auch psychisch gesund bleiben. Die Sorge kommt nicht von ungefähr, denn seit 1994 haben sich die Fälle von Arbeitsunfähigkeit aufgrund psychischer Erkrankungen mehr als verdoppelt.

Negativer Stress am Arbeitsplatz gilt aber oftmals als „Tabuthema“, weiß Sandra Teckenberg, Psychologin bei der Erlanger da:nova GmbH. Wer auf der Karriereleiter nach oben klettern möchte, möchte nicht mit Stresssymptomen an Kollegen und Vorgesetzte signalisieren, dass man mit dem Arbeitsvolumen überfordert ist. Mit lästigen Folgen für die Arbeitgeber: Ein Drittel der jungen Arbeitnehmer zwischen 18 und 29 Jahren hat schon mindestens einmal den Arbeitgeber gewechselt, jeder Siebte sogar mehrmals. Von dieser Gruppe gaben über 40 Prozent Frust mit den bisherigen Arbeitsbedingungen als Begründung an, ein Drittel nannte Konflikte und Stress am Arbeitsplatz als Auslöser für den Wechsel, wie im DAK-Gesundheitsreport 2011 nachzulesen ist.

Damit Unternehmen qualifiziert auf diese Entwicklungen reagieren können, setzt da:nova auf Prävention durch ein „ganzheitliches Gesundheits- und Leistungsmanagements“, unterstreicht Psychologin Teckenberg. „Ganzheitlich“ klinge zwar etwas abgedroschen, werde aber durch die Verbindung der drei Disziplinen Sport- und Ernährungswissenschaft sowie Psychologie mit Leben gefüllt. Der systemische Ansatz beginnt im Kundenunternehmen mit einer Status-Analyse des vorhandenen betrieblichen Gesundheitsmanagements und einer Erhebung zum Gesundheitszustand der Mitarbeiter. Dann werden für jeden Mitarbeiter individuelle Maßnahmen entwickelt und diese dann zwölf Monate lang gecoacht.

Um ratsuchenden Firmen den Einstieg ins Gesundheitsmanagement zu erleichtern, bietet da:nova ein modulares Baukastensystem an. So wurden von Sportwissenschaftlern punktuell etwa Arbeitsplätze am Fließband untersucht und Übungen entwickelt, um körperlichen Beschwerden zu minimieren. Teckenberg sieht die Unternehmen immer in einem Abwägungsprozess, ob lieber in Prävention investiert werden soll oder die Fehlkosten von chronisch Kranken günstiger sind. Um die Investitionsentscheidung zu erleichtern, kann eine fundierte Gesundheitsbilanz erstellt und in das betriebliche Controlling eingebunden werden.

Aus der Praxis weiß Teckenberg, dass Impulstage und Seminare nicht viel bringen. Selbst gut gemeinte Veranstaltungen von eineinhalb Tagen bewirken beim Kampf gegen Rückenprobleme oder gefühlten Stress keine Verhaltensänderung, obwohl man zunächst hoch motiviert ist. Ignoriere man über Jahre den eigenen Stress durch Überbelastung, könne die Stoffwechselfunktion des Gehirns aus der Bahn geraten. Werden diese Stresshormone nicht durch Bewegung abgebaut, drohen unter anderem Nervosität, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, erhöhter Blutdruck, Asthma oder Arteriosklerose bis hin zur Depression.

Arbeitgeber sammelt Pluspunkte

„Firmen widmen sich immer intensiver der betrieblichen Gesundheitsförderung“, regis-triert auch Iris Leibrecht, Dozentin im Bereich betriebliches Gesundheitsmanagement bei der Zirndorfer Beyer´s Aktivpark GmbH. Denn mit Angeboten für mehr Gesundheit der eigenen Beschäftigten stärkten die Unternehmen auch ihr „Image und sammelten Pluspunkte bei der Mitarbeitersuche“. Die Zirndorfer Experten werden oftmals direkt in die Firmen geholt oder zu Schulungen im Aktivpark besucht. Oder es werden firmeneigene Bewegungscoachs ausgebildet, die täglich für zehn Minuten im Betrieb in den Abteilungen Übungen zum entspannenden Atmen oder Rückenübungen durchführen. „Wenn es alle machen, kommt man sich vor den Kollegen nicht so komisch vor“, betont Leibrecht. Aber auch einzelne Mitarbeiter lernen bei ihr, kurze Unterbrechungen am Arbeitsplatz zum Anspannen und Entspannen der Muskulatur zu nutzen. Teils auch im Sitzen, damit es nicht so auffällt. Oder es werden innere Bilder von einem Strand oder einer Hochalm erarbeitet, die sich Beschäftigte nach „stressigen Telefonaten zur Entspannungsreise im Kopf“ aufrufen können. So lasse sich die Atmung wieder beruhigen und der Puls absenken.

