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Mindestlohngesetz

Dringend reformbedürftig!

Mindestlohn Geld Taschenrechner Stift © jd-photodesign - Fotolia

Das neue Gesetz sorgt für Bürokratie und Unsicherheit. Kritikpunkte der Wirtschaft sind Auftraggeber-Haftung, übermäßige Dokumentationspflichten und Praktika. Von Frank Wildner

Die Wirtschaft wendet sich nicht gegen den Mindestlohn an sich, aber gegen einige auffällige Ungereimtheiten. Das hat die IHK Nürnberg bereits Ende vergangenen Jahres in einem Brief an Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles unmittelbar zum Ausdruck gebracht. Das neue Gesetz ist anhand aufwendiger Dokumentations- und Anzeigepflichten bürokratisch überfrachtet und stellt in Verbindung mit hohen Bußgeldtatbeständen und Haftungsregelungen Arbeitgeber unter Generalverdacht. Gleichzeitig lässt es die Unternehmen mit juristischen Unschärfen und fehlenden Definitionen im Unklaren, z.B. bei der Frage, welche der vielen gebräuchlichen Vergütungsarten und -bestandteile auf den Mindestlohn anrechenbar sind. Stattdessen überlässt das Regelwerk diesen wichtigen Aspekt einer schwer verständlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Europäischen Gerichtshofes, deren Kenntnis der Gesetzgeber offenbar auch bei kleinsten Unternehmen mit nur einem Arbeitnehmer voraussetzt. Angesichts der Verärgerung der Wirtschaft und der zahlreichen Unsicherheiten ist es angebracht, dass das gerade in Kraft getretene MiLoG schnellstens überarbeitet wird.

Die bayerischen Industrie- und Handelskammern haben die praktischen Probleme des Gesetzes gegenüber dem Bayerischen Arbeitsministerium benannt und wirtschaftsfreundliche Lösungsansätze aufgezeigt. Breiten Raum nimmt dabei die Auftraggeber-Haftung ein, die von der Wirtschaft als besonders änderungsbedürftig angesehen wird und bei der es insbesondere um die Einhaltung des MiLoG durch Subunternehmer geht.

Unternehmen als Bürgen

Das MiLoG sieht nämlich in Verbindung mit dem Arbeitnehmerentsendegesetz vor, dass ein Unternehmer wie ein Bürge dafür haftet, dass auch von ihm beauftragte Unternehmer, Subunternehmer oder Verleiher das vorgeschriebene Mindestentgelt an die Arbeitnehmer zahlen. Die Arbeitnehmer haben hier bei mehreren hintereinander geschalteten Nachunternehmen die Wahl, welches dieser Unternehmen sie für die korrekte Zahlung des Mindestlohns in Anspruch nehmen. Der Gesetzgeber verfolgt damit den Zweck, dass der gesetzliche Mindestlohn nicht im Wege sogenannter „Subunternehmerketten“ umgangen werden kann und die Arbeitnehmer mit jedem eingeschalteten Nachunternehmer auch einen zusätzlichen Anspruchsgegner erhalten. Nun soll derjenige das Vergütungsrisiko des gesetzlichen Mindestlohns mittragen, der durch die Weitergabe seines eigenen Auftrags an ein anderes Unternehmen eine zusätzliche Partei in die Leistungsabwicklung einbezogen hat.

Diese Grundüberlegung überzeugt nicht. Schließlich bleibt auch im Rahmen von Subunternehmerketten jedem eingesetzten Arbeitnehmer sein vertraglicher Arbeitgeber erhalten, der zur Einhaltung des MiLoG verpflichtet ist. Das Gesetz geht dagegen offensichtlich von der Annahme aus, bei der wirtschaftlich sinnvollen Weitergabe von Aufträgen gehe es in erster Linie darum, den Mindestlohn auf kreative Weise abzuwälzen. Bei konstruktiver Betrachtung könnte man aber auch die Auffassung vertreten, dass mit der inkriminierten Auftragsvergabe überhaupt erst die Basis geschaffen wird, Arbeitnehmer bei Subunternehmern beschäftigen zu können.

