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Flughafen Nürnberg

Luftfracht bleibt am Boden

Nur wenige reine Frachtflieger heben in Nürnberg ab. Die meisten Warensendungen werden in den Bäuchen der Passagierflugzeuge befördert oder per Lkw zu den großen Verkehrsflughäfen transportiert.

Wer mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegt, ahnt häufig nichts davon: Im Frachtraum vieler Passagierflugzeuge reisen nicht nur die Koffer der Passagiere mit, sondern oft auch Frachtgut von Unternehmen. Bis zur Hälfte des Frachtraumes einer Linienmaschine kann mit Luftfracht bestückt sein. Gerade für Regionalflughäfen wie Nürnberg ist diese Möglichkeit der „Beiladung“ eine gute Möglichkeit, im internationalen Frachtverkehr mitzumischen. „Die Luftfracht hat sich auch am Standort Nürnberg deutlich verändert“, erklärt Flughafen-Sprecher Reto Manitz. „Wir erleben Beiladung in Passagiermaschinen in zunehmendem Maße.“ Fluggesellschaften wie Air Berlin und Turkish Airlines machen mit der Luftfracht gute Geschäfte. Die reinen Frachtflieger, bei denen keine Passagiere mit an Bord sind, spielen dagegen in Nürnberg eine eher untergeordnete Rolle. „Große Speditionen und Expressdienstleister unterhalten eigene Flugzeugflotten, die mit einem Hub-System operieren“, erläutert Manitz. Für DHL war der Nürnberger Standort bis 1998 ein regionaler Hub – also ein Verteilknoten, vor allem nach Osteuropa. Laut Manitz war die Einführung neuer Lärmschutzrichtlinien für den Flugverkehr ein wesentlicher Grund dafür, dass DHL sich aus Nürnberg zurückzog und sich in Leipzig neu aufstellte.

„Getruckte“ Luftfracht

Dennoch mischt der Nürnberger Flughafen heute im internationalen Luftfrachtverkehr mit – wenn auch häufig anders, als man es sich vorstellt: Rund 90 Prozent der dort abgefertigten Luftfracht gehen nicht direkt hier in die Luft, sondern werden „getrucked“. Das heißt, die Reise geht – unter Einhaltung strenger Sicherheitsrichtlinien – mit dem Lkw zu den großen Verkehrsflughäfen und Drehkreuzen. Der Standort Nürnberg profitiere dabei von der gut ausgebauten Infrastruktur bezüglich der Zollmodalitäten und Sicherheitsbestimmungen. Manitz gibt sich pragmatisch: „Wichtig ist, dass die Kapazitäten, die Infrastruktur und Lager vor Ort ausgenützt werden. Von wo aus die Maschinen abheben, ist letztendlich nicht so relevant.“

Steigende Tonnage in Nürnberg

Dass Luftfracht für die exportstarke regionale Wirtschaft ein wichtiges Thema ist, belegt Manitz mit dem Gesamtfrachtaufkommen, das vom Nürnberger Flughafen gestemmt wird: Knapp 100 000 Tonnen Fracht – von Sportartikeln über Maschinenbauteile bis hin zur Medizintechnik – wurden 2012 über den Flughafen Nürnberg abgewickelt. Das waren immerhin etwa 50 Prozent mehr als im Jahr 2002, als das Frachtaufkommen noch rund 65 100 Tonnen betrug. Der heutige Frachtumschlag ist auch höher als im Jahr 1997, als noch das DHL-Hub in Nürnberg angesiedelt war und insgesamt 88 800 Tonnen Fracht den Airport verließen.

