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Menschenrechte

Die Wirtschaft ist Teil der Lösung

Unternehmen, die im Ausland aktiv sind, müssen gewährleisten, dass sie die Rechte der Menschen im Gastland achten. Eine wichtige Richtschnur sind dabei die 31 „UN-Prinzipien für Menschenrechte und multinationale Unternehmen“. Von Matthias Thorns

Die unternehmerische Verantwortung für Menschenrechte ist immer stärker in den Fokus von Politik, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Gewerkschaften gerückt. Die besondere Aufmerksamkeit liegt dabei auf den 31 „UN-Prinzipien für Menschenrechte und multinationale Unternehmen“, die im Juni 2011 vom UN-Menschenrechtsrat in Genf einstimmig angenommen worden sind.

Die UN-Prinzipien (auch Guiding Principles genannt) richten sich an nationale Regierungen sowie an Unternehmen direkt. Sie konkretisieren das Konzept „Protect – Respect – Remedy“ (Schützen – Respektieren – Abhelfen) von John Ruggie, der von 2005 bis 2011 als UN-Sonderbeauftragter für Menschenrechte und multinationale Unternehmen mit der Erarbeitung der Guiding Principles beauftragt war:

  • Protect: Es ist Aufgabe des Staates, die Menschen auf seinem Territorium vor Menschenrechtsverletzungen durch nicht-staatliche Akteure zu schützen.
  • Respect: Es ist die Pflicht der Unternehmen, die Menschenrechte, so wie sie durch die jeweilige nationale Gesetzgebung konkretisiert werden, zu respektieren und die dazu nötigen Managementstrukturen aufzubauen.
  • Remedy: Es müssen juristische wie nicht-juristische Beschwerdemechanismen entwickelt und gestärkt werden, um Abhilfe bei Menschenrechtsverletzungen, die durch Unternehmen u.a. begangen werden, zu schaffen.

Die Wirtschaft hat das Protect-Respect-Remedy-Konzept von John Ruggie als ein schlüssiges Konzept zur besseren Durchsetzung von Menschenrechten begrüßt, da es klar zwischen der Verantwortlichkeit der verschiedenen Akteure unterscheidet und zur Klärung des komplexen Themas „Menschenrechte und Unternehmen“ beiträgt. Ruggie hat mit seiner Arbeit entscheidend dazu beigetragen, die Rollenverteilung von Staat und Unternehmen klarer zu definieren und voneinander abzugrenzen.

Klare Rollenverteilung

Für die Wirtschaft kommt es nun darauf an, dass diese Aufgaben- und Rollenverteilung bei der Umsetzung der Guiding Principles nicht wieder verwässert wird. Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften sehen die Guiding Principles als Vorlage für extraterritoriale Rechtsprechung, eine verpflichtende Berichterstattung zur unternehmerischen Verantwortung (CSR) sowie die Aufnahme von CSR als Kriterium in die öffentliche Auftragsvergabe.

Eine Öffentliche Anhörung der UN-Arbeitsgruppe für Menschenrechte und multinationale Unternehmen in Genf Mitte Januar 2012 machte dies nochmals deutlich: Die überwiegend aus dem NGO- und Gewerkschaftslager kommenden 140 Teilnehmer stellten einen breiten Forderungskatalog auf, der von der Stärkung der Rechte von Behinderten im Flugbetrieb bis hin zur Einbeziehung der Guiding Principles in die öffentliche Beschaffung reichte. Für die unter Vorsitz von Margaret Jungk vom Danish Institute for Human Rights im November 2011 eingerichtete UN-Arbeitsgruppe wird es dabei zunächst vor allem auch darum gehen, den Wildwuchs an Umsetzungsaktivitäten der Guiding Principles unter Kontrolle zu bekommen.