Es kann deshalb nicht richtig sein, diesem Kreis von Beschäftigten im Gegensatz zur überwältigenden Mehrheit der Arbeitnehmerschaft ein Exklusivrecht einzuräumen. Denn die anderen Arbeitnehmer können sich im Falle von auftragsbezogenen Lohnausfällen nicht bei den Kunden des eigenen Arbeitgebers schadlos halten, da zu diesen eben keinerlei arbeitsvertragliche Beziehungen bestehen. Klar zu stellen ist, dass die Auftraggeber-Haftung nach der Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Arbeit nicht auf Kaufverträge mit Lieferanten und Abnehmern abstellt. Sie greift danach nur, soweit der Auftraggeber Dienst- oder Werkleistungen weiterreicht, zu denen er selbst vertraglich verpflichtet ist. Beauftragt z.B. ein Produzent einen Gebäudereiniger mit der Unterhaltsreinigung von Betriebsgebäuden, wird keine eigene vertragliche Verpflichtung an den Auftragnehmer weitergereicht. Ebenso verhält es sich, wenn ein Hersteller den Bau einer neuen Werkshalle in Auftrag gibt.

Regelungsdickicht

Dennoch bleibt die Auftraggeber-Haftung für die Unternehmen mit einem großen Risiko behaftet. Insbesondere bei gemischten Verträgen, die Elemente aus Werk-, Dienst- und Kaufverträgen enthalten, lässt sich die Frage, ob die Haftung nach MiLoG greift, nicht ohne weiteres beantworten. Erschwerend tritt hinzu, dass die Haftung unabhängig vom Verschulden greift, der Auftraggeber aber nicht sicher feststellen kann, ob der Mindestlohn durch den Subunternehmer korrekt gezahlt wird. So haben Bescheinigungen von Steuerberatern nur eine Aussagekraft für die Vergangenheit, zudem können die Lohnunterlagen des Subunternehmers wegen des Datenschutzes grundsätzlich nicht eingesehen werden.

Bei dieser Ausgangslage ist verständlich, dass Auftraggeber versuchen, ihr Haftungsrisiko zu reduzieren, indem sie von Auftragnehmern Mindestlohn- und Haftungsfreistellungserklärungen einfordern. Dies führt auf beiden Seiten zu einem erheblichen Aufwand, da die Erklärungen erstellt, geprüft und verwaltet werden müssen. Ein Unternehmen aus Mittelfranken hat über 1 000 Erklärungen verarbeiten müssen. So erzeugt das MiLoG fortwährend eine für wirtschaftliches Handeln abträgliche Misstrauenskultur, die bis in langjährige Unternehmensbeziehungen hineinwirkt.

Forderungen der IHKs

Die bayerischen IHKs vertreten deshalb die Auffassung, dass die Auftraggeber-Haftung auf den Prüfstand gehört. Zumindest der Umfang der Haftung müsste klar geregelt und die Haftung verschuldensabhängig gestaltet werden. Im Bereich der Dokumentationspflichten haben sich die IHKs gegenüber der Bayerischen Staatsregierung dafür eingesetzt, dass die Verdienstgrenze, ab der die Aufzeichnungspflicht für Arbeitszeiten entfällt, von derzeit mehr als 2 958 Euro brutto auf mehr als 1 900 Euro brutto abgesenkt wird.

Ausnahmen für Kleinbetriebe und Minijobs wären sinnvoll. Außerdem sollten Arbeitsverhältnisse zwischen Ehegatten, eingetragenen Lebenspartnern und Verwandten ersten Grades vollständig von der Dokumentationspflicht befreit werden. Der IHK-Forderungskatalog umfasst ferner die grundsätzliche Anrechenbarkeit von Sachbezügen oberhalb des unpfändbaren Arbeitseinkommens. Klargestellt werden sollte auch, dass Beschäftigungszeiten, in denen ausschließlich wissenschaftliche Abschlussarbeiten angefertigt werden, als Pflichtpraktika gelten und vom Mindestlohn ausgenommen werden. Auch Schnupperpraktika nach abgeschlossener Ausbildung, die auf drei Monate begrenzt sind, sollten nach Meinung der IHKs nicht dem MiLoG unterliegen.

Autor/in: 

Frank Wildner ist Experte für Arbeitsrecht bei der IHK Nürnberg für Mittelfranken (Tel. 0911 1335-428, frank.wildner@nuernberg.ihk.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2015, Seite 18

 
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