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Green Building

Wer ist der Grünste im ganzen Land?

Beim Bau von Gewerbeimmobilien spielte der Aspekt der Nachhaltigkeit lange Zeit keine durchschlagende Rolle. Das hat sich geändert: In Deutschland ist vielerorts sogar ein Wettbewerb um das „grünste“ Gewerbegebäude entbrannt.

Heizen mit Geothermie, ausgeklügeltes Klimaanlagen-System und Solarmodule auf dem Gebäudedach und an Teilen der Fassade: Das sind nur einige der technischen Finessen des Green Building, das derzeit im Nürnberger Bürokomplex „FrankenCampus“ entsteht und das Ende des Jahres bezugsfertig sein soll.

Das Gebäude ist ein Gemeinschaftsprojekt der Immobilien-Gruppe KIB und der UmweltDirektInvest-Beratungsgesellschaft mbH (UDI) in Nürnberg, die in der Region zu den Pionieren und den führenden Anbietern für ökologisch motivierte Kapitalanlagen gehört.

„Die Realisierung erfolgt nach neuesten Erkenntnissen der Energieeffizienz“, erklärt UDI-Geschäftsführer Georg Hetz. „Das lohnt sich dreifach: für die Umwelt, für den Mieter, aber auch für die Investoren.“ Deshalb wird er mit seinem Unternehmen auch selbst in das Gebäude an der Frankenstraße einziehen, das auf sechs Geschossen rund 4 500 Quadratmeter Bürofläche umfassen wird.

Das Gebäude steht für einen Bewusstseinswandel beim Bau von prestigeträchtigen Gewerbeimmobilien: Heute ist in diesem Bereich die Betonung des Aspekts der Nachhaltigkeit gang und gäbe, dies war bis vor wenigen Jahren in dieser Breite noch nicht der Fall. Zwar genießt alles, was „ökologisch“ ist, ein hohes Maß an politischer, ökonomischer und medialer Wertschätzung, doch beim nachhaltigen Bauen besteht hierzulande nach Expertenmeinung nach wie vor Nachholbedarf.

Zwar schmücken mittlerweile deutschlandweit Abertausende von Solarpanels die Dächer zwischen Kiel und Rosenheim, aber was bei Gebäuden über die Themen Energieeinsparung und Nutzung regenerativer Energien hinausgeht, wollte hierzulande nicht so recht verfangen.

Mittlerweile hat die Nachhaltigkeit im Bau von Gewerbeimmobilien Trendpotenzial, weil in relativ kurzer Zeit ein regelrechter Wettbewerb um das „grünste“, das am nachhaltigsten geplante Bauobjekt entbrannt ist. Je repräsentativer das Projekt, je renommierter die Investoren oder die Unternehmen, die es beziehen, umso stärker offenbar das Bedürfnis, sich durch Nachhaltigkeit auszuzeichnen.

Die Messlatte beim Kräftemessen in der Disziplin Sustainability liefert dabei die Zertifizierung der Gebäude. Auch hier hat sich Deutschland – eigentlich Weltmeister bei Prüfung und Zertifizierung – erst spät etabliert. International spielt man bei der Vergabe von Zertifikaten bis heute kaum eine Rolle; national änderte sich das erst mit der Gründung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) im Jahr 2007.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der US-amerikanische LEED-Standard („Leadership in Energy and Environmental Design“) einen Markt im Griff, der in Deutschland vorwiegend auf die Zertifizierung prestigeträchtiger Gewerbeimmobilien mit internationaler Ausstrahlung beschränkt war.

Die DGNB hat es relativ schnell geschafft, diese Lücke zu besetzen, zumal die Zertifizierungskriterien, deutsche Gründlichkeit widerspiegelnd, erheblich breiter gefasst sind, als die des stärker standardisierten LEED. So hat es die DGNB im mittlerweile umkämpften deutschen Markt auf einen Marktanteil von rund 80 Prozent gebracht.

