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Finanzierung in Zeiten der Krise

Robust gegen externe Schocks

Ein Risiko-Management kann sich für Betriebe als überlebenswichtig erweisen. Wie kann der Mittelstand lauernde Gefahren rechtzeitig erkennen? Von Prof. Dr. Josef Fischer

Mittelständische Unternehmen verhalten sich in punkto Finanzierung erfahrungsgemäß konservativ: Sie wollen ihre Unabhängigkeit wahren und das Unternehmensrisiko auch in kritischen Zeiten beherrschbar machen. Deshalb werden Gewinne für schlechte Zeiten zurückgelegt (thesauriert) und bei der Finanzierung der klassische Bankkredit bevorzugt. Mit den Hausbanken besteht in der Regel eine langjährige Vertrauensbeziehung. Die Liquidität wird über Lieferantenkredite und in dringenden Fällen über den Kontokorrent gesichert. Ergänzend wird allenfalls Leasing als Finanzierungsinstrument genutzt. Neuere Finanzierungswege, wie z.B. stilles oder offenes Factoring, sind zwar im Wesentlichen bekannt, werden aber nur selten beschritten.

Diese Finanzierungsstrategie hat bisher die Mehrzahl der mittelständischen Unternehmen gut vor Krisen geschützt. Die Finanzkrise von 2008 hat jedoch gezeigt, dass bestimmte Entwicklungen auch am Mittelstand nicht spurlos vorüberziehen. Die Auswirkungen der aktuellen Verschuldungskrise sind zwar derzeit in allen ihren Facetten noch nicht abzusehen. Es ist jedoch zu erwarten, dass sich die wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen auch in einer geänderten Finanzierungsstrategie niederschlagen werden. Das Beispiel eines Automobilzulieferers zeigt, welche Konsequenzen sich aus einer Krise auch für bisher gut aufgestellte Unternehmen ergeben können.

Der massive Konjunktureinbruch im Jahr 2009 hat die deutsche Automobilwirtschaft hart getroffen. So hatte das genannte Unternehmen einen Umsatzrückgang von 50 Prozent, verbunden mit erheblichen Liquiditätsproblemen, zu verkraften. Erschwerend kam das Auf und Ab bei den Rohstoffpreisen hinzu. Es zeigte sich, dass die bisherigen Sicherungsinstrumente und das Risikofrüherkennungssystem nicht mehr ausreichten, um das Unternehmen in der bisherigen Weise fortzuführen und die sehr kurzfristig erforderlichen Mittel aufzubringen. Vielmehr wurden plötzlich Lücken in allen Unternehmensbereichen wie Einkauf, Produktion und Vertrieb offensichtlich. Im Finanzbereich bestand die Gefahr, dass es zu einer gefährlichen Gemengelage kommt: Notwendige Investitionen, aufgeschobene Großreparaturen, Fehlinvestitionen sowie eine mangelhafte Absicherung gegen Währungs-, Rohstoff- und Zinsrisiken drohten, in ihrer Gesamtheit existenzgefährdend zu werden.

Durch die Einbindung externer Berater verbunden mit dem rechtlich erforderlichen Sanierungsgutachten und einer positiven Fortführungsprognose wurden zunächst die formalen Voraussetzungen geschaffen, um die Überlebensfähigkeit zu sichern. Als äußerst vorteilhaft haben sich in dieser Situation die guten Beziehungen zu den Hausbanken und das in vielen Jahren aufgebaute, intensive Vertrauensverhältnis erwiesen. Nach dem Motto: „Man kennt sich und man hilft sich.“ Auch die Erweiterung des Finanzierungsspektrums um die Bereiche Leasing und Factoring war in dieser Situation hilfreich.

