Telefon: +49 911 1335-1335

Logistik 2.0

So geht's noch schneller

Der Online-Handel stellt die Transportwirtschaft vor große Herausforderungen: Der Anteil der Pakete steigt zu Lasten des Stückgutverkehrs. Von den Logistikern werden deshalb noch höhere Flexibilität und Effizienz gefordert.

Wir brauchen mehr IT in der Logistik, um System und Prozesse beherrschbar zu machen.“ Dies unterstrich Steffen Leck von der Gruppe Optimierung der Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services (SCS) bei einem Workshop des Instituts in Erlangen. Erste Ergebnissen der aktuellen Studie „Zukunftsfähigkeit logistischer Netzwerke“, die das SCS gemeinsam mit der Universität Erlangen-Nürnberg erstellt hat, lassen folgenden Schluss zu: Projekt- und lösungsorientierte Netzwerke auf Zeit werden in der Logistik wichtiger. Denn die rasant wachsenden Online-Bestellungen der Verbraucher führen zu hohem Variantenreichtum und wachsenden Frachtmengen in der Logistik. Die Sendungsgrößen werden kleiner und die Sendungsfrequenz größer.

Beim diesjährigen „Arbeitskreis Netz“, zu dem das Fraunhofer SCS unter der Überschrift „Logistiknetzwerke der Zukunft – Anforderungen an die Service-Logistik von Morgen“ eingeladen hatte, erinnerte der Bamberger BWL-Professor Dr. Alexander Pflaum an weitere Ursachen für den zunehmenden Wettbewerb in den Logistikdienstleistungen. Dazu gehören geänderte Rechtsvorschriften, Internationalisierung, die steigenden Qualitätsanforderungen der verladenden Wirtschaft sowie die Verlagerung von wertschöpfenden Montage-Aktivitäten aus der Produktion in die Logistik.

„Kosten senken geht irgendwann nicht mehr“, konstatiert Pflaum, der zugleich Leiter des Nürnberger Zentrums für Intelligente Objekte (ZIO) ist. Daher ist aus seiner Sicht eher eine Differenzierungsstrategie zielführend, die auf den intensiven Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnologie setzt. Dazu zählt er z.B. die Radiofrequenzidentifikation (RFID) oder Datenlogger, also ein prozessorgesteuerter Speicher, der in einer Kiste Kiwis aus Australien oder Fischspezialitäten aus Japan Transportbedingungen wie z.B. die Temperatur erfasst und abrufbar macht. Mit Echtzeit-Lokalisierungssystemen lässt sich auch in großen Umschlaghallen und Depots jederzeit der aktuelle Standort eines Transportgutes ermitteln. Das „Mobile Computing“ ist für Pflaum eine wichtige Innovation, um Anwendungen und Informationen per App auf dem Smartphone verfügbar zu machen.

Sicherheit in der Logistikkette

Als ein Beispiel für neue Verknüpfungen von Transport und IT nennt Pflaum die Security Box von DB Schenker. Der geschlossene Aufbau auf einer Standardpalette lässt sich digital versiegeln und lückenlos verfolgen. Bei Manipulationsversuchen schlägt das System sofort Alarm. Die Security-Box wurde 2012 mit dem Sonderpreis für „Herausragende unternehmerische Leistungen“ vom regionalen Netzwerkdienstleister Center for Transportation and Logistics Neuer Adler e.V (C-NA) gewürdigt, weil die Sicherheit für werthaltige Güter in der Transportkette maßgeblich erhöht wurde.

Premium-Dienstleistungen

Mit solch maßgeschneiderten IT-Tools können Logistik-Dienstleister eine Mehrwert-Strategie entwickeln, die nicht auf Preiskampf und Preisschraube setzt. Der konkrete Nutzen liegt etwa in einem einfacheren Monitoring und Controlling der Transportqualität, einer einfacheren Disposition von Ressourcen für Transport-, Umschlags- und Lagerprozesse, einer flexibleren Steuerung von Warenströmen in Netzen sowie der Absicherung von Versorgungsketten gegen Diebstahl oder Produktfälschung. Mit diesem Angebot von Premiumleistungen lasse sich in bereits vorhandenen Standardnetzen die Wettbewerbsposition verbessern.