Klassischen LEED-Kriterien wie „Ökologie“, „Energie“ und „Lebensqualität“ fügt sie weitere Aspekte wie „Technik“, „Prozessqualität“ oder – mit hoher Gewichtung – „Ökonomie“ hinzu. Wo die DGNB bewertet, tut sie dies tatsächlich nachhaltig: Die Zusammensetzung der Raumluft, Lärmaspekte, der Energieverbrauch, sogar die Wirtschaftlichkeit eines Gebäudes (im Sinne eines guten Kosten-Nutzen-Verhältnisses) werden eingeschätzt und vom Auditor bewertet.

Zertifizierung bringt Vorsprung

Dass hier nicht der Trend alleine zählt, lässt sich am Preis erahnen. Unabhängig von den Mehrkosten, die nachhaltiges Planen und Bauen in der Regel mit sich bringen, sind Zertifikate mit einem Preis von rund 0,5 Prozent der Gesamtbaukosten kein Schnäppchen. Dass Investoren wie Unternehmen hier gleichermaßen auf den Zug aufspringen, hat nicht nur PR-Wert, sondern durchaus handfeste Gründe.

So bescheinigen US-Studien (Fonds Media, 2010) LEED-zertifizierten Gebäuden rund zehn Prozent höhere Verkaufserlöse. Bei „grünen“ Gebäuden lag der Anteil bei 7,5 Prozent, die Mietauslastung erhöhte sich um 3,5 Prozent bei durchschnittlich drei Prozent höheren Mieten. Studien neueren Datums verzeichnen noch höhere Verkaufserlöse und Renditen.

Peter Becker von der Münchener Conject AG sieht auf seinem Blog unter www.conjectblog.de ähnliche Entwicklungen auch für den deutschen Markt voraus. Er schreibt: „Zwar haben wir hier noch keine vergleichbare Datenbasis vorliegen, aber auch in Deutschland hat das Thema stark zugelegt.

Schon vor einigen Jahren hatte im Rahmen einer Studie von Drees und Sommer die Mehrzahl der teilnehmenden Immobilien-Fachleuten prophezeit, dass Gebäude ohne einen Nachweis von Nachhaltigkeit bald nicht mehr gewinnbringend vermarktet werden können. Und zuletzt hatte Roland Berger 2010 festgestellt, dass Mieter durchschnittlich 4,5 Prozent höhere Mieten für nachhaltige Gebäude zahlen.“

Dass es bei Zertifizierungen im Gewerbereich auch eine Nummer kleiner geht, zeigt die Coplan AG, ein Ingenieur-Dienstleister mit Stammsitz im niederbayerischen Eggenfelden und einer Niederlassung in Nürnberg. Dort riskierte man, rein technisch gesehen, deutlich mehr, da man nicht auf der grünen Wiese plante, sondern auf bestehende Bausubstanz zurückgriff.

So ließ sich Coplan zwischen Juli 2010 und Dezember 2011 den Umbau einer historischen Scheune (Schlossökonomie Gern) zum neuen Firmensitz zertifizieren und wich selbst dann nicht vom Plan ab, als das Gebäude zwischenzeitlich vom Einsturz bedroht war.

Scheune und angrenzender Neubau wurden am Ende komplett schadstofffrei gehalten; Ansprüche hinsichtlich Energieeffizienz, Schonung von Ressourcen, Raumklima und Schallschutz konnten erfüllt, die Kriterien für das „Zertifikat in Silber“ allesamt erfüllt werden.

Dass auch beim Ingenieurdienstleister das Bewusstsein für Ökologie und Marketing Hand in Hand gehen, will Coplan-Vorstand Dr. Martin Steger gar nicht verhehlen: „Natürlich sind wir, was nachhaltiges Bauen betrifft, Überzeugungstäter. Für uns als Ingenieure waren Bau und Sanierung unseres neuen Firmensitzes eine technische Herausforderung. Und natürlich wollten wir dabei uns und unseren Kunden beweisen, das wir das, was wir nach außen propagieren, tatsächlich auch beherrschen.“

Autor/in: 
Markus Kemminer
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2013, Seite 72

 
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