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Prokura und Handlungsvollmacht

Immer gut vertreten?

Kann ein Unternehmensleiter nicht alle Geschäfte persönlich regeln, muss er sich von Bevollmächtigten vertreten lassen. Von Prof. Dr. Rolf Otto Seeling

Als Bevollmächtigte für rechtsverbindliche Erklärungen kommen im kaufmännischen Verkehr Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte in Betracht. Der Gesetzgeber hat im Handelsgesetzbuch (HGB) die Prokura in den §§ 48 ff. und die Handlungsvollmacht in den §§ 54 ff. geregelt.

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Bevollmächtigten ihr Unternehmen wirksam vertreten. Dies gilt sowohl im Hinblick auf den Abschluss von Verträgen wie auch im Hinblick auf den Ausspruch einseitig empfangsbedürftiger Willenserklärungen (z.B. Kündigungen). Ebenso wichtig ist eine wirksame Vollmacht für Vertreter von Geschäftspartnern, da anderenfalls beispielsweise die Unwirksamkeit von abgeschlossenen Verträgen droht. Ein Geschäftspartner kann so versuchen, sich eines unliebsamen Vertrages zu entledigen, indem er sich darauf beruft, bei Abschluss des Vertrages nicht wirksam vertreten worden zu sein.

Für die handelnden bevollmächtigten Personen ist maßgeblich, dass möglichst genau geregelt ist, in welchem Umfang sie von erteilten Vollmachten Gebrauch machen dürfen. Die Bevollmächtigung muss durch einen entsprechenden Kompetenzträger erfolgt sein. Liegt keine wirksame Bevollmächtigung vor, droht dem Handelnden eine persönliche Haftung.

Prokura

Hinsichtlich der Prokura hat der Gesetzgeber den Umfang der Vertretungsmacht zwingend festgelegt. Die Prokura erstreckt sich laut § 49 Abs. 1 HGB auf alle Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt. Eine Beschränkung dieses Umfangs ist nach § 50 Abs. 1 HGB Dritten gegenüber unwirksam. Im Verhältnis zwischen Vollmachtgeber und Prokuristen ist eine Beschränkung des Umfangs der Vertretungsvollmacht zulässig und üblich. Dritten gegenüber entfalten solche Regelungen aber keine Bindungswirkung. Beispiel: Einem Prokurist ist von seinem Vollmachtgeber untersagt, Kredite für das Unternehmen aufzunehmen. Der Prokurist hält sich jedoch nicht an diese Vorgabe und nimmt bei einer Bank ein Darlehen für das Unternehmen auf. Der Darlehensvertrag ist wirksam, da die intern vorgegeben Beschränkung dem Dritten gegenüber, also der Bank, unwirksam ist. Unabhängig hiervon verstößt der Prokurist in dem Beispiel in grober Art und Weise gegen seine Verpflichtungen und hat die rechtlichen Konsequenzen (Kündigung, Schadensersatz) zu tragen.

Wird ein Unternehmen durch einen Prokuristen vertreten, kann man sich auf die Wirksamkeit der von ihm abgegebenen Willenserklärungen im üblichen Rechtsverkehr verlassen. Man muss nur überprüfen, ob eine Einzelprokura oder eine Gesamtprokura vorliegt. Handelt es sich um eine Gesamtprokura, kann der Prokurist nur gemeinsam mit einer weiteren Person (Geschäftsführer oder weiterer Prokurist) handeln. Klarheit verschafft eine Einsichtnahme in das Handelsregister.

Handlungsvollmacht

Im Gegensatz zur Prokura kann eine Handlungsvollmacht einen unterschiedlichen Vertretungsumfang haben und wird nicht in das Handelsregister eingetragen. Über den Umfang der Vertretungsmacht eines Handlungsbevollmächtigten kann man sich also nur kundig machen, wenn man sich die ihm erteilte Vollmacht im Original vorlegen lässt. Dies ist umständlich und unüblich. Zudem bliebe zu überprüfen, ob die Vollmacht von einem entsprechenden Kompetenzträger erteilt wurde. In der Praxis ist dies kaum zu handhaben. Viele Unternehmen verlassen sich leichtfertig darauf, dass ihre Verhandlungspartner über ordnungsgemäße Vollmachten verfügen. Hier kann es ein böses Erwachen geben.

Einseitige Rechtsgeschäfte

Eine besondere Brisanz besteht bei einseitigen Rechtsgeschäften, z.B. Kündigungen. Der Empfänger der Erklärung kann die Erklärung gemäß § 174 BGB zurückweisen, wenn eine Vollmachtsurkunde nicht im Original übermittelt wurde und der Empfänger der Erklärung nicht anderweitig Kenntnis von einer wirksamen Bevollmächtigung hat. Im Falle einer Prokura greift § 174 BGB nicht, wenn das Rechtsgeschäft von dem Umfang der Prokura gedeckt ist. Die Vertretungsbefugnis ergibt sich aus dem Handelsregister. Im Hinblick auf die Handlungsvollmacht gibt es dagegen kein öffentliches Register, aus dem die Bevollmächtigung nachvollzogen werden könnte. Macht der Empfänger der Erklärung wirksam von § 174 BGB Gebrauch, ist die abgegebene Erklärung unwirksam und muss wiederholt werden. Dies kann bei fristgebundenen Erklärungen zu außerordentlichen Problemen im Falle einer Fristversäumnis führen.

Festzuhalten bleibt, dass die Prokura eine hervorragende Möglichkeit bietet, für eine angemessene Vertretung des Unternehmens zu sorgen. Geschäftspartner können sich über eine Einsichtnahme in das Handelsregister von der betreffenden Bevollmächtigung überzeugen, ohne dies zu müssen. Die Prokura bietet allen Geschäftspartnern ein hohes Maß an Rechtssicherheit, da ihr Umfang gesetzlich zwingend festgelegt und im Außenverhältnis nicht änderbar ist. Selbst wenn die Prokura bereits erloschen sein sollte, sind gutgläubige Geschäftspartner über die Regelung in § 15 Abs. 1 HGB geschützt, solange das Erlöschen der Prokura nicht in das Handelsregister eingetragen ist.

Die Handlungsvollmacht bietet keine vergleichbaren Vorteile. Sie kommt in verschiedenen Spielarten vor, wobei der Vollmachtgeber den Umfang der Vollmacht jeweils genau festlegen kann. Im Hinblick auf die Vertretung des eigenen Unternehmens ist die Handlungsvollmacht ausreichend, wenn das Rechtsgeschäft von dem Vertretungsumfang umfasst ist. Lassen sich Geschäftspartner durch Handlungsbevollmächtigte vertreten, muss der Umfang der Vertretungsmacht gegebenenfalls durch Vorlage einer geeigneten Vollmachtsurkunde nachgewiesen werden.

In einer laufenden Geschäftsbeziehung sind Vertretungsprobleme durch die Grundsätze der Duldungs- und Anscheinsvollmacht entschärft. Nimmt eine Person mit Kenntnis des Geschäftspartners immer wieder vergleichbare Handlungen vor, gilt sie nach diesen Grundsätzen als entsprechend bevollmächtigt.

Externer Kontakt:

Rechtsanwalt Prof. Dr. Rolf Otto Seeling ist Fachanwalt für Arbeitsrecht sowie für Handels- und Gesellschaftsrecht bei der Kanzlei Thorwart Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer Partnerschaft mbB in Nürnberg. Zudem lehrt er Wirtschaftsrecht an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management in Nürnberg (www.thorwart.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2015, Seite 14

 
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