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Wahre Werte

Bewertung von betrieblichen Immobilien

Die bilanzierten Immobilienwerte nach den Vorgaben des Handelsgesetzbuchs entsprechen selten den „wahren“ Immobilienwerten. Wann ist es notwendig, die tatsächlichen Immobilienwerte anzuzeigen und wie kann dies überschlägig ermittelt werden? Von Thomas Matuschowitz

Die meisten kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland bilanzieren die Immobilien nach den Vorgaben des Handelsgesetzbuchs (HGB). Die Bilanzierung nach dem HGB ist jedoch durch das Vorsichtsprinzip und die Kapitalerhaltung geprägt.

Die Immobilienwerte (Grund und Boden, Gebäude) eines Unternehmens werden in der HBG-Bilanz deshalb maximal in der Höhe der Anschaffungs- bzw. Herstellkosten bilanziert.

In den Folgejahren erfolgt dann eine lineare Abschreibung der Gebäudeherstellkosten, der Bodenwert wird hingegen ohne Abschreibung fortgeführt. Bei einer fortschreitenden Abschreibung und bei Veränderungen der Bodenwerte kann es zu einer Differenz des Buchwerts zum Marktwert bzw. Verkehrswert der Immobilie kommen, diese Differenz wird als stille Reserve bezeichnet. Daraus ergibt sich, dass aus der HGB-Bilanz nicht auf die tatsächlichen Immobilienwerte zum Bilanzstichtag geschlossen werden kann und sollte.

Der Unternehmer sollte jedoch stets einen Überblick über die „wahren“ Immobilienwerte seiner betrieblich genutzten Immobilien haben. Dies gilt u.a. mit Hinblick darauf, dass die Kapitalgeber steigende Anforderungen an die Sicherheiten (Beleihungswerte, stille Reserven, Eigenkapitalquote) stellen. Auch wenn Veränderungen in der Eigentümerstruktur bevorstehen (Übertragungen von Betriebs- in das Privatvermögen und umgekehrt, Übertragungen in andere Gesellschaftsformen, Erbfall usw.), ist eine genaue Kenntnis der Immobilienwerte notwendig.

Internationale Rechnungslegung

Die Entwicklung der internationalen Rechnungslegung gibt einen weiteren Anstoß dafür, sich um eine stets aktuelle und fortgeführte Bewertung der Immobilien und Anlagen zu bemühen. Die Unternehmen können aus unterschiedlichen Gründen gezwungen sein, ihren „wahren” Wert anzugeben, der von den Angaben gemäß HGB abweichen kann.

Insbesondere die „International Accounting Standards” (IAS) bzw. die „International Financial Reporting Standards“ (IFRS) erfordern beim Neubewertungsmodell eine regelmäßige Offenlegung der aktuellen „Fair Values“ von firmeneigenen Immobilien und Anlagen („üblicher Marktpreis“; der deutsche Fachbegriff dafür ist „beizulegender Zeitwert“, entspricht dem Markt-/Verkehrswert).

Ermittlungsverfahren

Üblicherweise stehen für die Ermittlung des Markt- bzw. Verkehrswertes von Betriebsimmobilien die drei klassischen Verfahren Vergleichswert-, Ertragswert- und Sachwertverfahren zur Verfügung. Dazu heißt es in § 8 der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV): „Die Verfahren sind nach Art des Wertermittlungsobjekts unter Berücksichtigung der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten und der sonstigen Umstände des Einzelfalls, insbesondere der zur Verfügung stehenden Daten zu wählen; die Wahl ist zu begründen...“.

Aus Mangel an Vergleichsobjekten kommt bei der Ermittlung des Markt- bzw. Verkehrswertes von Betriebsimmobilien in der Praxis meist das Ertragswertverfahren zum Ansatz.

Das Sachwertverfahren kann ebenfalls unterstützend herangezogen werden. Der Bodenwert wird hingegen zumeist aus den Vergleichswertverfahren (Bodenrichtwerte, Vergleichspreise etc.) abgeleitet. Allen Verfahren gemeinsam ist, dass sie eine eingehende örtliche Einsichtnahme der Immobilie und eine umfassende Marktkenntnis des Bewerters im jeweiligen Marktsegment voraussetzen.

Überschlägige Berechnung

Wenn man den Markt- bzw. Verkehrswert überschlägig zum schnellen Vergleich oder zur Plausibilitätskontrolle ermitteln will, kann man die Roherträge der Immobilie auch mit dem Rohertragsvervielfältiger multiplizieren (auch Makler-Methode, Multiplier etc. genannt).

Der Rohertrag ergibt sich aus den Erträgen, die bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung und zulässiger Nutzung marktüblich erzielbar sind (Formel: Miete pro Quadratmeter mal Mietfläche). Bei Vermietungen zu marktüblichen Konditionen kann der Rohertrag aus den vertraglichen Vereinbarungen (Vertragsmiete bzw. -pacht) entnommen werden.

Der Rohertragsvervielfältiger wird in der Regel von den örtlichen Gutachterausschüssen für Grundstückwerte aus empirischen Untersuchungen abgeleitet und veröffentlicht. So publiziert beispielsweise der Nürnberger Gutachterausschuss in seinem jährlich erscheinenden Grundstücksmarktbericht die Rohertragsvervielfältiger für produzierendes Gewerbe, Lagergebäude und weitere Grundstücksarten.

Aus der Tabelle (siehe Seite 64) lässt sich ableiten, dass in den letzten Jahren die Werte von Immobilien für das produzierende Gewerbe (betriebliche Immobilien/Betriebsimmobilie) stagnierten bzw. nur leicht zugelegt haben. Das moderate Plus ist insbesondere auf die leicht angestiegenen marktüblichen Mieten für Produktions-, Lager und Technikflächen zurückzuführen.

Allerdings bleibt die Wertentwicklung von betrieblichen Immobilien weit hinter den starken Zuwächsen bei anderen Marktsegmenten, wie z.B. bei Wohn-immobilien, zurück. Mittelfristig dürfte sich an diesem Trend nichts ändern.

Ein laufender Überblick über die aktuellen „wahren“ Werte der betrieblichen Immobilien ist für das Unternehmen wichtig und wird zukünftig an Bedeutung gewinnen (erhöhte Anforderungen an Sicherheiten, Veränderungen in IAS/IFRS etc.). Eine Hilfestellung können von der Industrie- und Handelskammer öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige bieten.

Autor/in: Thomas Matuschowitz, ist Partner der DuE WertConsult Dumke & Edenharter Partnerschaft in Nürnberg sowie öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken (www.duewertconsult.de).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2013, Seite 64

 
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