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Kunststudenten

Berühmt und reich?

Speziell an junge Kreative und Künstler wendet sich ein IHK-Seminar, das die wirtschaftlichen Grundlagen der Selbstständigkeit erläutert. Damit soll die Tragfähigkeit kreativer Geschäftsmodelle verbessert werden.

Die Freude am schöpferischen Prozess und der Wunsch nach Unabhängigkeit sind Gründe, weshalb sich junge Menschen für ein Kunststudium entscheiden. Doch Talent alleine genügt nicht, wenn man später von der Kunst auch leben will. Um Studenten der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg gezielt zu fördern und um ihnen den Einstieg in das Berufsleben zu erleichtern, hat die IHK ein spezielles Seminar entwickelt. Unter dem Titel „Berühmt und Reich? Überleben in Extremistan? Wie Künstler Karriere machen“ findet es seit April 2008 bisher im zweijährigen Turnus statt.

Initiiert wurde es von Dr. Dieter Riesterer, Vorstandsvorsitzender der IHK-Kulturstiftung, und Sabine Edenhofer, Leiterin des IHK-KundenServices. Das Konzept wurde in Kooperation mit Eva Schickler, Büro für Utopien in Nürnberg entwickelt, die das Seminar auch leitet. Teilnahme, Unterlagen und anschließendes individuelles Coaching sind kostenfrei. Bei der Vermittlung der Inhalte wurde auf die zielgruppenspezifische Ausrichtung besonderer Wert gelegt. Künstler sind vor allem an visueller Wahrnehmung interessiert; von herkömmlichen Anlaufstellen für Existenzgründung fühlen sie sich kaum angesprochen.

Einblicke in den Alltag

Zu Beginn des Seminars berichtet ein erfahrener Künstler über seine Arbeit, über seine persönlichen Erfahrungen und über die Höhen und Tiefen in den ersten Jahren der Selbstständigkeit. Das fördert die Identifikation, den Austausch und erleichtert den Studierenden den Einstieg in die komplexe Materie. Bisherige Referenten waren Ursula Kreutz, Daniel Sabranski und Donata Benker.

Der problematischen wirtschaftlichen Situation bildender Künstler stellt Eva Schickler unterschiedliche Erfolgsmodelle gegenüber: Zum Beispiel „inges idee“, ein Künstlerunternehmen, das aus den Künstlern Hans Hemmert, Axel Lieber, Thomas A. Schmidt und Georg Zey besteht. Seit der Gründung 1992 in Berlin arbeiten sie gemeinsam an Projekten im öffentlichen Raum für Auftraggeber in der ganzen Welt. Ein anderes Beispiel ist Christo: Seine Werke und Aktionen werden von einem umfassenden Marketing-Konzept flankiert, das Angebote für alle Kunstinteressenten beinhaltet. Begleitend zu den Projekten werden Produkte vermarktet, die sich an verschiedene Zielgruppen wenden – an den versierten Großsammler ebenso wie an den Käufer einer Kunstpostkarte. Großprojekte wie der „Verhüllte Reichstag“ in Berlin können so komplett aus selbst finanzierten Mitteln realisiert werden. Das installierte Kunstwerk besteht dabei nur zeitweise und kann nicht gekauft werden, dadurch wird es einzigartig und zum touristischen Anziehungspunkt für viele Besucher.

Klares Profil gefortdert

Deutlich wird: Was für Entrepreneure die innovative, durchdachte, tragfähige Gründungsidee bedeutet, ist für Kunstschaffende die besondere künstlerische Haltung, eine spezielle neue Sichtweise, ein eigener Stil. Um entsprechend wahrgenommen zu werden und Aussicht auf langfristigen Erfolg zu haben, sind Profilierung und Alleinstellungsmerkmale unverzichtbar. Ob diese genügend Substanz für eine Positionierung und Durchsetzung am Markt haben, lässt sich insbesondere im Kunstsektor erst auf längere Sicht feststellen.

Auch wenn jeder Künstler seinen ganz eigenen Weg entwickeln muss, gibt es genügend Vorbilder, die als Inspiration und Anregung in Sachen Vision, Wirtschaftlichkeit und Marketing dienen können. Dabei geht es weder um Idealisierung, Legendenbildung oder Instrumentalisierung, sondern vielmehr um Ermutigung und darum, den Möglichkeitssinn für die eigenen Potenziale zu entdecken und Netzwerke aufzubauen. So werden auch im Kunstmarkt relevante Besonderheiten ausführlich besprochen. Wie finde ich eine Galerie? Wie kommen Preise zustande? Einen Einblick in rechtliche, steuerliche wie versicherungstechnische Themen vermittelt Oliver Baumbach, Leiter des IHK-Geschäftsbereiches Recht und Steuern. Im Vorfeld der Existenzgründung sind Wahl der Rechtsform und gewerberechtliche Fragen zu klären: Bin ich Freiberufler oder muss ein Gewerbe angemeldet werden? Die Einordnung hat verschiedene Auswirkungen, beispielsweise auf die Art der Buchführungspflicht. Eine Einschätzung des Umsatzes im Jahr der Gründung zeigt, ob man umsatzsteuerlich als Kleinunternehmer einzustufen ist.

Bei Anwendung dieser Regel ist auf Rechnungen keine Umsatzsteuer auszuweisen und Vorsteuer aus Eingangsrechnungen kann nicht abgezogen werden. Um steuerrechtlich korrekte Rechnungen auszustellen muss man wissen, für welche Art der künstlerischen Produktion der ermäßigte Umsatzsteuersatz (noch) zutrifft – z.B. Gemälde sieben Prozent, Fotografie 19 Prozent, jedoch Nutzungsrecht für eine Fotografie wiederum sieben Prozent. Diverse versicherungstechnische Belange sind zu klären: Muss ich mich bei der Künstlersozialkasse anmelden oder gründe ich eine Galerie und bin damit als Verwerter künstlerischer Werke verpflichtet, die Künstlersozialabgabe zu zahlen? Was gilt es im Hinblick auf Verträge und das Urheberrecht zu beachten? Was muss auf dem Geschäftspapier und was im Impressum auf der Homepage stehen? Für manchen Teilnehmer bedeutet dies die erstmalige Auseinandersetzung mit der Thematik, während andere bereits konkrete Fragen zu Gewerbeschein oder Anmeldung beim Finanzamt haben.

Die Möglichkeit, sich individuell beraten zu lassen, wird überwiegend von Studenten fortgeschrittener Semester intensiv genutzt. Laut Feedback der jungen Künstler und Künstlerinnen leistet das IHK-Seminar somit einen wichtigen Beitrag zur Professionalisierung sowie zur Sensibilisierung für unternehmerisches Know-how.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2012, Seite 31

 
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