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Geheimnisverrat

Der Spion im eigenen Haus

Geheimnisverrat Mitarbeiter Informationen Geheimnis © Fuse - Thinkstock.com

Wie können Unternehmen verhindern, dass Interna durch eigene Geschäftsführer oder Mitarbeiter nach außen gelangen? Von Prof. Dr. Rolf Otto Seeling

Die Soziale Marktwirtschaft kann nur funktionieren, wenn die Regeln eines fairen Wettbewerbs eingehalten werden. Beeinträchtigt wird er beispielsweise durch Wirtschaftsspionage, mit der sich Wettbewerber auf verbotene Weise Vorteile verschaffen wollen. Gefahr droht dabei nicht nur von außen, denn häufig befindet sich der „Spion“ in den eigenen Reihen.

Informationen, die für Wettbewerber interessant sind, können durch Mitarbeiter, durch Geschäftsleitungsorgane oder durch Gesellschafter nach außen gelangen – sei es während der Zeit der Zusammenarbeit oder danach.

Mitarbeiter: Für Mitarbeiter gilt ein gesetzliches Wettbewerbsverbot gemäß § 60 Handelsgesetzbuch (HGB). Deshalb muss für die Zeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht eigens vertraglich festgeschrieben werden, dass die Arbeitnehmer ihrem eigenen Unternehmen keine Konkurrenz machen dürfen. Sinnvoll kann es aber sein, eine Vertragsstrafe für den Fall zu vereinbaren, dass der Mitarbeiter gegen das gesetzliche Wettbewerbsverbot verstößt.

Häufig werden Arbeitgeber davon überrascht, dass ein wichtiger Mitarbeiter kurzfristig zu einem Wettbewerber wechseln will. Davor können sie sich bedingt durch zwei Maßnahmen schützen: längere Kündigungsfristen im Arbeitsvertrag festlegen oder ein nachvertragliches Wettbewerbsverbots für die Zeit nach dem Ausscheiden (am besten in Kombination mit einer Vertragsstrafe für den Fall des Verstoßes) vereinbaren. Dieses Verbot muss gesondert schriftlich niedergelegt werden und greift für einen vereinbarten Zeitraum – höchstens jedoch bis zwei Jahre nach Beendigung des Vertragsverhältnisses.

Der Nachteil von beiden Konstruktionen ist, dass sie unterlaufen werden können: Längere Kündigungsfristen versuchen Mitarbeiter bisweilen dadurch zu umgehen, dass sie eine außerordentliche und fristlose Eigenkündigung aussprechen, um sich vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis zu lösen. Damit sich ein Unternehmen wirksam vor unberechtigten Eigenkündigungen schützen kann, lässt das Bundesarbeitsgericht eine Vertragsstrafe zu. Für jeden Monat, den das Arbeitsverhältnis durch den Mitarbeiter rechtswidrig vorzeitig beendet wird, beläuft sie sich auf ein Bruttomonatsgehalt. Der Haken beim vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbot ist, dass der Arbeitgeber den Wettbewerbsverstoß darlegen und beweisen muss, was ihm in der Praxis oft nicht gelingt.

Geschäftsführer: Für den Geschäftsführer einer GmbH sieht das Gesetz zwar kein ausdrückliches Wettbewerbsverbot vor, aber die Rechtsprechung leitet es aus seiner sogenannten Organstellung ab. Hiervon kann der Geschäftsführer durch Beschluss der Gesellschafter befreit werden. Es ist sinnvoll und in der betrieblichen Praxis üblich, im Anstellungsvertrag des Geschäftsführers explizit ein Wettbewerbsverbot festzuschreiben. Auch hier ist zu empfehlen, für den Fall des Verstoßes eine Vertragsstrafe festzulegen. Wettbewerbsverbote, die sich auf die Zeit nach Beendigung der Geschäftsführer-Tätigkeit beziehen, müssen gesondert vereinbart werden – ebenfalls am besten in Kombination mit einer Vertragsstrafe.

Gesellschafter: Auch für die Gesellschafter einer GmbH gibt es kein gesetzliches Wettbewerbsverbot. Es kann aber aus der Treuepflicht abgeleitet werden, der alle Gesellschafter unterliegen. Das gilt in aller Regel vor allem dann, wenn ein Gesellschafter beherrschenden Einfluss hat, insbesondere wenn er die Mehrheit der Anteile hält. In den Gesellschaftsvertrag einer GmbH kann ein Wettbewerbsverbot für alle Gesellschafter aufgenommen werden, wobei auch hier die Vereinbarung einer Vertragsstrafe sinnvoll ist. Wettbewerbsverbote für die Zeit nach der Zusammenarbeit müssen – ebenfalls am besten in Kombination mit einer Vertragsstrafe – wie beim GmbH-Geschäftsführer gesondert vereinbart werden.

Weitere Rechtsformen

Für Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gibt es kein gesetzliches Wettbewerbsverbot. Für persönlich haftende Gesellschafter einer OHG oder einer KG besteht dagegen ein gesetzliches Wettbewerbsverbot
(§§ 112, 113 HGB), nicht jedoch für deren Kommanditisten (§ 165 HGB). Bei Aktiengesellschaften unterliegen die Vorstände einem gesetzliches Wettbewerbsverbot (§ 88 AktG), anders als die Aufsichtsräte und Aktionäre einer AG.

