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Schweiz

Deutsch reicht nicht

Schloss Tourbillon bei Sitten im Schweizer Kanton Wallis.

Für ausländische Unternehmen ist das Nachbarland ein anspruchsvoller Markt. Wie kann man erfolgreich Fuß fassen?

Ein Land, in dem Kassierer an der Discounterkasse umgerechnet fast 4 000 Euro im Monat verdienen, erscheint als verheißungsvoller Absatzmarkt. Doch Daniel Heuer, Leiter Export-Marketing und Vizedirektor der Handelskammer Deutschland-Schweiz in Zürich, bremst die Euphorie: Ein Markteinstieg in der Schweiz sei aufwändig, zudem funktionierten viele Branchenmärkte anders als in Deutschland. Eine geschäftliche Präsenz in der Schweiz setze eine besondere interkulturelle Kompetenz im Umgang mit unterschiedlichen Mentalitäten voraus, außerdem gehe es nicht ohne die drei Amtssprachen Deutsch, Französisch und Italienisch.

Bei der IHK-Veranstaltung „Erfolgreicher Vertrieb in der Schweiz“ unterstrich er, dass sich erfolgreiche Geschäftsmodelle aus Deutschland nicht einfach auf das Nachbarland übertragen lassen. Als Beispiel nannte er einen deutschen Immobilien-Dienstleister, der mit einem „Mc“ im Firmennamen antreten wollte, um auf günstige Preise hinzuweisen. Davon riet ihm Heuer nachdrücklich ab: Zum einen werde ein „Mc“ im Firmennamen in der Schweiz als billig und damit meist als schlecht bewertet. Zum anderen gebe es angesichts der hohen Mietnachfrage kaum einen Markt für Wohnungsvermittler, der erfolgversprechende Markt für Makler beschränke sich auf Spezialimmobilien.

Gut überlegt sein will die Wahl des geeigneten Vertriebsweges: Die Zusammenarbeit mit Vertriebspartnern in der Eidgenossenschaft hält zwar den Aufwand gering und erspart den Aufbau einer eigenen Niederlassung. Aber nach Erfahrung Heuers gibt es in der Schweiz nur wenige Vertriebspartner, die „willens und fähig“ seien, ausländische Unternehmen auch tatsächlich engagiert zu unterstützen. Die Auslandshandelskammer habe sogar Kenntnis von Handelsvertretern, die den Markteintritt regelrecht torpedieren. Diese Art der Vertriebspartnerschaft genieße deshalb anders als in Deutschland nicht den allerbesten Ruf. Speziell bei Lebensmitteln und anderen Konsumgütern seien Handelsvertreter auch deshalb außen vor, weil die Einzelhandelsriesen Coop und Migros rund drei Viertel des Verbrauchermarktes abdecken.

Erfolgversprechender sei es, den Markt über eine eigene Niederlassung zu bearbeiten. Allerdings seien der Koordinationsaufwand und die Kosten nicht zu unterschätzen; das Jahressalär eines Mitarbeiters sollte mit einem Fixgehalt von mindestens 80 000 Schweizer Franken sowie mit zusätzlichen variablen Anteilen kalkuliert werden. Wer sich beim Markteinstieg für die Gründung einer GmbH oder einer AG entscheidet, sollte Folgendes bedenken: Die GmbH hat in der Schweiz ein Image-Problem, sie gilt bisweilen als die „AG für den armen Mann“. Neben erheblichen Gründungs- und Betriebskosten bietet die GmbH anders als die AG keine Anonymität bezüglich der Eigentumsverhältnisse, die GmbH-Daten sind öffentlich über den Zentralen Firmenindex (www.zefix.ch) einzusehen. Als weitere Spezialform für den Markteintritt gilt die Zweigniederlassung, die zwar wirtschaftlich selbstständig, aber wie eine Filiale rechtlich unselbstständig ist. Das bedeutet auch, dass es keine Haftungsbegrenzung in der Schweiz gibt, im Haftungsfall wird auf die deutsche Muttergesellschaft zurückgegriffen.