Offene Kommunikation

Von zentraler Bedeutung für die Überwindung der Krise im Jahr 2009 haben sich außerdem die offene Kommunikation und die Glaubwürdigkeit gegenüber allen Stakeholdern erwiesen. Das Unternehmen hat frühzeitig alle Beteiligten in den notwendigen Restrukturierungsprozess eingebunden (u.a. Mitarbeiter, Lieferanten, Kunden, Fremdkapitalgeber, Eigenkapitalgeber, Kreditversicherer, Politik) und damit die Voraussetzungen für den erfolgreichen Aufschwung in den Jahren 2010 und 2011 geschaffen. Für die zusätzlichen Finanzierungen und Zugeständnisse der Kapitalgeber mussten neben den regulären Sicherheiten (z.B. Gebäude und Grundstücke) zusätzlich Forderungen und Vorratsbestände mit in den Sicherheiten-Pool aufgenommen werden. Hätten diese nicht ausgereicht, so hätten auch die Geschäftsführenden Gesellschafter ihr Privatvermögen in die Sicherheitenliste mit aufnehmen lassen.

In dem seit vielen Jahren erfolgreichen und (vermeintlich) solide finanzierten Unternehmen wurden Schwächen aufgedeckt, die firmenintern erst durch den extern ausgelösten Schock offenbar wurden. Die aus dieser Entwicklung gezogenen Lehren beziehen sich zum einen auf das Risiko-Management und zum anderen auf die Einführung einer zentralen Liquiditätssteuerung („Treasury“).

Frühwarnsystem und Risiko-Management

Die Krisenfrüherkennung, die bisher nur unsystematisch an einzelnen Indikatoren festgemacht wurde, wurde in dem Unternehmen durch ein systematisches Frühwarnsystem ersetzt, das sich auf alle krisenrelevanten Bereiche erstreckt. Check-Listen und das regelmäßige Monitoring von Kunden und Lieferanten, die möglicherweise selbst in Schieflage geraten könnten, sollen u.a. eine nachhaltige Sicherung der Liquidität gewährleisten. Das System der Früherkennung wurde zudem ergänzt durch den regelmäßigen Einsatz von Absicherungsinstrumenten, um Rohstoffpreis-, Wechselkurs- und Zinsänderungsrisiken sowie Forderungsausfälle in den Griff zu bekommen. Diese Erkenntnisse haben ihren Niederschlag in der Erstellung eines Handbuchs für das Risikomanagement gefunden.

Ein weiterer Schritt zur künftigen Krisenprävention lag in der Aufstellung einer eigenen Treasury-Richtlinie, die die Elemente des Risikomanagements berücksichtigt. Folgende Hauptaufgaben der zentralen Liquiditätssteuerung wurden definiert: Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit, Berichterstattung gegenüber den internen und externen Stake- und Shareholdern, monatliche Darstellung der Ist-Gegebenheiten und Aufzeigen erster Warnsignale. Der Einsatz von mehr oder weniger komplexen Treasury-Management-Systemen, wie sie derzeit von verschiedenen Systemanbietern auch für kleine und mittlere Unternehmen angeboten werden, reduziert den hohen Aufwand des „Datensammelns“. Dadurch können enorme Potenziale bei der finanziellen Steuerung von Unternehmen genutzt werden.

Auch wenn keine akute Krise durchlaufen wird, die den Betrieb an den Rande der Existenz bringen kann, sind die Geschäftsführer gefordert, sich intensiv mit Fragen der Finanzierung und der Absicherung gegen finanzwirtschaftliche Risiken auseinanderzusetzen. Finanzierungs- und Risiko-Management sollten zu einer zentralen Management-Aufgabe werden, um für alle Fälle vorbereitet zu sein.

Autor/in: Prof. Dr. Josef K. Fischer,vertritt das Lehrgebiet „Finanz-, Bank und Investitionswirtschaft“ an der Ohm-Hochschule Nürnberg. Er ist wissenschaftlicher Leiter der berufsbegleitenden Weiterbildung zum „Restrukturierungsmanager“ sowie der Ausbildung zum „Finanzierungsmanager“ am Management-Institut der Hochschule (www.gso-mi.de, josef.fischer@ohm-hochschule.de ).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2012, Seite 38

 
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