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Mindestlohn

Wie wird gerechnet?

Illu_WiM_2014_12_Original © Anton Atzenhofer

Ab 1. Januar 2015 gilt der gesetzliche Mindestlohn von zunächst 8,50 Euro brutto je Stunde. Die Unternehmen müssen zahlreiche Details beachten. Von Christof Kühl und Dr. Sebastian Eibner; Illustration: Anton Atzenhofer

Das Mindestlohngesetz (MiLoG) gilt für Arbeitnehmer, die in Deutschland beschäftigt sind – unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit oder ihrem Wohnsitz. Auch Unternehmen mit Sitz im Ausland, die Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigen, müssen den Mindestlohn bezahlen (§ 20 MiLoG). Arbeitnehmer, die einem Beschäftigungsverhältnis im Ausland nachgehen, sind dagegen nicht von dem Gesetz betroffen.

Ausgenommen vom Anwendungsbereich des Gesetzes sind nur folgende Personengruppen bzw. Tätigkeiten:

  • Auszubildende
  • Ehrenamtliche
  • Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung
  • Langzeitarbeitslose, die unmittelbar vor der Beschäftigung ein Jahr oder länger arbeitslos gemeldet waren, in den ersten sechs Monaten der neu aufgenommenen Beschäftigung
  • Praktikanten, die ein Pflichtpraktikum im Rahmen von Schule, Ausbildung oder Studium absolvieren
  • freiwillige Praktika von bis zu drei Monaten begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung, wenn nicht bereits zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Ausbildenden bestanden hat
  • freiwillige Praktika von bis zu drei Monaten, die zur Orientierung bei der Studien- und Berufswahl dienen
  • Teilnehmer an einer Einstiegsqualifizierung oder an einer Berufsausbildungsvorbereitung

Übergangsvorschriften

Tarifverträge mit Vergütungen, die noch nicht dem gesetzlichen Mindestlohn entsprechen, haben noch bis zum 31. Dezember 2017 Gültigkeit. Voraussetzung ist jedoch, dass es sich um einen Tarifvertrag handelt, der für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer innerhalb des vereinbarten räumlichen und fachlichen (branchenbezogenen) Geltungsbereichs verbindlich gemacht worden ist. Ab dem 1. Januar 2017 muss auch Arbeitnehmern, die von solchen Tarifverträgen betroffen sind, ein Mindestlohn von 8,50 Euro brutto je Zeitstunde gezahlt werden. Für Zeitungszusteller gelten besondere Übergangsregeln und eine stufenweise Einführung des Mindestlohns bis 1. Januar 2018.

Berechnung des Mindestlohns

Auf den ersten Blick scheint die Vorgabe eindeutig, dass der Mindestlohn 8,50 Euro brutto je Zeitstunde beträgt. Der Teufel steckt jedoch im Detail: Offen bleibt, ob und wenn ja welche anderen Lohnbestandteile angerechnet werden können und in welchem Referenzzeitraum ein Mindestlohn erreicht sein muss. Zudem fehlt im Gesetz eine klarstellende Umrechnungsformel für weiterhin zulässige Stück- und Akkordlöhne.

Problematisch sind vor allem Arbeitsverhältnisse, bei denen sich ein Stundenlohn von 8,50 Euro brutto erst im Wege einer Umrechnung ergeben würde, etwa beim Zusammentreffen von fixer und variabler Vergütung oder von Fixvergütung und Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs (Entscheidung vom 7. November 2013, Aktenzeichen C–522/12) können variable Vergütungsbestandteile dann angerechnet werden, wenn sie eine Gegenleistung für die reguläre Tätigkeit des Arbeitnehmers darstellen. Ähnlich urteilte auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 18. April 2012 (Aktenzeichen 4 AZR 168/10) und am 30. März 2004 (Aktenzeichen 1 AZR 85 / 03). Daher dürften ein 13. Gehalt, Provisionen oder der Stück- bzw. Akkordlohn anrechenbar sein, nicht aber andere Leistungen und Vergütungsbestandteile, die einen anderen Zweck verfolgen (z.B. Überstundenzuschläge, Vermögenswirksame Leistungen, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld oder Schmutzzulagen). Es bleibt letztlich abzuwarten, wie sich die deutsche Rechtsprechung dazu entwickeln wird. Gleichwohl sollten bestehende Vergütungsvereinbarungen generell auf einen etwaigen Anpassungsbedarf überprüft werden. Kluge ergänzende Regelungen sowie praktische Gestaltungen könnten eine Anrechenbarkeit bewirken. Auf jeden Fall muss beachtet werden: Jegliche Abweichung vom MiLoG, mit der der Anspruch auf Mindestlohn unterschritten, seine Geltendmachung beschränkt oder ausgeschlossen werden soll, ist unwirksam. Auf den entstandenen Anspruch auf Mindestlohn kann nur durch gerichtlichen Vergleich verzichtet werden.

Mindestlohn und Arbeitszeitkonten

Grundsätzlich sieht das MiLoG vor, dass die „erbrachte Arbeitsleistung“ zu entlohnen ist – unabhängig davon, ob die Arbeitsstunden innerhalb der vereinbarten Arbeitszeit oder über diese hinaus geleistet wurden. Stunden, die über die vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen, können aber auch auf ein schriftlich vereinbartes Zeitkonto eingestellt werden. Die dort eingestellten Stunden dürfen monatlich 50 Prozent der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht übersteigen (§ 2 Abs. 2 MiLoG). Welche Folgen eine Überschreitung dieser Grenze hat, ist im Gesetz allerdings nicht festgelegt.

