Telefon: +49 911 1335-1335

Interview

Wer verdient an der Musik?

Das neue Tarifmodell der Gema sorgt für erheblichen Streit. Während die Verwertungsgesellschaft von „größerer Gerechtigkeit“ spricht, protestieren die Gastronomen. Um ein „Diskothekensterben“ zu verhindern, plädiert der Bayerische Landtag für einen fairen Interessenausgleich. Doch ob der außergerichtlich zustande kommt, erscheint fraglich. WiM sprach darüber mit Dr. Gerhard Engelmann, Geschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga Bayern e.V. in Mittelfranken.

Wie sieht das neue Tarifmodell der Gema aus?

Die Gema hat kurzfristig vollkommen neue Tarife für Livemusik- und Tonträgerveranstaltungen veröffentlicht, die nunmehr am 1. April 2013 wirksam werden sollen. Seitens der Gema wurden elf Tarife gestrichen, an deren Stelle zwei neue Tarife gesetzt. Betroffen sind alle Veranstaltungen mit Livemusik oder mit Tonträgermusik. Ausgenommen sind Konzerte und Tarife für Radio, Fernsehen oder Hintergrundmusik in den Restaurants. Für viele Betriebe bringen die neuen Tarife exorbitante Gebührenerhöhungen mit sich, die für viele Gastronomen, Besitzer von Musikkneipen, Hoteliers, Clubbetreiber und Discotheken-Unternehmer existenzgefährdend sind.

Um welche Arten von Musikdarbietung geht es?

Die neuen Tarife betreffen nach eigenen Angaben der Gema ca. 1,5 Mio. Musikveranstaltungen in Hotellerie und Gastronomie wie Bälle, Silvester- und Tanzveranstaltungen, Musikabende und Partys, sämtliche Veranstaltungen in Musikkneipen, Clubs und Discotheken und nicht zuletzt hunderttausende Stadt- und Vereinsfeste in ganz Deutschland. Viele dieser Veranstaltungen werden nach den geplanten Gema-Preiserhöhungen nicht mehr finanzierbar sein. Sehr gut nachgerechnet werden kann dies durch den Gema-Tarifrechner, den der Dehoga Bundesverband auf www.dehoga.de eingestellt hat.

 interview-gema-kasten

Welche Unternehmen sind davon betroffen?

Insbesondere Musikkneipen werden mit Erhöhungen von 1 000 bis zu 2 000 Prozent belastet. Dramatisch ist auch die Lage für Clubs und Discotheken, die mit Erhöhungen von über 100 000 Euro und mehr konfrontiert werden. Betriebsschließungen drohen, Tausende von Arbeits- und Ausbildungsplätzen sind in Gefahr.

Der Dehoga hat in mehreren Tarifverhandlungen vergeblich versucht, diese völlig verfehlte Tarifreform zu verhindern. Die Gema ist auch nach jüngsten Gesprächen nicht bereit, wie von uns gefordert, die neuen Tarife zurückzunehmen. Der Gema geht es einzig und allein um eine Steigerung ihrer Einnahmen. Die einbrechenden Verkäufe auf dem CD-Markt sind seit Jahren bekannt. Dieser Umstand gibt der Gema aber nicht das Recht, die wegfallenden Einnahmen nun auf Kosten der Musikveranstalter kompensieren zu wollen, sie nutzt damit ihre Monopolstellung aus.

Wem kommen die Einnahmen der Gema eigentlich zu Gute?

Die Gema vertritt in Deutschland die ihr übertragenen Rechte der Komponisten, Textdichter und Musikverleger. Sie überträgt die Nutzungsrechte an den Veranstalter gegen Bezahlung einer entsprechenden angemessenen Vergütung, die sie dann an die betroffenen Urheber abführt. Sie verfügt durch Verträge mit allen außerdeutschen Verwertungsgesellschaften auch über die Ausführungsrechte ausländischer Musikurheber, wodurch eine fast unbegrenzte Bandbreite an musikalischen Werken den Ausführenden zur Verfügung steht. Die Gema ist alleinige Verwertungsgesellschaft auf dem Gebiet der Musikrechte in Deutschland, nimmt also faktisch eine Monopolstellung ein.

Ist eine Lösung des Konflikts in Sicht?

Die Bundesvereinigung der Musikveranstalter e.V. und der Dehoga Bundesverband sind seit über 50 Jahren Verhandlungspartner der Gema. In der Vergangenheit haben sich die Parteien immer auf angemessene Tarife verständigt. Der Dehoga Bundesverband führt zusammen mit der Bundsvereinigung der Musikveranstalter gegen die Gema ein Verfahren vor der urheberrechtlichen Schiedsstelle, dem Deutschen Patent- und Markenamt. Hier soll festgestellt werden, was tatsächlich die angemessene Vergütung ist. Mit einer Entscheidung dürfte spätestens im Frühjahr 2013 zu rechnen sein. Neben der Anrufung der Schiedsstelle hat der Dehoga Bundesverband die Politik auf Landes- und Bundesebene sensibilisiert. In sechs Landtagen wurden entsprechende Anträge eingebracht und die jeweiligen Landesregierungen aufgefordert, sich für einen fairen Interessensausgleich zwischen Urhebern und Musikveranstaltern einzusetzen.

Wie geht es jetzt konkret weiter?

Die neuen Tarife müssen aufgehoben werden. Zumindest müssen die Tarife bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung ausgesetzt werden. Es kann nicht sein, dass die Musiknutzer ab dem 1. April 2013 auf der Basis von „Mondtarifen“ für die gesamte Dauer des Gerichtsverfahrens utopische Gema-Gebühren zahlen bzw. hinterlegen müssen. Die Verhandlungsmöglichkeiten sind erschöpft. Wir setzen auf eine Klärung über die Schiedsstelle, gegebenenfalls mit anschließender gerichtlicher Klärung vor dem Oberlandesgericht München und dem Bundesgerichtshof.               

Gema

Die Gema (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) ist eine Verwertungsgesellschaft, die 1903 gegründet wurde. Sie verwaltet als staatlich anerkannte Treuhänderin die Rechte von über 64 000 Mitgliedern und rund zwei Millionen ausländischen Rechteinhabern. Ihr Ziel ist es, das geistige Eigentum von Komponisten, Textdichtern und Verlegern zu schützen und eine angemessene Entlohnung sicherzustellen.

Die Tätigkeiten der Gema sind in Deutschland im Urheberrechtsgesetz und Urheberrechtswahrnehmungsgesetz geregelt. Regional ist die Verwertungsgesellschaft, die 1100 Mitarbeiter beschäftigt, in sieben Bezirksdirektionen gegliedert, die sich in Nürnberg, Stuttgart, Berlin, Dortmund, Dresden, Wiesbaden und Hamburg befinden. Einzelheiten zur neuen Tarifstruktur sind auf der Homepage der Gema dargestellt.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2012, Seite 22

 
Device Index

Alle Ansprechpartner/innen auf einen Blick