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Luftfracht

Was darf an Bord?

Um Terroranschläge im Luftverkehr zu verhindern, wurden die Sicherheitsanforderungen für Frachtsendungen deutlich verschärft. Unternehmen, die als sogenannte „Bekannte Versender“ zertifiziert sind, garantieren sichere Prozesse in der gesamten Logistikkette. Von Sebastian Linstädt; Illustration: Anton Atzenhofer

Demnächst könnte es bei der Abwicklung von Luftfracht europaweit zu Verzögerungen und Engpässen kommen. Der Grund dafür sind neue EU-Bestimmungen, mit denen neue Sicherheitsstandards für die Luftfracht gesetzt werden. Nach einer Verlängerung der Übergangsfrist werden diese Richtlinien in Deutschland und 26 weiteren EU-Mitgliedsstaaten zum 28. April 2013 in Kraft treten.

Ab diesem Stichtag benötigen alle Unternehmen, die Luftfracht versenden, entweder eine Genehmigung als sogenannter „Bekannter Versender“ oder sie beauftragen ein entsprechend zertifiziertes Dienstleistungsunternehmen (einen sogenannten „Reglementierten Beauftragten“) damit, die Produkte im Sinne der Vorschriften „sicher“ zu machen.

Für Unternehmen, die Luftfracht befördern lassen, stellt sich die Frage, ob sie sich als „Bekannter Versender“ registrieren lassen sollten oder ob es für sie günstiger ist, mit Dienstleistern zusammenzuarbeiten. Laut Willibald Bittner, der bei der IHK Nürnberg für Mittelfranken für dieses Thema zuständig ist, lohnt sich eine Zertifizierung als Bekannter Versender hauptsächlich dann, wenn häufig große Mengen an Luftfracht verschickt werden. Dagegen mache es keinen Sinn, die Genehmigung zu beantragen, wenn jährlich nur wenige Pakete per Luftfracht versandt werden, so Bittner mit Verweis auf das Luftfahrt-Bundesamt (LBA), das in Deutschland für diese Thematik verantwortlich ist.

Bei der Entscheidung für eine der beiden Varianten spielt auch das gewünschte Tempo der Sendungen eine Rolle: Müssen die Frachtsendungen am nächsten Tag bereits am Bestimmungsort sein, wie etwa bei der Ersatzteillogistik? Dann sollte man über die Zertifizierung nachdenken. Oder kann eine Zeitverzögerung von ein paar Tagen hingenommen werden? Dann kann die Beauftragung eines externen Dienstleisters ausreichend sein.

Erst wenige Anträge gestellt

Grundsätzlich scheint das Interesse am Status des Bekannten Versenders bei den Firmen in Deutschland derzeit noch nicht allzu ausgeprägt zu sein: Eine Sprecherin des LBA bezifferte die erteilten Zulassungen zum Stichtag 28. Februar auf 1 264, von weiteren rund 2 400 Firmen lagen Interessenbekundungen oder unvollständige Anträge vor. 585 Anträge befanden sich Ende Februar in Bearbeitung. Zulassungen würden täglich erteilt, das LBA habe das Personal für die Bearbeitung der Anträge aufgestockt, sagte die Sprecherin.

Dennoch sei es nicht möglich, die Anträge innerhalb weniger Tage zu bearbeiten, da das Thema sehr komplex sei. Unternehmen, die sich zertifizieren lassen wollen, müssen neben einer Vielzahl von Angaben auch ein Audit des LBA bestehen. Auch zu den Kosten erteilt das LBA keine Auskunft, da der Gebührenkatalog derzeit noch ausgestaltet wird. Auf der Homepage heißt es: „Die Gebührenverordnung befindet sich zurzeit im Gesetzgebungsverfahren, wobei der Zeitpunkt deren Erlasses und Inkrafttretens noch nicht feststeht. Nicht abzusehen ist auch, ob die Gebühren gegebenenfalls rückwirkend, also auch für die vor deren Inkrafttreten erteilten Zulassungen, erhoben werden.“

Nach Bittners Erfahrungen kann der Zulassungsprozess von der Antragstellung bis zur Prüfung durchaus mehrere Monate in Anspruch nehmen – etwaige Nachbesserungen noch nicht mit einbezogen. Aber auch abseits von Kosten und Zeitaufwand muss ein Unternehmen erheblich in die Sicherheitsinfrastruktur investieren, um überhaupt eine Chance auf Zulassung zu haben. Der relativ hohe Aufwand ist möglicherweise ein Grund, warum sich von den 40 000 Betrieben, die das LBA mehrfach angeschrieben hat, erst eine verhältnismäßig geringe Zahl für den Status als Bekannter Versender interessiert.

„Warum bisher so wenige Anträge gestellt wurden, ist uns nicht bekannt“, sagte LBA-Präsident Jörg Mendel Mitte Januar in der Tagespresse. „Der Luftfrachtverkehr wird nicht zusammenbrechen, aber es könnte problematisch werden“, hieß es dort weiter. Das LBA rechnet immer noch mit einer Flut von Anträgen der „Spätentschlossenen“, deren Bearbeitung sich dann natürlich entsprechend in die Länge ziehen könnte. Immerhin seien die großen Exporteure unter den deutschen Firmen praktisch alle bereits zertifiziert.

