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Leerstände im Einzelhandel

Neue Wege gefragt

Alteingesessene Fachgeschäfte müssen sich in den Innenstädten gegen weltweit agierende Filialisten behaupten. Auch die Konkurrenz durch Online-Händler macht dem Einzelhandel zunehmend zu schaffen.

Der Einzelhandel steht vor bedeutenden Umwälzungen. Der Kampf um den Kunden und sein Geld wird härter.“ – Auf diese Quintessenz lässt sich der Studie „Einzelhandel im Wandel“ verdichten, die das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) vor Kurzem veröffentlicht hat.

Die Publikation analysiert, welche Herausforderungen die Branche in Deutschland zu meistern hat: Demografische Faktoren, veränderte Gewohnheiten und Ansprüche der Verbraucher, verschärfter Wettbewerb sowie die Entwicklung der Einkommen und Konsumausgaben sorgen weiterhin dafür, dass den Einzelhändlern ein rauer Wind entgegenweht.

Dabei hat die Lage in dieser Branche unterschiedliche Facetten: Während auf den Shopping-Meilen der Großstädte die Kunden in Konsumtempel pilgern, stehen in weniger frequentierten Lagen Läden leer.

Häufig sind alteingesessene Fachgeschäfte aus den Innenstädten verschwunden und haben national und weltweit agierenden Filialisten und Franchise-Unternehmen Platz gemacht. Gleichzeitig boomt der Internethandel: Zwischen 2002 und 2012 haben sich die Umsätze über diesen Vertriebskanal von acht auf 29,5 Mrd. Euro gesteigert. Der Anteil des E-Commerce am gesamten Einzelhandelsumsatz in Deutschland liegt damit inzwischen bei knapp sieben Prozent (2002: zwei Prozent).

Weil auch in den nächsten Jahren mit stagnierenden Realeinkommen zu rechnen ist, werden die Umsätze im Einzelhandel nicht markant steigen. Hinzu kommt: Der Teil der privaten Konsumausgaben, der in den Einzelhandel fließt, ist rückläufig.

Stattdessen reißen die Ausgaben für Wohnen und Energie immer größere Löcher in die Haushaltskassen. Der potenzielle Umsatz-Kuchen wird also auf absehbare Zeit nicht größer, sodass der Kampf um seine dicksten Stücke mit harten Bandagen ausgetragen wird. Gemessen an Marktanteilen zählt der nicht-filialisierte Fachhandel zu den Verlierern dieses Strukturwandels: Auf diese Betriebsform entfiel 2002 ein Marktanteil von 28 Prozent; 2012 waren es noch rund 20 Prozent.

In die Statistik-Kategorie „nicht-filialisierter Fachhandel“ fallen die mittelständischen, in der Regel inhabergeführten Betriebe, die häufig seit Generationen die Zentren in Klein- und Mittelstädten geprägt haben.

Nach Berechnungen des Bezirksverbandes Mittelfranken des Handelsverbandes Bayern erwirtschafteten die rund 7.900 Verkaufsstellen in Mittelfranken 2012 einen Umsatz von 9,4 Mrd. Euro – zwei Prozent mehr als im Vorjahr. Hinter diesem aggregierten Wert steckt eine sehr heterogene Stimmungslage: Insbesondere Betriebe in den Klein- und Mittelständen weisen tendenziell schlechtere Ergebnisse aus. „Sollte dieser Trend weiter anhalten, droht den Klein- und Mittelstädten die Verödung“, warnt Uwe Werner, Geschäftsführer des Handelsverbandes Bayern (HBE) in Mittelfranken.

Was kann der örtliche Einzelhandel tun, um sich diesem Trend entgegenzustemmen? Wilfried Weisenberger antwortet ohne Zögern: „Auf keinen Fall wie das Kaninchen vor der Schlange in eine Angststarre verfallen, sondern sich auf seine Stärken besinnen“. Als Geschäftsführer der in Fürth ansässigen SK Standort & Kommune Beratungs GmbH ist Weisenberger mit dem Themenfeld Standort, Einzelhandel und Innenstadt(wieder)belebung in der Region vertraut.