Nebentätigkeiten

Vertrauliche Informationen können auch dadurch nach außen gelangen, dass Mitarbeiter einer Nebentätigkeit für andere Unternehmen nachgehen. Grundsätzlich eröffnet das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz) dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, eine Nebentätigkeit oder sogar einen zweiten Beruf auszuüben. In vielen Arbeitsverträgen ist jedoch geregelt, dass dies der Zustimmung des Arbeitgebers bedarf. Nicht verfassungskonform und damit unwirksam sind Klauseln, die die Nebentätigkeit ohne jede Einschränkung von der Zustimmung des Arbeitgebers abhängig machen. Dagegen sind Klauseln zulässig, nach denen eine Zustimmung erforderlich ist, diese aber erteilt werden muss, wenn keine betrieblichen Belange beeinträchtigt werden.

Der Geschäftsführer einer GmbH hat grundsätzlich seine gesamte Arbeitskraft dem Unternehmen zu widmen. Nebentätigkeiten sind aber nicht per se unzulässig, sie können erlaubt werden, wenn die Gesellschafter dem zustimmen.

Verschwiegenheitspflicht

Für den Arbeitnehmer besteht eine Verschwiegenheitspflicht, die sich aus der sogenannten Schutz- und Rücksichtnahmepflicht ergibt, die jedem Arbeitsvertrag innewohnt. Das bedeutet: Der Arbeitnehmer muss auf die geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers Rücksicht nehmen und über betriebliche Interna Stillschweigen bewahren – auch wenn dies nicht ausdrücklich vereinbart wurde.

Das Grundrecht der Berufsfreiheit besagt allerdings, dass der Mitarbeiter bei einem Wechsel der Arbeitsstelle erworbene Kenntnisse mitnehmen kann. Denn gerade vorherige berufliche Erfahrungen machen ihn für neue Arbeitgeber attraktiv. Für einen Nicht-Wettbewerber darf der Mitarbeiter diese Kenntnisse immer nutzen. Soll dagegen verhindert werden, dass die Kenntnisse durch einen Wettbewerber fruchtbar gemacht werden, bleibt nur das nachvertragliche Wettbewerbsverbot. Es wird für einen bestimmten Zeitraum festgelegt, für den sich der bisherige Mitarbeiter zur Verschwiegenheit verpflichtet. Der Arbeitgeber ist im Gegenzug zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet – als Kompensation für die Einschränkung der Berufsfreiheit.

Strafbar bleibt jedoch immer der Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. Hier endet der für den Arbeitnehmer geschützte Korridor der Berufsfreiheit, es beginnt der Schutz des Unternehmens des früheren Arbeitgebers.

Für den Geschäftsführer der GmbH besteht eine allgemeine Verschwiegenheitspflicht, die sich sowohl aus der Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung als auch aus der Treuepflicht ergibt. Sie bezieht sich auf alle vertraulichen Interna der Gesellschaft und sie gilt auch ohne entsprechende Vereinbarung über die Beendigung der Amtszeit hinaus.

Wird gegen ein Wettbewerbsverbot verstoßen, besteht für das betroffene Unternehmen eine breite Palette an Möglichkeiten. Es kann eine außerordentliche und fristlose Kündigung des Vertragsverhältnisses aussprechen oder eine vereinbarte Vertragsstrafe verlangen. Es hat grundsätzlich einen Anspruch auf Schadensersatz, der aber häufig daran scheitert, dass der Schaden nur schwer zu beziffern ist. Dieser Umstand kann zumindest teilweise über eine Vertragsstrafe aufgefangen werden. Das Unternehmen kann außerdem verlangen, dass weitere Wettbewerbsverstöße unterlassen werden, und den Erlass einer einstweiligen Verfügung bei Gericht beantragen.

Strafrecht

Wenn der Verdacht auf Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen im Raum steht, kommt sogar eine Strafanzeige in Betracht. Denn ein solcher Verrat ist laut § 17 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) strafbar. Mit Geschäftsgeheimnissen sind vertrauliche Informationen des kaufmännischen Bereichs des Unternehmens gemeint (z.B. Bilanzen, Kundenlisten), Betriebsgeheimnisse betreffen dagegen geheime technische Informationen (z.B. Informationen über Herstellung oder Verarbeitung von Waren). Wer solche Geheimnisse verrät, die für ein Unternehmen existenzielle Bedeutung haben können, muss mit empfindlichen Konsequenzen rechnen. Möglich sind Geldstrafen und Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren.

Insgesamt bieten die gesetzlichen Regelungen keinen ausreichenden Schutz vor Wettbewerbsverstößen für die Zeit, in der Mitarbeiter, Geschäftsleiter und Gesellschafter im Betrieb tätig sind. Es empfiehlt sich, diese Lücken durch vertragliche Vereinbarungen zu schließen. Auch für die Zeit nach der Beendigung der Zusammenarbeit sieht das Gesetz – mit Ausnahme des Strafrechts – keine Wettbewerbsverbote oder -beschränkungen vor. Deshalb sollten sich auch hier Unternehmen durch vertragliche Vereinbarungen schützen.

Autor/in: 

Rechtsanwalt Prof. Dr. Rolf Otto Seeling ist Fachanwalt für Arbeitsrecht sowie für Handels- und Gesellschaftsrecht bei der Kanzlei Thorwart Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer Partnerschaft mbB in Nürnberg (www.thorwart.de). Zudem lehrt er Wirtschaftsrecht an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management in Nürnberg.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2015, Seite 14

 
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