Bittner empfiehlt vor allem den Mittelständlern in der Region Nürnberg noch einmal das Gespräch mit den Speditionen zu suchen und sich einen Überblick über das Dienstleistungsangebot dieser Reglementierten Beauftragen einzuholen. Elisabeth Dietrich ist bei der international tätigen Spedition Panalpina Luftsicherheitsbeauftragte am Standort Nürnberg und verweist auf die hohen Sicherheitsstandards, die schon vor der Neuregelung für die Luftfracht gegolten haben. In den letzten Jahren habe es bereits ein Übergangsverfahren gegeben, in dem die Spediteure sogenannte Sicherheitserklärungen von allen Kunden benötigten.

Dieses Verfahren wird nun zum Stichtag 28. April hinfällig, wenn die neuen Bestimmungen in Kraft treten. Für die Panalpina, die längst als Reglementierter Beauftragter zertifiziert ist, bedeutet dies einige Änderungen: „Zunächst einmal haben wir, wie alle anderen Speditionen auch, nun zwei Warenströme in unserem System: Sichere Ware, die von Bekannten Versendern stammt, und unsichere Ware, die wir selber sicher machen müssen“, erklärt Dietrich. Nur etwa 20 Prozent der Kunden seien als Bekannte Versender zertifiziert, dabei handle es sich aber hauptsächlich um Großkunden, auf die etwa die Hälfte der bewegten Güter entfalle.

Sicherheitstechnik

Die nötige Hardware, um aus „unsicherer“ eine „sichere“ Ware im Sinne der Verordnung zu machen, steht bereits parat: Die Waren der unsicheren Versender müssen in einem Röntgengerät überprüft werden. Ist dies nicht möglich, weil etwa elektronische Bauteile vorhanden sind, wird die Ware manuell überprüft. Bei diesem Verfahren kommt außerdem ein sogenannter Sniffer zum Einsatz: Dabei handelt es sich um ein Gerät, das Sprengstoffspuren aufspüren kann. Dietrich verweist in diesem Zusammenhang vor allem auch auf den erhöhten Dokumentationsaufwand: Jeder einzelne Prüfvorgang mit Röntgen oder Sniffer muss penibel dokumentiert werden und bei den immer wiederkehrenden Überprüfungen durch das LBA vorgelegt werden.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die sogenannte sichere Kette, die natürlich auch beim Dienstleister keinen Moment unterbrochen sein darf. Dies wiederum bedeutet für Transporteure, die im Auftrag der Speditionen Luftfracht fahren, einen erheblichen Mehraufwand an Sicherheitsmaßnahmen und Schulungen für die Fahrer.

Flughafen Nürnberg ist vorbereitet

Deswegen scheint es kaum verwunderlich, wenn angesichts dieser umfangreichen Veränderungen im Luftfrachtmarkt mancher Schwarzseher mit Lkw-Staus und langen Abfertigungsschlangen rechnet. Am Flughafen Nürnberg sieht man die Lage entspannter: Die Infrastruktur in Form von Röntgengeräten und anderer Sicherheitstechnik sowie das Personal seien gemeinsam mit einem Dienstleister bereitgestellt und einsatzbereit, erklärt Flughafen-Sprecher Reto Manitz: „Mit größeren Komplikationen am Standort Nürnberg infolge der Neuregelung rechnen wir nicht.“

Die Firma Schmauser Precision GmbH aus Schwabach ist lieber auf der sicheren Seite: „Wir haben länger beraten, ob wir uns als Bekannter Versender zertifizieren sollen, und uns letztendlich dafür entschieden“, erklärt Christian Hartmann, der Sicherheitsbeauftragter bei Schmauser ist. Das Unternehmen stellt Präzisionsteile aus Metall her, u.a. sehr feine Nadeln, und bringt pro Monat rund 20 Luftfrachtsendungen auf den Weg. Tests mit den Röntgengeräten hätten ergeben, dass teilweise zusätzlich auch manuelle Kontrollen und Sniffer-Tests nötig geworden wären. „Uns erschien das Risiko zu hoch, dass unsere Produkte dabei nicht sachgemäß behandelt werden“, sagt Hartmann. Rufschädigende Regressansprüche infolge von geöffneter Ware wollte man aber unbedingt vermeiden. Zudem geht Hartmann davon aus, dass es ab April zu erheblichen Verzögerungen im Luftfrachtverkehr kommt, die man sich nicht leisten könne: „Wenn dann Luftfracht etwa für die Türkei vier Tage am Flughafen festhängt, kann ich auch gleich einen Lkw schicken.“ Auch wenn die Zertifizierung mit allen erforderlichen Umbaumaßnahmen im Betrieb und den geforderten Mitarbeiterschulungen rund 16 000 Euro gekostet habe, sei der „Bekannte Versender“ für Schmauser der richtige Weg.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2013, Seite 24

 
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