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Büro der Zukunft

Wie läuft es besser?

Doppelarbeit, umständliche Abläufe und überflüssige Tätigkeiten: Studien zeigen, dass es bei der Effizienz im Büro Steigerungspotenzial gibt. Welche Ansätze gibt es?

Fast die Hälfte der Erwerbstätigen arbeitet in Deutschland im Büro. Doch anders als im Produktionsbereich, wo in den letzten Jahrzehnten durch Automatisierung und Effizienzsteigerung erhebliche Potenziale gehoben wurden, sei in den Büros davon weniger zu spüren. Dieses harsche Urteil fällt zumindest die Studie „Information Work 2009“, die im Zuge des Verbundprojektes „Office 21“ erarbeitet wurde. Federführer bei diesem Forschungsvorhaben, das die Bürotrends der Zukunft erforscht, ist das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart.

In den 1990er Jahren gab es eine Reihe von Ansätzen zur Neugestaltung der Bürowelt, beispielsweise flexibles Büro (Kombination aus Büro- und Heimarbeit), Desk-Sharing (mehrere Mitarbeiter teilen sich einen Schreibtisch) oder Hotelling (Mitarbeiter arbeiten an den Schreibtischen, die gerade frei sind). „Erst jetzt fassen sie langsam in der Breite Fuß“, sagt Stefan Rief, Leiter des Competence Centers Workspace Innovation am IAO. Früher waren eher die Unternehmer die treibende Kraft, wenn es um Ansätze des sogenannten non-territorialen Arbeitens ging (Abschied vom personengebundenen Büroarbeitsplatz). Die Betriebe wollen damit die verfügbare Büroflächen und Schreibtische effizienter nutzen. Nun sieht Rief wachsenden Druck von anderer Seite: „Die Mitarbeiter fordern mehr Flexibilität, um ihre individuellen Lebensentwürfe umsetzen zu können.“

Nach wie vor hängt es maßgeblich von der Branche, dem jeweiligen Unternehmen sowie den individuellen Aufgaben eines Mitarbeiters ab, ob und wie viel ein Beschäftigter „multi-lokal“ arbeiten kann. Für Außendienstler wird es naturgemäß eher die Regel als die Ausnahme sein, zumal das technische Equipment wie Notebook, Tablet oder Smartphone sowie sichere Leitungen zum Firmennetzwerk mittlerweile Standard sind. Die Frage der zeitlichen und räumlichen Entkopplung vom betrieblichen Büroalltag („wo arbeite ich wann?“) müsse vom Mitarbeiter gemeinsam mit seiner Führungskraft geklärt werden, unterstreicht Rief.

Andere Effizienzsteigerungen ergeben sich aus der Art der Arbeit: So hat das FAO festgestellt, dass die Arbeit an drei Bildschirmen oder an einem großformatigen digitalen Display um bis zu 30 Prozent produktiver sein kann als die Arbeit an nur einem kleinen Standardbildschirm. Denn bei Tätigkeiten, bei denen mehrere Quelldokumente nötig sind, hat man mehrere Informationen und Dokumente parallel im Blick und kann sie schneller weiterverarbeiten.

Neue Büroformen

Andere Aspekte sind eher innenarchitektonischer Art: Einzelbüros für konzentriertes Arbeiten, Kreativkojen für interdisziplinäres Teamwork sowie Räume für Pausen und Erholungsphasen gewinnen an Bedeutung. Die hierarchische Büroordnung – äußerlich gekennzeichnet durch Zimmer- und Schreibtischgröße oder Anzahl der Fenster – beginnt sich aufzulösen. Denn die Aufgaben eines Büroarbeiters verlieren ihren standardisierten Charakter, in den Vordergrund gelangen neuartige Aufgabenstellungen, die es so in einer Abteilung noch nicht gab oder die eine neue Komplexität mit sich bringen. Dazu zählen z.B. knifflige Aufgaben, die abteilungsübergreifende Koordination und Abstimmung sowie ein hohes Maß an Kommunikation nötig machen.

Am Abklingen ist nach Beobachtung Riefs der Trend zum offenen Büroarbeitsplatz mit vielen Kollegen darum herum. Es ist wieder mehr Ruhe vonnöten, weil an zahlreichen Schreibtischen neue Technologien Einzug gehalten haben wie Video- oder Telefonkonferenzen, Internet-Telefonie via Skype, Spracherkennung bei Büroarbeiten (z.B. Schreiben von Briefen oder E-Mails). Dabei würden sich Kollegen gegenseitig stören, die zu eng aufeinander sitzen, zudem würde die Spracherkennung durch Nebengeräusche beeinträchtigt. Deshalb entwickelt das IAO Konzepte für die konkrete Ausgestaltung von Büroarbeitsplätzen: Wie kann beispielsweise ein „digitaler Projektraum“ (abteilungsgreifende Zusammenarbeit von Projektteams in einem Raum – unterstützt durch neueste Kommunikationstechnik) oder eine „Denkzelle“ aussehen, die ruhiges und konzentriertes Arbeiten ermöglicht und sich vielleicht die Arbeitsatmosphäre einer Uni-Bibliothek zum Vorbild nehmen kann.