Als gelungenes Beispiel für ein technologieorientiertes Service-Engineering nennt Pflaum das neu designte Ersatzteilmanagement bei der Lufthansa für Motorenteile mit fünfstelligem Stückpreis. Hierfür wurde RFID-Technologie auf Begleitpapieren und Ersatzteilen sowie fest installierten und mobilen Lesegeräten an sensiblen Umschlagspunkten weltweit eingesetzt. Durch höhere Transparenz bei Wartung, Reparatur oder Neubeschaffung durch eine automatische Identifikation und Nachverfolgung im SAP-System konnte eine schnellere Zulieferung zum Bedarfsort und eine Bestandsreduzierung erzielt werden. „Der Return on Invest liegt bei drei bis vier Jahren“, sagte Pflaum. Zuvor verschwanden die Ersatzteile etwa nach einer Reparatur zunächst im Lager, bis sie als wieder verfügbar erfasst wurden.

Netzwerke der Zukunft

Peter Manns, Leiter Transportmanagement beim Stuttgarter Buchgroßhändler Koch, Neff & Volckmar GmbH (KNV), entwarf seine Vision eines Netzwerkes der Zukunft. Schon heute beliefert der 1829 gegründete „Bücherwagendienst“ aus einem eigenen Lagerbestand mit 500 000 Titeln rund 6500 Buchhandlungen in Deutschland sowie in der Schweiz, Österreich und Italien – in der Regel innerhalb von zwölf bis 16 Stunden. Dazu sind bereits weitere Stationen wie Fach- und Lebensmittelhandel hinzugekommen. Das Service-Spektrum wurde vergrößert: Neu sind ein Management für Mehrwegbehälter oder Regal-Services (sogenanntes Rackjobbing), bei denen die gelieferten Titel bereits nach Kundenwunsch vorsortiert sind. Selbst die Auslieferung von sieben Mio. Harry Potter-Exemplaren zum Verkaufsstart innerhalb von zwei Tage konnte logistisch bewältigt werden.

Logistik-Kooperation im Mittelstand

Um in Zukunft diese Logistikstärke noch zu verbessern, wäre ein Ausbau der regionalen Umschlagplätze nötig, wofür allerdings die kritische Menge aus dem Kerngeschäft fehle. Also stellt sich Manns vor, die eigenen Mengen mit dem Transportgut anderer Versender partnerschaftlich zu konsolidieren. Hierfür könnten zentrale Strecken und Depots gemeinsam betrieben oder die Feindistribution, Zustellung über Nacht in Buchhandlungen oder Tageszustellung zu anderen Zielpunkten bis hin zum Endverbraucher, untereinander aufgeteilt werden.

Um sein Geschäft auf eine zukunftsfähige Logistik umzubauen, ist für Manns auch die Bedienung anderer Branchen denkbar, die auf ähnliche Prozesse angewiesen sind: „Neben jeder Buchhandlung findet sich ein Spielzeuggeschäft, ein Geschenkhaus oder eine Boutique.“ Die neue Service-Logistik im Handel ist für ihn eine Kooperation der Stückgutdienstleister, egal ob Innight-Dienstleister wie KNV, Paketdienstleister (KEP) oder andere Transporteure. Für Manns gibt es zu diesem Modell in der Branche keine Alternative: „Der Kostendruck zwingt zur Konsolidierung.“

Ein anderes Modell offeriert die Elvis AG (Europäischer Ladungs-Verbund Internationaler Spediteure), die sich seit Gründung im Jahr 2006 mit zunächst elf mittelständischen Lkw-Unternehmen zum größten Netzwerk in Deutschland entwickelt hat. Heute gehören der Kooperation über 100 Mitglieder in neun Ländern mit insgesamt 176 Standorten und einer Flotte von über 12 000 Lkw an. Die mittelständische Logistik-Kooperation ist laut Gründer und Vorstand Jochen Eschborn eine Reaktion auf die großen Verlader, die ihre Einkaufsmacht für möglichst günstige Frachtraten geltend machen.

Heute schließt Elvis die Verträge mit Großkunden, organisiert die Prozesse, disponiert und gibt die Aufträge an die Mitglieder weiter und rechnet zentral ab. Mit dieser Lösung könne man zwar nie mit dem günstigen Frachtpreis anbieten, punkte aber bei anderen Aspekten, wie garantierter Laderaum, IT-Kompetenz und Transparenz bis hin zu administrativen Entlastung und Prozessoptimierung.

Egal, wie viele Mitglieder an einem Transportprozess beteiligt sind, über Elvis gibt es eine einzige Rechnung, optimiert nach den Kostenstellen des Auftraggebers. Zum Erfolg der Kooperation trage auch der neue Elvis Vario Liner bei – ein Lkw-Sattelzug, der statt standardmäßig 34 Paletten Platz für 60 bietet. Ein flexibles Regalsystem gestattet, Paletten quasi zweistöckig zu laden, wobei Informationstechnologie die korrekte Gewichtsverteilung kontrolliert.

Autor/in: 
tt.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2013, Seite 34

 
Device Index

Alle Ansprechpartner/innen auf einen Blick