Arbeitsstunden auf einem Arbeitszeitkonto im Sinne des MiLoG müssen spätestens innerhalb von zwölf Kalendermonaten nach ihrer monatlichen Erfassung durch Gewährung von Freizeit oder durch Zahlung eines Mindestlohnes ausgeglichen werden. Wird das Arbeitsverhältnis beendet, muss der Arbeitgeber nicht ausgeglichene Stunden spätestens in dem Kalendermonat vergüten, der auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgt.

Haftung für Subunternehmer

Das MiLoG begründet nicht nur die Pflicht des Arbeitgebers, den Mindestlohn selbst zu zahlen, sondern erklärt auch § 14 Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) für entsprechend anwendbar. Diese Regelung enthält ein spezielles Haftungssystem, das Unternehmer (Auftraggeber) auch für das Verhalten anderer Unternehmer (Auftragnehmer) in die Pflicht nimmt, die sie mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragen. Die Haftungsregelung zielt primär auf Generalunternehmer ab, die Subunternehmer einsetzen. Damit soll erreicht werden, dass auch in einer Kette aus Unternehmern die Arbeitnehmer den Mindestlohn erhalten. Wird ihnen der Mindestlohn vorenthalten, können sie ihn sofort gegenüber dem Auftraggeber ihres Arbeitgebers geltend machen, der wie ein Bürge haftet. Sie müssen sich also nicht erst auf ihren direkten Arbeitgeber verweisen lassen. Mehrere Auftraggeber haften als Gesamtschuldner.

Der Auftraggeber haftet nur für das Nettoentgelt (also abzüglich Steuern und Sozialversicherungsbeiträge). Anders als noch in der von der Bundesregierung vorgelegten Formulierung des MiLoG soll es dem Auftraggeber nun nicht mehr möglich sein, sich der Bürgenhaftung durch den Nachweis fehlender positiver Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis von dem Verstoß seines Nachunternehmers gegen die Mindestlohnpflicht zu entziehen.

Für den insolvenzbedingten Zahlungsausfall sieht das MiLoG ebenso wie das AEntG keine Regelung vor. Es ist jedoch davon auszugehen, dass auch in diesem Fall die Bürgenhaftung eintritt, sodass sich letztlich auch die Bundesagentur für Arbeit beim Auftraggeber für Insolvenzgeldzahlungen schadlos halten kann.

Mindestlohn-Kommission

Die Höhe des gesetzlichen Mindestlohns wird durch eine Mindestlohn-Kommission überprüft und angepasst – erstmals zum 30. Juni 2016 mit Wirkung zum 1. Januar 2017. Aufgrund dieser Dynamik sollten Vereinbarungen, die sich auf den Mindestlohn beziehen, nicht den derzeit festgesetzten Mindestlohn von 8,50 Euro nennen, sondern auf die gesetzliche Festlegung des Mindestlohns in § 1 MiLoG verweisen.

Zollverwaltung kontrolliert

Der Zollverwaltung obliegt die Kontrolle und Durchsetzung des MiLoG. Hierzu gewährt ihr der Gesetzgeber umfassende Einsichtsrechte in die Arbeitsverträge, in die Niederschriften nach dem Nachweisgesetz und andere Geschäftsunterlagen des Arbeitgebers. Während das Arbeitszeitgesetz den Arbeitgeber lediglich verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit aufzuzeichnen und die entsprechenden Verzeichnisse zwei Jahre aufzubewahren, sieht das MiLoG nun z.B. für das Baugewerbe und das Gaststättengewerbe sowie für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse vor, dass generell Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit aufgezeichnet und zwei Jahre aufbewahrt werden müssen.

Erweisen sich Arbeitgeber bezüglich des Mindestlohns als unzuverlässig, können sie von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden. Dies ist schon dann anzunehmen, wenn sie wegen Verstoßes gegen das Gesetz mit einer Geldbuße von mindestens 2 500 Euro belegt worden sind. Kommt ein Arbeitgeber seiner Verpflichtung, den gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen, schuldhaft nicht nach, kann sogar eine Geldbuße bis zu 500 000 Euro verhängt werden. Die gleiche Geldbuße droht in Fällen, in denen ein Auftraggeber Werk- oder Dienstleistungen durch einen anderen Unternehmer ausführen lässt, von dem er weiß, dass dieser den gesetzlichen Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig zahlt. Eine Geldbuße ist laut Gesetz auch bei fahrlässigem Nichtwissen möglich (Beispiel: Informationen werden ignoriert, die auf eine mangelnde Zuverlässigkeit des Subunternehmers bezüglich des MiLoG hindeuten.) In anderen Fällen, z.B. bei Verstößen gegen Nachweis- und Dokumentationspflichten, kommt eine Geldbuße bis zu 30 000 Euro in Betracht.

Weitere Vorschriften

Neben dem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn nach dem neuen MiLoG kann sich ein verbindlicher Mindestlohn auch aus folgenden Vorschriften ergeben:

  • Allgemeinverbindlicherklärung nach Tarifvertragsgesetz (TVG)
  • Rechtsverordnung nach Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG)
  • Lohnuntergrenze aufgrund Arbeitnehmer-Überlassungsgesetz (AÜG)

Mindestlöhne, die in diesen Vorschriften geregelt werden, gehen dem allgemeinen Mindestlohn nach dem MiLoG vor, sofern der allgemeine gesetzliche Mindestlohn nicht unterschritten wird. Eine Unterschreitung des gesetzlichen Mindestlohns ist dagegen nur bis 31. Dezember 2017 gemäß den genannten Übergangsvorschriften möglich.

Externer Kontakt:

Christof Kühl und Dr. Sebastian Eibner sind Rechtsanwälte und Fachanwälte für Arbeitsrecht bei der Beiten Burkhardt Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Nürnberg (bblaw-nuernberg@bblaw.com).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2014, Seite 32

 
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