Viele der bestehenden Konzepte für die Büros der Zukunft funktionieren heute schon. „Wir müssen aber konsequent sein und nicht nur Bürofläche einsparen, sondern auch die nötigen Budgets zur Ausgestaltung der Flexibilität in die Hand nehmen“, sagt der Arbeitsplatzforscher. Denkbar seien auch „Arbeitscamps“, bei denen Büroarbeiter in der Nebensaison einmal ein paar Wochen von der Ostsee oder der spanischen Küste aus arbeiten können. Denn wer fünf Jahre in einem Team gearbeitet habe, wisse, wie Kollegen und Chefs ticken. Es könne in Zukunft auch nicht sein, dass man den Job komplett an den Nagel hängen muss, um beispielsweise seine Eltern zu pflegen.

Kampf um Fachkräfte

Der Veränderungsdruck in der Bürowelt geht auch deshalb immer stärker von den Beschäftigten aus, weil sich die Unternehmen angesichts des demografischen Wandels und des sich abzeichnenden Fachkräftemangels als attraktive Arbeitgeber präsentieren müssen. Die Mitarbeiter und potenzielle Bewerber schauen nicht mehr nur auf Vergütung, Karriereperspektiven und Image, sondern zunehmend auch auf Möglichkeiten, um Arbeit und Freizeit individueller gestalten und besser vereinbaren zu können.

In der „Arbeitswelt 4.0“, einem neuen Szenario, das vom IAO gerade ausgearbeitet wird, geht es um weitere Formen der Flexibilisierung, die gleichermaßen auf die individuellen Lebensentwürfe der Mitarbeiter und auf neue Anforderungen von Führungskräften und Personalabteilung abgestimmt sind. „Nicht jeder kann gleich erfolgreich mit der Freiheit in einem Home Office, einem Co-Working Center oder an anderen Orten umgehen“, so Rief. Die neue Arbeitswelt sei „kein Wunschkonzert“. Egal, ob es um neue Licht- oder Farbkonzepte geht – am Ende komme es darauf an, Effizienz und Effektivität zu steigern.

Eine andere Antwort gibt der Verband für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung (Refa), der 1924 als „Reichsausschuß für Arbeitszeitermittlung“ gegründet wurde und sich dem Büro der Zukunft mit Daten nähert, die individuell in den Betrieben erhoben werden. Auch heute noch gehört die Zeitmessung von einzelnen Tätigkeiten zu den Schwerpunkten des Vereins, auch wenn die eingesetzten Methoden deutlich komplexer geworden sind, als nur bestimmte Produktionsprozesse mit der Stoppuhr zu begleiten.

Aktuelle Trends

Zu den aktuellen Trends gehört eine Verschiebung der Refa-Ansätze aus der Produktion hin zu Verwaltung und Büros. „Wir kommen mit unserer Refa-Tätigkeitsstrukturanalyse den Doppeltätigkeiten oder einem übertriebenen Formalismus auf die Spur“, erklärt Doris Köhler, stellvertretende Verbandschefin der Refa Bayern und zugleich u.a. für die Refa-Arbeit in Erlangen zuständig. Ihrer Erfahrung zufolge laufen Verwaltungsprozesse oftmals immer noch so kompliziert ab, dass ein Drittel der Arbeitszeit für unnötige Doppelarbeiten verloren geht. Die Faustregel, die sich aus ihrer Beratungspraxis ableiten lässt: Zehn bis 15 Prozent einer Abteilung seien zu viel an Bord und könnten eingespart oder effektiver eingesetzt werden.

Die Refa erfasst vor Ort die Tätigkeiten und Prozesse und teilt alle Arbeiten in folgende drei Bereiche ein: Kerntätigkeiten, Nebentätigkeiten und Organisatorisches (KNO). „Beim Punkt Organisatorisches werden viele überflüssige Aktivitäten aufgespürt, die durch falsche oder unergonomische Bürogestaltung zustande kommen“, erläutert Köhler. Ein Beispiel: Aufträge werden am Telefon entgegengekommen, auf einen Notizzettel geschrieben und erst später in den PC übertragen, bearbeitet und weitergegeben. Immer komplexer werden solche Ablaufanalysen durch flexible Arbeitszeitmodelle, Home Office-Lösungen oder das mobile Arbeiten von Außendienst- und Projektmitarbeitern. „Wir stellen immer wieder fest, dass höchstens 60 Prozent der Arbeitszeit für Kernaufgaben genutzt werden“, legt Köhler den Finger in die Wunde. Ihren Erfahrungen zufolge tun sich gerade kleine und mittlere Betriebe schwer, den eigenen Verwaltungsapparat von außen unter die Lupe nehmen zu lassen.

Autor/in: 
tt.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2012, Seite 44

 
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