Beispielsweise hat Weisenberger den „Expertenkreis Innenstadt“ in Ansbach angeleitet und ist seit 2005 in Feucht als Moderator des Ortsmarketingbeirats aktiv. In Roth hat SK Standort & Kommune das City-Management übernommen.

E-Commerce bedeutet für Weisenberger nicht das Ende des stationären Einzelhandels, sondern „eine neue Innovationsrunde im jahrhundertelangen Spiel des Strukturwandels im Handel.“ Zwar nimmt der Onlinehandel zu, aber vier Fünftel der Einkäufe werden weiterhin im Laden getätigt.

Hier zeichnet sich ab, dass die A-Lagen in den Großstädten immer mehr zu Showrooms werden. Diese Entwicklung bietet durchaus Chancen: „Einzelhändler in Nebenlagen und in kleineren Orten können ihre Individualität ausspielen“, betont Weisenberger.

Gemeinsam Wege zu diesem Ziel zu finden, steht auf der Agenda der Projektgruppe „Wo drückt der Schuh im Handel“ der Industrie- und Handelskammer Nürnberg. Hier arbeiten regionale Betriebe an Strategien zur Positionierung des stationären Einzelhandels.

Im Kern geht es darum, die Vorzüge auszubauen und zu betonen, mit denen die Läden der realen gegenüber der virtuellen Welt punkten können: Zu diesen Alleinstellungsmerkmalen gehören vor allem persönliche Kommunikation und Beratung, individueller Service, Sinnes-Eindrücke sowie die Möglichkeit, Einkaufserlebnisse zu inszenieren.

An diesen Hebeln setzen bereits einige Maßnahmen an: Zum Beispiel bietet die HBE-Geschäftsstelle in Mittelfranken Kommunikationskurse, in denen das Verkaufspersonal die Kunst des Small Talks übt. „Es kommt darauf an, das Beziehungsgeflecht zwischen Händler und Kunden zu stärken“, betont Uwe Werner. Natürlich spielt dabei auch die Beratungskompetenz eine wesentliche Rolle, denn es gibt nach wie vor eine kaufkräftige Klientel, die bereit ist, für Know-how und Service ein paar Euro mehr zu bezahlen.

Um das Dienstleistungsprofil seiner Mitgliedsbetriebe zu schärfen, vergibt der Handelsverband Bayern das Qualitätszeichen „Generationenfreundliches Einkaufen“. Diese Auszeichnung erhalten Geschäfte, in denen der Einkauf für Kunden aller Altersgruppen, Familien, Singles und für Menschen mit Handicap angenehm und barrierefrei ist.

Trotz solcher Gegenstrategien wird bezweifelt, ob der örtliche Einzelhandel abseits der Großstädte der Konkurrenz der Shopping-Center und des Internets standhalten kann, zumal vor dem Hintergrund des demografischen Wandels. Wilfried Weisenberger plädiert dafür, dieses Schlagwort genau zu hinterfragen und warnt vor pauschaler Schwarzmalerei: In den meisten Mittelzentren in Mittelfranken werde der Bevölkerungsrückgang in den nächsten zehn Jahren lediglich bis zu drei Prozent betragen; die Einwohnerzahl von Städten mit guter Verkehrsanbindung dürfte sogar stabil bleiben.

Für den Geschäftsführer von SK Standort & Kommune ist es außerdem kein Automatismus, dass Pendler ihre Einkäufe überwiegend am Arbeitsort tätigen. „Nicht alle streben zum Shoppen in die Großstadt, wenn am Wohnort das Angebot und der Service in den Geschäften passt“, betont Weisenberger. Ein weiterer Faktor für das Einkaufsverhalten von Pendlern sei die emotionale Bindung: „Wer seinen Wohnort nicht als Schlafstatt betrachtet, sondern als Heimat, ist eher bereit, beim örtlichen Einzelhandel einzukaufen.“

Eine solche Identifikation zu schaffen, sei eine Herausforderung für kleine und große Kommunen, erklärt Weisenberger: „Sie müssen gemeinsam mit ihren Bürgern die Liebenswürdigkeit und damit die Aufenthaltsqualität der Ortszentren entwickeln und pflegen.“

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2013, Seite 50

 
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