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Schwan-Stabilo

Mut zur Farbe

Für „Boss“ und „Point88“ ist Stabilo populär. Nur wenige kennen das Familienunternehmen als größten Hersteller von Kosmetikstiften.

Er ist ein Mann, der sich nicht nur liebend gern über die Textur von Wimperntusche unterhält, sondern auch genau weiß, was sich Kundinnen überall auf der Welt von ihren Kosmetikstiften wünschen: Dr. Jörg Karas ist Chemiker, seit 15 Jahren bei der Schwan-Stabilo-Gruppe und führt seit einem Jahr gemeinsam mit Sebastian Schwanhäußer den Gesamtkonzern. „Es ist ein Unterschied, ob Sie einen Eyeliner hier in Mitteleuropa morgens auftragen und abends noch immer damit zufrieden sind oder ob er Ihnen bei 80 Prozent Luftfeuchtigkeit in Asien schon nach drei Stunden verläuft“, erklärt er. Ein Unterschied, auf den sich die Schwan-Stabilo-Gruppe trefflich versteht. Denn vergleichsweise lautlos hat sich das Unternehmen, das weltweit 4 400 Mitarbeiter, davon knapp die Hälfte in Deutschland, beschäftigt, einen Weltmarktanteil von 40 Prozent bei Kosmetikstiften erarbeitet. Mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes der Gruppe, der 2014 bei rund 560 Mio. Euro lag, stammt inzwischen aus dem Kosmetiksegment.

Den Ursprung der Kosmetik-Sparte bildet ein Stift aus dem Jahr 1927, mit dem Chirurgen den Schnittverlauf auf der Haut von Patienten markierten. Dass dieser Stift in den USA plötzlich, weit über die medizinische Anwendung hinaus, reißenden Absatz fand, machte den Hersteller hellhörig – und brachte einen neuen Augenbrauenstift und damit eine neue Geschäftsidee in die Welt.

Luxusmarken als Kunden

Die Marktmacht bei Kosmetikprodukten ist nicht sichtbar, weil Schwan Cosmetics ausschließlich als Lieferant für eine Vielzahl von Kosmetikmarken fungiert und seine Produkte nicht unter eigenem Label an die Endverbraucherin bringt. Dabei – und das betont Karas besonders – sei man aber keineswegs nur die verlängerte Werkbank, sondern vielmehr derjenige, der die Produktneuheiten in den Markt trägt, die Marken überzeugt von dem, was deren Kundinnen künftig brauchen, kurz man sei „Innovationsführer“. Entwickelt und erdacht wird in Heroldsberg, aber auch in Tennessee, denn die amerikanische Frau gilt als Leitbild in der Kosmetikindustrie. Produziert wird weltweit.

Dass die Innovationen aus Heroldsberg kommen, stimmt in besonderer Weise auch für die Traditionssparte des Hauses, das klassische Schreibgerät für das Papier. „Wir sind diejenigen, die das Original machen“, sagt Sebastian Schwanhäußer und unterstreicht damit den Anspruch, sich in einem durch digitale Medien schwierigen Markt mit intelligenten, gefälligen und etwas teureren Produkten zu behaupten. Jüngste Entwicklung des Unternehmens, das mit dem „Boss“ den Textmarker neu erfand, ist ein Füller, dessen Feder sich gemäß der Schreibhaltung des Benutzers in ihrer Neigung so einstellen lässt, dass quasi immer formschöne Buchstaben entstehen. Ein Produkt, das der richtigen Einstellung und Beratung bedarf, was nur im Fachhandel und nicht online möglich sei, so Schwanhäußer.

Stifte zum Schreibenlernen

Im Visier des Unternehmens sind besonders Kinder in der Schreiblernphase denen die Hightech-Stifte, das Lernen erleichtern sollen. So entstanden in den vergangenen Jahren Stifte speziell für Linkshänder und eine Vielzahl von ergonomisch fortschrittlichen Modellen. Um das Prestige-Produkt und „Flaggschiff“ Füller in aller Konsequenz mit dem Erfahrungswissen von einem Jahrhundert weiterzuentwickeln, übernahmen die Heroldsberger im April dieses Jahres den Traditionshersteller Meisenbach.

Eine weitere Akquisition liegt schon neun Jahre zurück: Die Übernahme des Rucksack- und Schlafsackherstellers Deuter aus Gersthofen rührt aus einer Zeit, in der das Wachstum aus eigener Kraft in den angestammten Geschäftsfeldern schwierig erschien. Wie Deuter in die Gesamtstrategie des Konzerns passt, erklärt Schwanhäußer so: „Wir sind immer auf der Suche nach Trends. So gibt es einen Trend nach draußen, nach Gesundheit und Schönheit.“ In das Schema fällt auch die jüngste Übernahme der Maier Sports Gruppe im schwäbischen Köngen, die mit 160 Mitarbeitern nun als Teil der Outdoor-Sparte Sportbekleidung produziert. „Die Rucksäcke, Stifte und Kosmetik eint außerdem, dass wir generell vom Experten her entwickeln und dadurch vor allem die Konsumenten ansprechen, für die die beste Produkt-Performance zählt“, so Schwanhäußer, der sich auch als Vizepräsident der IHK Nürnberg für Mittelfranken engagiert.

Was aus seinem Mund ganz einfach, schlüssig und folgerichtig klingt, bedarf im Hause Schwanhäußer Industrie Holding GmbH & Co. KG oftmals der Zustimmung eines 43 Familienmitglieder zählenden Gesellschaftergremiums. In der Vergangenheit fielen viele Abstimmungen (z.B. die Übernahme von Deuter) eher knapp aus. Auch der Leuchtmarker sorgte in den 70er Jahren zunächst für Stirnrunzeln. „Am Ende haben sich aber immer die mutigen Entscheidungen als wichtig für die Zukunft bewährt“, weiß Schwanhäußer, denn die traditionellen Holzstifte machen heute nur noch rund fünf Prozent des Umsatzes bei den Schreibgeräten aus.

Farbexplosion im Cube

Dass man nicht immer nur dem Mainstream folgt, zeigt auch der Blick auf das neue Gebäude, das anlässlich des 160-jährigen Firmenjubiläums im Juli in Heroldsberg eröffnet wurde. 15 Mio. Euro wurden in den „Cube“ für die Schreibgerätesparte investiert, das die Farbsprache der Marke aufgreift. Von außen ein eher unspektakulärer schwarzer Würfel, feiert sich im Innern die Farbenfreude selbst. Der Eingangs- und Konferenzbereich ist in knalligem Grün gehalten, orangefarbene Treppen verbinden offen gehaltene blaue und lila Stockwerke, die einen Blick in den tiefroten Show- und Verkaufswürfel offenbaren. Von ganz oben strahlt eine gelbe Decke auch bei tristem Wetter. Die Marketing- und Vertriebsmitarbeiter, die hier arbeiten, sollen sich rundum wohl fühlen und durften Rückzugs- und Besprechungsräume via Ideenwettbewerb selbst gestalten.

 

Autor/in: 

uba.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2015, Seite 64

 
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