Einzelcharter in der Ersatzteil-Logistik

Zehn Prozent des Aufkommens, das heute direkt von Nürnberg aus in die Luft geht, tut dies zum überwiegenden Maße im Bauch der Passagiermaschinen. Reine Frachtmaschinen, die regelmäßig Linie fliegen, starten in relativ geringer Zahl vom Nürnberger Flughafen. Zu dominant ist hier die Rolle der großen Knotenpunkte wie Frankfurt und München. Neben den Speditionen und den Paketdiensten, die vor allem auf kontinuierliche Linien angewiesen sind, spielt aber auch ein drittes Standbein eine kleine, aber feine Rolle: Der Einzelcharter, der beispielsweise in der Ersatzteil-Logistik zum Tragen kommt

„Eine Klinik in Manaus kann nicht beliebig lange auf ein Ersatzteil für einen Computertomografen warten“, erklärt Manitz. Noch brisanter sind Stillstände am Produktionsband in der Automobilindustrie. Deshalb versenden Automobilzulieferer manchmal ein Ersatzteil per Learjet von Nürnberg aus und ein fachkundiger Techniker reist gleich mit, um das Teil beim Kunden einzubauen. Oder es wird für eine große Baumaßnahme, wie etwa ein Kraftwerk in Indien, eine komplette Anlageneinheit per Luftfracht verschickt.

„Für die Metropolregion ist es bedeutsam, dass mit dem Flughafen ein Anschluss an die Luftfracht-Infrastruktur gewährleistet ist und bleibt“, erklärt Manitz. Das sieht auch Eberhard Erdmann von der Geis-Gruppe so, die am Nürnberger Flughafen eine Zweigniederlassung mit eigenen Lagerkapazitäten unterhält, um von hier aus Exporte und Importe abzuwickeln. Für die Speditionen sei die Möglichkeit der Beiladung in Passagierflieger häufig nicht interessant, erklärt Erdmann. Zu gering seien die Ladehöhen im Frachtraum, zudem seien die Maße der Frachtstücke durch die seitlichen Ladeklappen beschränkt.

„Außerdem gehen bei der Passagiermaschine natürlich die Fluggäste und deren Gepäck vor, was zu Komplikationen bei der Planung führen kann“, erklärt Erdmann. Deswegen „truckt“ auch die Geis-Gruppe den überwiegenden Teil der Luftfracht, die in Nürnberg anfällt, vom Flughafen aus zu den großen europäischen Frachtflughäfen. „Köln spielt direkt nach Frankfurt die zweitgrößte Rolle als Frachtflughafen, den viele Frachtmaschinen ansteuern“, sagt Erdmann weiter. Neben der Konkurrenz anderer Flughäfen hätten sich in Nürnberg auch die Abmessungen der Start- und Landebahnen als limitierender Faktor für große Frachtflieger erwiesen. Der Logistik-Experte, der auch Vorsitzender im Fachausschuss Luftverkehr des Landesverbandes Bayerischer Spediteure (LBS) ist, bedauert, dass der Nürnberger Flughafen derzeit über keinen regelmäßigen Anschluss mit Frachtmaschinen der großen Airlines verfügt. Es fänden diesbezüglich immer wieder Gespräche statt.

Rudi Petrikat, Leiter des „Nürnberg Air Gateway“ des Kurier- und Express-Dienstleisters TNT, sieht dieses Manko eher nicht. „Einen voll beladenen Frachtjumbo bekommt man in Nürnberg vielleicht nicht in die Luft“, sagt er. Doch für die Boeing 737 und die liebevoll „Zigarre“ genannte Boeing 757 der TNT-Frachtflotte sei die Infrastruktur des Flughafens Nürnberg ausreichend. TNT ist derzeit tatsächlich die einzige Firma, die tagtäglich kurz vor Mitternacht eine Frachtmaschine von Nürnberg aus starten lässt.

„Die Frachtmaschinen erlauben es uns, eine große Tonnage innerhalb kürzester Zeit über die 600 Kilometer nach Lüttich in das zentrale Europa-Hub zu schaffen“, erklärt Petrikat. Die Nürnberger Maschine wird so zum Teil einer Logistikkette, die es ermöglicht, Sendungen früh um neun Uhr überall in Europa ausliefern zu können. Die Tonnagen unterscheiden sich von einem Tag zum anderen: Mitfliegen kann fast alles – von der Kleinstsendung mit wichtigen Dokumenten bis zu Einzelsendung von bis zu einer Tonne Gewicht.

Autor/in: 
sl.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2013, Seite 28

 
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