Auch der Bosch-Konzern bemüht sich mit dem Programm „befit“ um die innere Balance der Mitarbeiter. Mitentwickelt hat es der Chef der medi-Ansbach Reha-Zentrum GmbH, Helmut Hötzl. Zunächst nahmen 74 Mitarbeiter am Bosch-Standort Ansbach über drei Monate lang teil und absolvierten regelmäßige Trainingseinheiten, um ihre körperliche und geistige Fitness zu stärken. Inzwischen sind diese Erkenntnisse in ein neues Gesundheitskonzept für alle rund 70 Bosch-Standorte in Deutschland eingeflossen. Das Konzept bietet mehrere Bausteine – von besserer medizinischer Vorsorge über eine konsequent ergonomische Gestaltung der Arbeitsplätze bis zu gesunder Ernährung und betrieblichem Eingliederungsmanagement. Neben einer Vielzahl von Sport- und Freizeitangeboten gehören hierzu beispielsweise auch Selbsttests zum Burnout-Syndrom, um besondere psychische Belastungen erkennen zu können.

Fitness in Eigenregie

Viele Beschäftigte warten allerdings gar nicht erst auf das Engagement ihres Arbeitgebers, sondern nehmen ihre Fitness selbst in die Hand. Laut der Focus Markt-Media-Studie „Der Markt für Fitness und Wellness“ stehen beim Ranking der beliebtesten Sportaktivitäten Radfahren, Schwimmen und Wandern an der Spitze, aber das mentale Training, zu dem auch Yoga gezählt wird, kommt schon auf Platz sieben. Entsprechend vielseitig sind im Großraum auch die Angebote aus den Bereichen Fitness, Mentaltraining und Yoga. Das Nürnberger Fitlife Concept von Jacqueline Boy betreut überwiegend Selbstständige, Unternehmer und Entscheidungsträger: Mit individuellen Angeboten hilft sie etwa bei Rückenbeschwerden, beim Ausdauertraining zur Gewichtsreduktion oder beim Erreichen sportlicher Ziele wie Firmenlauf, Halbmarathon oder gar Triathlon. Außerdem hat bietet Boy auch ein Business Boxing an, um Stress abzubauen und Kondition aufzubauen.

Die Qual der Wahl bietet das Internet-Portal Personalfitness.de, das allein für den Suchbegriff Nürnberg 15 Personal-Trainer mit insgesamt über 150 Angeboten von Aerobic und Anti-Aging-Training über Klettern und Marathon bis zu Wakebording und Yoga aufführt. Auch Anna Lethaus, Inhaberin von SpaceYoga, hat kein Patentrezept, wie man den passenden Lehrer für sich findet. Es gebe so viel verschiedene Stile und Lehrer, die könne man nicht „nach Zertifikat“ beurteilen. Über das Yoga hinaus gibt es über 50 staatlich geprüfte und zugelassene Grundlehrgänge für Fitness, Gruppentraining, Ernährung und Mentale Fitness. Darauf aufbauend erfolgt die Qualifikation zum Fitnesstrainer, Personal Trainer oder zum Lehrer für Ernährung. Außerdem gibt es noch IHK-Weiterbildungsmaßnahmen zum Fitnessfachwirt oder zum Fachwirt für Prävention und Gesundheitsförderung. Lethaus selbst bietet gerade für Berufstätige insbesondere morgens und abends ihre Kurse an, damit ihre Klienten die Rückenprobleme loswerden. Ob die Angebote passend sind, können letztlich nur die Klienten selbst beurteilen. „Yoga ist keine Symptombekämpfung, sondern sorgt für eine Verhaltensänderung“, ist sich Lethaus sicher. 

Katharina M. Seyfferth setzt mit ihrem seyfferth-mentoring in Nürnberg auf energetisches Körpermanagement oder Yoga, damit stressgeplagte Menschen ihre Balance von Körper, Geist und Seele wiedererlangen. Angesichts steigender Belastungen in den Unternehmen hätten Beschäftigte nur die Wahl zwischen „fight or flight“ – also kämpfen oder rausfliegen. Für Kunden, die eher esoterisch ausgerichtet sind, bietet sie auch ihre Angebote als „Astro Coach“ mit Business- oder Personal-Astrologie an.

Der Nürnberger Yoga-Lehrer Frank Wesnitzer, der das Internet-Portal businessyoga-online.de betreibt, kennt Rücken-, Nacken- und Schulterschmerzen aus eigener Erfahrung und trainiert Büroarbeiter, diese zu überwinden. Dazu schlägt er per Video Übungen vor, die Beschäftigte direkt am Arbeitsplatz in maximal fünf Minuten nachmachen können. Mit einem Abonnenten-Login könne man die Übungen sowohl am Arbeitsplatz als auch zu Hause praktizieren, fünf Minuten täglich reichen aus seiner Sicht aber aus. Um den inneren Schweinehund zu überlisten, bietet er auch eine Erinnerungsfunktion für den Outlook-Kalender.

Die Online-Variante hat für Wesnitzer noch einen weiteren Vorteil. Anders als bei Präsenzveranstaltungen im Unternehmen können so auch Teilzeitkräfte mit in das betriebliche Gesundheitsprogramm eingebunden werden. Bei Bedarf kommt der Yogalehrer aber auch ins Unternehmen, um etwa Kickoff-Veranstaltungen oder Gesundheitstage mit Impulsen zu beleben.

Autor/in: 
Thomas Tjiang
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2012, Seite 42

 
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