So begrüßenswert es ist, dass eine Vielzahl an Akteuren und Stakeholdern auf allen Ebenen die Umsetzung der Guiding Principles vorantreiben will, ist die Gefahr jedoch groß, dass viele der Umsetzungsaktivitäten nicht den Guiding Principles entsprechen. Bestes Beispiel dafür sind die im März 2012 von Unicef, dem Global Compact und Save the Cildren vorgelegten „Children‘s Rights and Business Principles“, die sich auf die Guiding Principles berufen, den Verantwortungsbereich der Unternehmen aber über die Guiding Principles hinaus ausweiten.

Alle Säulen einbeziehen

In der Anhörung der UN-Arbeitsgruppe im Januar hat darüber hinaus der Internationale Arbeitgeberverband (IOE) für die Wirtschaft ganz deutlich gemacht, dass sich die Aktivitäten der UN-Arbeitsgruppe nicht allein auf die zweite „Respect“-Säule bezüglich der Verantwortung der Unternehmen reduzieren darf, sondern alle drei Säulen gleichermaßen adressieren muss und insbesondere auch auf die Aufgabe des Staates, die Menschen auf seinem Territorium vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen, fokussieren muss.

Dabei kann es freilich nicht darum gehen, dass der Staat die Geschäftstätigkeit von Unternehmen durch bürokratische Anforderungen wie CSR-Berichterstattungspflichten oder die Überfrachtung der öffentlichen Beschaffung durch CSR-Kriterien erschwert, sondern darum, dass die grundlegenden Menschenrechts- und Sozialstandards weltweit besser um- und vor allem auch durchgesetzt werden.

Die UN-Arbeitsgruppe wird während ihrer Sitzung vom 26. bis 30. November 2012 eine öffentliche Konsultation durchführen. Vom 4. bis 5. Dezember 2012 wird darüber hinaus in Genf ein „UN Forum on Business and Human Rights“ stattfinden, in dem insbesondere auch Unternehmen die Gelegenheit gegeben werden soll, über ihre Erfahrungen bei der Umsetzung der Guiding Principles zu berichten. Die Tatsache, dass sie in die überarbeiten OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und in die ISO 26000 integriert wurden, erzeugt dauerhafte Ausstrahlwirkung. Gerade im Bereich der mittelständischen und exportorientierten Wirtschaft ist der Bedarf diesbezüglich groß.

Hilfe und Unterstützung

Darüber hinaus ist es wichtig, dass bei der Umsetzung der Guiding Principles auf deutscher und europäischer Ebene nicht neue bürokratische Regelungen für die Unternehmen geschaffen werden. Stattdessen sollte der Fokus bei der nationalen und europäischen Umsetzung auf Hilfe und Unterstützung liegen, besonders auch für kleine und mittlere Unternehmen (z.B. Informationen über bestimmte Regionen und über die Umsetzung der Guiding Principles). Darüber hinaus muss eine besondere Aufmerksamkeit den Staaten gelten, die nicht in der Lage sind, die Menschenrechte effektiv genug um- und durchzusetzen. Diesen muss durch mehr, bessere und koordinierte technische Unterstützung dabei geholfen werden, die entsprechenden juristischen und behördlichen Strukturen aufzubauen.

Grundlage der Diskussionen zur Umsetzung der Guiding Principles muss das Verständnis sein, dass Unternehmen nicht das Problem, sondern Teil der Problemlösung sind; dass die Wirtschaft die Quelle für Beschäftigung, Wachstum und Armutsbekämpfung ist und durch ihre Geschäftstätigkeit zur Verbreitung von Menschenrechten beiträgt. Der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan stellt dazu fest: „Es ist das Fehlen und nicht das Vorhandensein von breit angelegten wirtschaftlichen Aktivitäten, die für das Leiden eines beträchtlichen Teils der Menschheit verantwortlich ist.“

Autor/in: Matthias Thorns, ist Senior Adviser beim Internationalen Arbeitgeberverband (IOE) in Genf (thorns@ioe-emp.org).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2012, Seite 22

 
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