Der Kauf einer etablierten Firma in der Schweiz ist eine Option, um auf einen Schlag mit vorhandenen Mitarbeitern und Kunden voll im Markt präsent zu sein. Bei dieser Variante wird man als Schweizer Unternehmen wahrgenommen, die Dauer des Kaufprozesses vom ersten Kontakt bis zum Abschluss liegt oft bei ein bis zwei Jahren.

„Virtuelle“ Repräsentanz

Um den Markt und dessen Potenzial zu testen, greifen viele ausländische Unternehmen zunächst auf eine „virtuelle“ Geschäftsrepräsentanz zurück. Benötigt wird dafür nur eine Anschrift und eine Telefonnummer – etwa bei einem Freund in der Schweiz oder auch bei der Handelskammer Deutschland-Schweiz. Sie betreut derzeit 15 Unternehmen mit Sitz in Deutschland (z.B. IT-Firmen, andere Dienstleister und Handwerksbetriebe), an die sie eingehende Bestellungen und Anrufe weiterleitet. Diese Geschäftsrepräsentanz, die keineswegs illegal sei, wie Heuer unterstreicht, kostet bei der Auslandshandelskammer als Standardvariante 5 000 Franken pro Jahr. Allerdings besitzt diese Art der Vertretung nur eine beschränkte Handlungsfähigkeit und gilt nicht als juristische Person. Wird sie vom Fiskus wegen „massiver Aktivitäten“ doch als reguläre Betriebsstätte eingestuft, kann dies den Kostenvorteil schnell wieder zunichte machen.

Für E-Commerce-Anbieter, die in die Schweiz liefern wollen, sind die zusätzlichen Porto- und Zollkosten zu beachten. Ein 20 Euro-Päckchen wird für die Auslieferung im Nachbarland mitunter mit weiteren 30 Euro Handlingskosten belastet. Daher nutzen viele Schweizer Empfänger über diverse Spezialanbieter eine Lieferadresse beispielsweise im grenznahen Konstanz und umgehen so die schweizerischen Porto- und Zollkosten. Privatpersonen müssen Waren erst ab einem Wert von 300 Franken an der Grenze verzollen. Der Vorteil des E-Commerce oder Direktverkaufs ist natürlich der geringe Akquisitionsaufwand vor Ort, zumal dafür nur eine Homepage mit der Schweizer Landesendung „ch“ nötig ist.

Beachten müssen ausländische Unternehmen auch eine Vielzahl von steuerlichen Fragen, die oft anders interpretiert werden als in Deutschland. So besteht eine Unternehmenssteuerpflicht bereits immer dann, wenn ein Handelsregistereintrag vorgenommen wird oder eine feste Geschäftseinrichtung vorliegt. Dagegen gibt es bei einer Anmietung eines Lagers oder einer virtuellen Präsenz keine Steuerpflicht. Vorsicht ist bei Zwischenstufen angebracht, die dem schweizerischen Fiskus nach Erfahrung Heuers oft großen Spielraum für Interpretationen lassen. Mehrwertsteuer muss gegebenenfalls bei Warenlieferungen in Kombination mit Dienstleistungen oder reinen Montageleistungen abgeführt werden, dagegen besteht bei reinen Warenlieferungen in der Regel keine Mehrwertsteuerpflicht.

Die wirtschaftlichen Rahmendaten für die Schweiz, die in diesem Jahr erstmals Partnerland der Cebit in Hannover ist, sprechen jedenfalls nicht gegen ein Engagement deutscher Unternehmen. Die Prognosen gehen von einem Wirtschaftswachstum von 1,2 bzw. von 1,9 Prozent in diesem und im nächsten Jahr aus. Auch beim privaten Konsum und bei den staatlichen Investitionen werden Zuwächse in ähnlicher Höhe vorhergesagt. Das Export- und das Importgeschäft sollen sogar noch kräftiger anziehen. Die Daten sind also deutlich besser, als angesichts der drastischen Aufwertung des Schweizer Franken im Jahr 2015 und der sich anschließenden Krisenstimmung zu erwarten gewesen war.

Autor/in: 

tt.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2016, Seite 22

 
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