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Urlaub

Wann gibt’s frei?

Bei laufenden Beschäftigungsverhältnissen und nach Kündigungen kommt es häufig zu Streitigkeiten wegen des Urlaubsanspruchs. Von Thomas Lausenmeyer

Die Sache scheint klar zu sein: Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) schreibt vor, wie viele freie Tage den Mitarbeitern mindestens zustehen. Darüberhinaus vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer meist im Arbeitsvertrag die genaue Zahl der Urlaubstage. Dennoch kommt es immer wieder zu Streitigkeiten, die oft bis zum Bundesarbeitsgericht (BAG) ausgefochten werden, weil das Urlaubsrecht zahlreiche unerwartete Tücken im Einzelfall birgt.

Die Zahl der Urlaubstage richtet sich nach der Zahl der Werktage (nicht der Stunden), an denen pro Woche gearbeitet wird. Bei einer Fünf-Tage-Woche beträgt der gesetzlich festgelegte Mindesturlaub gemäß dem BUrlG 20 Tage im Kalenderjahr. Grundsätzlich erwirbt jeder Arbeitnehmer erst nach sechsmonatiger Wartezeit (landläufig als „Urlaubssperre“ bezeichnet) einen Mindesturlaubsanspruch – das Arbeitsverhältnis muss also mindestens ein halbes Jahr bestehen, bis Urlaub gewährt werden muss. Nur in Ausnahmefällen kann vor Ablauf der Wartezeit ein Anspruch auf einen Teilurlaub entstehen: Wenn etwa von Anfang an feststeht, dass die Wartezeit nicht erfüllt werden kann (z.B. bei einem Arbeitsvertrag, der nur auf vier Monate befristet ist), hat der Arbeitnehmer bereits bei Beginn des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf Urlaub. Für jeden vollen Monat (nicht Kalendermonat!), den das Arbeitsverhältnis besteht, steht ihm ein Zwölftel des Jahresurlaubs zu.

Gesetzlicher und vertraglicher Anspruch

Die meisten Arbeitsverträge enthalten Klauseln zur Zahl der Urlaubstage und zur Gewährung des Urlaubs, mit denen die Vorschriften des BUrlG ergänzt werden. In aller Regel wird vom Arbeitgeber ein Urlaub gewährt, der über den gesetzlichen Mindestanspruch hinausgeht. Dies kann aber rechtliche Probleme nach sich ziehen, insbesondere wenn nicht zwischen dem gesetzlichen und dem vertraglichen Urlaubsanspruch unterschieden wird. Ohne diese Differenzierung kann es zu Unklarheiten kommen, wenn im Vertrag für das Jahr des Eintritts ein nur anteiliger Urlaubseinspruch festgelegt wird. Dann entsteht möglicherweise schon vor Ablauf der Wartezeit ein vertraglicher Urlaubsanspruch, der sogar über dem gesetzlichen Mindesturlaub liegen kann. Dabei hat der Arbeitgeber vorteilhafte Möglichkeiten, die beiden Urlaubskomponenten vertraglich verschieden auszugestalten.

Ein Beispiel: Scheidet ein Arbeitnehmer nach absolvierter Wartezeit in der zweiten Jahreshälfte aus, hat er grundsätzlich Anspruch auf den gesamten gesetzlichen Mindesturlaub. Dagegen kann der vertraglich zusätzlich gewährte Urlaub entsprechend den geleisteten Arbeitsmonaten gezwölftelt werden. Die Zwölftelung im Eintritts- bzw. Austrittsjahr kann sogar noch weitergehend einheitlich für beide Urlaubskomponenten, also den gesamten Jahresurlaub, vereinbart werden. Hier ist aber wichtig, dass nach erfüllter Wartezeit der gesetzliche Mindesturlaub bei einer Kürzung als Untergrenze geregelt wird. Wird dieser einschränkende Zusatz nämlich nicht beachtet, ist die Kürzungsregelung unwirksam, wenn sich bei der Kürzung eine Unterschreitung des gesetzlichen Mindesturlaubs ergeben würde.

Weiteres Beispiel: Der Arbeitnehmer ist länger krank und kann seinen Urlaub deshalb nicht komplett im gleichen Kalenderjahr nehmen. In diesem Fall verfällt der gesetzlich zustehende Urlaub spätestens 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist. Der zusätzlich vertraglich gewährte Urlaub kann vom Arbeitgeber dagegen so gestaltet werden, dass er schon mit Ablauf des Kalenderjahres entfällt. Es ist also dringend zu empfehlen, genau zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem vertraglichen Mehrurlaub zu unterscheiden und insbesondere die Aspekte Gewährung, Kürzung und Abgeltung von Urlaub differenziert festzulegen.

Anteiliger Urlaubsanspruch

Kompliziert kann es bei der Berechnung des anteiligen Urlaubsanspruchs werden – etwa bei einem Ausscheiden des Mitarbeiters während des Jahres, bei Eintritt in die Elternzeit, beim Ruhen des Arbeitsverhältnisses oder beim Wechsel von einer Vollzeit- zu einer Teilzeittätigkeit. Hier gibt es keine allgemeingültige Regel, sondern jeder Einzelfall muss betrachtet werden. Gegebenenfalls sind auch gesetzliche Spezialvorschriften zu beachten. Häufige Fragen in der Praxis sind: In welchem Umfang darf der Urlaub gekürzt werden? Darf der Arbeitgeber abrunden oder muss er aufrunden, wenn sich bei der Berechnung von Urlaubstagen Brüche ergeben?

Ein Beispiel für die Komplexität des Themas: Der Arbeitgeber kann nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) den Erholungsurlaub eines Mitarbeiters, der sich in Elternzeit befindet, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit (nicht Beschäftigungsmonat!) um ein Zwölftel kürzen. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Arbeitnehmer während der Elternzeit bei seinem Arbeitgeber in Teilzeit arbeitet. Eine Kürzung scheidet aber nach aktueller BAG-Rechtsprechung dann aus, wenn das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist. Die Arbeitgeber sind also gefragt, die Kürzung des Urlaubs rechtzeitig zu erklären.

In der Praxis kommt es häufig zu Problemen, wenn das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber gekündigt wird. In diesem Fall wünscht der Arbeitgeber häufig nicht mehr, dass der Arbeitnehmer weiter im Betrieb anwesend ist. Schnell wird dann von Arbeitgeberseite die Freistellung erklärt, wobei noch bestehende Ansprüche auf Resturlaub angerechnet werden sollen. Die berechtigte Absicht dahinter: Wenn der Arbeitnehmer schon bezahlt zu Hause bleiben darf, dann sollte währenddessen wenigstens sein Urlaub aufgebraucht werden.

Relativ unkompliziert ist die Anrechnung des Urlaubs bei der unwiderruflichen Freistellung (Rückkehr des Mitarbeiters in den Betrieb soll definitiv ausgeschlossen werden): Dann kann der noch nicht genommene Urlaub bei entsprechender Regelung vollständig innerhalb der Freistellungsphase angerechnet werden, der Urlaub ist damit abgegolten. Schwieriger wird es bei der widerruflichen Freistellung, bei der die Rückkehr des Arbeitnehmers nicht völlig ausgeschlossen werden soll: Hier muss der Arbeitgeber gleichzeitig verbindlich festlegen, an welchen Kalendertagen der Urlaub während der Freistellungsphase angerechnet werden soll.

Fristlose und ordentliche Kündigung

Ein weiterer Sonderfall beim Thema Freistellung: Der Arbeitgeber spricht eine fristlose Kündigung und gleichzeitig eine ordentliche Kündigung aus – für den Fall, dass die fristlose Kündigung vor dem Arbeitsgericht keinen Bestand haben sollte. Lässt sich die fristlose Kündigung nicht halten, hat der Arbeitgeber dennoch häufig ein Interesse daran, dass der Mitarbeiter nicht wieder im Betrieb erscheint und der Urlaub deshalb während der Freistellung angerechnet wird. Dies kann er nur dadurch sicherstellen, indem er – gemäß einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 2015 – dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs bezahlt bzw. dies vorbehaltlos zusagt.

Ein laxer Umgang mit dem Urlaubsrecht birgt Gefahren, die meistens ohne großen Aufwand vermieden werden können. Grundsätzlich sollten die Einzelfälle rechtlich differenziert betrachtet und die aktuelle Rechtsprechung zum Urlaubsrecht berücksichtigt werden.

Externer Kontakt:

Thomas Lausenmeyer ist Rechtsanwalt bei der Beratungs- und Prüfungsgesellschaft Rödl & Partner in Nürnberg (thomas.lausenmeyer@roedl.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2016, Seite 14

 
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